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Coronavirus-Pandemie

Ifo-Institut empfiehlt Corona-Taskforce

Wie kann die aktuelle Pandemie bekämpft werden? Dazu hat auch das Ifo-Institut ein Konzept erarbeitet. Im Fokus steht für die Autoren eine flexible, risikoadaptierte Strategie.
Anja Köhler
22.04.2020  10:48 Uhr

Deutschland debattiert über den schrittweisen Exit aus dem Shutdown, erste Bundesländer lockern die Einschränkungen, Kanzlerin Merkel steht wegen ihrer Kritik an »Öffnungsdiskussionsorgien« medial am Pranger. Und beinahe jede TV-Debatte dreht sich um die Folgen der Coronavirus-Pandemie, so auch bei »Hart aber fair« am Montagabend mit dem Thema »Freiheit nur in kleinen Schritten: Wie schädlich wird die Dauer-Quarantäne?« Einer der fünf Gäste war der Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Professor Clemens Fuest. Er sagte: »Das Herunterfahren aufgrund der Epidemie ist ein Problem, gegen das man nicht anfinanzieren kann.« Eine Rezession sei deswegen unausweichlich.

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach warnte unterdessen davor, mit den Lockerungsbeschlüssen das Ziel aufzugeben, die Pandemie einzudämmen. »Der Preis kann hoch sein.« Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) erklärte: »Auch wenn wir uns eine schnelle Rückkehr zur Normalität herbeisehnen, müssen wir akzeptieren, dass dieses Virus keine Rücksicht auf unsere Bedürfnisse nimmt.« Dass es für den Handel größere Erleichterungen als für Privatpersonen gibt, verneinte Ifo-Präsident Fuest und mahnte: »Wir alle sind darauf angewiesen, dass die Wirtschaft läuft.« Die Frage sei, wie Ansteckungsrisiken beurteilt werden. »Offenbar ist man der Meinung, wenn man einen Laden aufmacht und die Leute halten Abstand, dann ist das vertretbar. Wenn man in einer Fabrik arbeitet, die hochautomatisiert ist (…) und man Masken hat, dann kann man das machen. Ich glaube nicht, dass man das eine gegen das andere ausspielen kann.« 

Die Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie tragfähig gestalten

Ähnlich versöhnlich argumentiert das Ifo-Institut in seinen »Empfehlungen für eine flexible, risikoadaptierte Strategie« - einem Papier, das Anfang April erschienen ist und sechs Ziele in den Mittelpunkt stellt: die erneute rasche Ausbreitung des Erregers weitgehend zu unterbinden, sodass gleichzeitig die natürliche Immunität in der Bevölkerung langsam ansteigt; das Gesundheitssystem zu stärken; Gruppen mit hohem Risiko für schwere COVID-19-Erkrankungen zu schützen; soziale und psychische Härten bei der Pandemiebekämpfung so weit wie möglich zu vermeiden; wirtschaftliche Aktivitäten möglich zu machen ohne unnötige gesundheitliche Risiken einzugehen, und schließlich Grundrechtseingriffe auf das erforderliche und angemessene Maß zu beschränken.

Die Autoren, darunter Ökonomen, Ärzte, Medizinethiker, Sozialpsychologen und Juristen, mahnen, dass sich das Virus erneut rasch ausbreiten und eine hohe Zahl schwerer Erkrankungen verursachen könnte, würden die Einschränkungen vollständig aufgehoben. Zudem sei nicht absehbar, wann eine wirksame Schutzimpfung oder eine breit anwendbare Therapie zur Verfügung stehen. Beides werde voraussichtlich nicht vor 2021 der Fall sein – ein Argument, das auch Lauterbach bei »Hart aber fair« in den Ring geworfen hatte. Aber: »Weder dies noch eine ausreichende natürliche Immunität in der Bevölkerung können unter Beibehaltung der gegenwärtigen Restriktionen abgewartet werden«, heißt es weiter. Daher müssten künftige Maßnahmen eine gute gesundheitliche Versorgung sichern, und sich gleichzeitig über die erforderlichen Zeiträume durchhalten lassen.

Kriterien für schrittweisen Übergang

Wie könnte demnach ein schrittweiser Übergang gelingen? Ein Vorschlag der Autoren ist, eine Corona-Taskforce einzurichten. Deren Aufgabe wäre, »die politische Entscheidungsfindung vorzubereiten, Empfehlungen zu geben, und das Umsetzen der Entscheidungen zu begleiten und zu kommunizieren.« Die Corona-Taskforce bestünde aus einer bei der Bundesregierung angesiedelten nationalen Taskforce und aus regionalen Taskforces auf der Ebene der Bundesländer, die untereinander in engem Kontakt stehen. Zudem empfehlen die Autoren, entsprechende Vorkehrungen zu treffen und dabei den Schutz der Risikogruppen im Blick zu haben – etwa Schulungen zu Hygienemaßnahmen, verbindliche Vorgaben zur Verwendung von Schutzausrüstungen, und großflächige Testungen, um zu überwachen, wie sich der Erreger ausbreitet und wie sich die Immunität in der Bevölkerung entwickelt. Daneben sollte die uneingeschränkte medizinische Versorgung wiederhergestellt werden. Weiter empfehlen die Autoren, die Produktion von Schutzkleidung und -masken in Deutschland massiv zu steigern und die Produktionskapazität für Impfstoffe und Medikamente in Deutschland zu sichern.

Für die schrittweise Lockerung der Beschränkungen sollten laut Ifo-Institut folgende Kriterien gelten: »Sektoren mit niedriger Ansteckungsgefahr (etwa hochautomatisierte Fabriken, und weniger vulnerablen Personen, wie etwa Kindertagesstätten und Schulen), sollten zuerst geöffnet werden. (…) Sektoren, in denen gut mit Homeoffice und digitalen Techniken gearbeitet werden kann, haben weniger Priorität als Sektoren, in denen das nicht geht.« Weiter argumentieren die Autoren: »Eine hohe Wertschöpfung, wie sie insbesondere Teile des verarbeitenden Gewerbes aufweisen, sollte als Kriterium für prioritäre Öffnung berücksichtigt werden. Beschränkungen, die hohe soziale oder psychische Belastungen implizieren, sollten vorrangig gelockert werden. Regionen mit niedrigeren Infektionsraten und weniger Verbreitungspotential können eher geöffnet werden. Nach Ausbildung von natürlicher Immunität können vor allem Bereiche und Regionen mit einer hohen Immunität geöffnet werden. Und: Regionen mit freien Kapazitäten in der Krankenversorgung können eher geöffnet werden.« 

Die wirtschaftlichen Einbußen eines einmonatigen Shutdowns und einer darauf folgenden schrittweisen Erholung der Wirtschaft liegen laut Ifo-Institut zwischen 150 bis 260 Milliarden Euro, diese Kosten der »verlorengegangenen Wertschöpfung« entsprechen demnach zwischen 4,3 und 7,5 Prozent des BIP. »Bei Verlängerung würden die Kosten überproportional steigen.« Allerdings sei ein funktionierendes Wirtschaftssystem Voraussetzung für ein funktionierendes Gesundheitssystem. Geschlossene Schulen und Universitäten verstärkten Ungleichheiten, weil Bildungsinvestitionen entfallen. Und: »Wirtschaftskrisen und Arbeitslosigkeit haben darüber hinaus hohe gesundheitliche und soziale Kosten in Form vermehrter physischer und psychischer Erkrankungen und verkürzter Lebenserwartung. Auch hier werden ohnehin schon sozioökonomisch schwache Gruppen besonders belastet«, so das Ifo-Institut.

Das Institut weist darauf hin, dass die Empfehlungen der Autoren vom Stand der Wissenschaft Anfang April 2020 ausgehen. Sie müssten unmittelbar angepasst werden, »wenn aufgrund neuer wissenschaftlicher Ergebnisse eine Änderung des diagnostischen und/oder therapeutischen Vorgehens in medizinischen Fragen bzw. entsprechende Änderungen in anderen Sektoren indiziert sind«.

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