»Ich möchte wieder in mein normales Leben zurück« |
In Niedersachsen wurden nach Angaben der Kammer seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie vor etwa fünfeinhalb Jahren rund vier Millionen Infektionen offiziell registriert – bundesweit waren es fast 40 Millionen.
Kommt es zu Long oder Post Covid, leiden die Betroffenen unter einer Vielzahl von Beschwerden, wie Dr. Vega Gödecke, Oberärztin der Klinik für Nieren- und Hochdruckerkrankungen sowie des Zentrums für Seltene Erkrankungen an der Medizinischen Hochschule Hannover, sagt. Über 100 Beschwerden gebe es. Dazu zählen Konzentrationsstörungen, Kribbeln, Luftnot, Husten, Muskelschmerz und -schwäche, Gelenkschmerzen sowie Seh- und Hörstörungen. Wichtig sei eine Anlaufstelle für Betroffene, ergänzte Renneberg: »Man braucht viel Zeit, man muss zuhören.« Besonders Frauen und junge Menschen gelten als gefährdet – wegen des aktiveren Immunsystems. Menschen mit Übergewicht und Erkrankungen des Immunsystems haben ebenfalls ein höheres Risiko.
Wohl am meisten gefürchtet: ME/CFS – Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom. ME/CFS ist eine chronische Krankheit, bei der Symptome wie schwere Erschöpfung, Konzentrations- und Schlafstörungen mindestens sechs Monate lang anhalten. Als charakteristisch gilt die Verschlimmerung der Beschwerden nach körperlicher und geistiger Anstrengung.
Angesichts des breiten Spektrums an Symptomen bedürften Post-Covid-Patienten »einer interdisziplinären Betrachtung«, mahnte Gödecke zu entsprechenden Ambulanzen. Die medizinische Versorgung müsse angepasst werden. Auch gebe es »keinen spezifischen Biomarker für Post Covid«, man sei daher angewiesen auf Diagnosen, die das Krankheitsbild so weit wie möglich eingrenzten. »Gerade, wenn wir in der Versorgung Patientinnen und Patienten sehen, deren Verläufe auffällig und nicht eindeutig erklärbar sind, müssen wir Post Covid im Hinterkopf haben«, sagte Renneberg.
Die Vizepräsidentin der Kammer sprach beispielhaft von einer Patientin, die 2021 eine Coronainfektion hatte, danach immer mal wieder Infekte hatte und inzwischen schwerst erkrankt sei – arbeitsfähig sei sie nicht mehr. Ein typischer Satz laute dann: »Ich möchte wieder in mein normales Leben zurück.« Renneberg betonte auch: »Forschung halte ich für ausgesprochen wichtig.« Allerdings seien klinische Versorgung und Forschung »noch nicht da, wo sie sein sollten«, sagte Gödecke.
Für den Wissensaustausch setzt die Ärztekammer Niedersachsen etwa auf ärztliche Fortbildung. Über 250 Ärztinnen und Ärzte hätten sich angemeldet, sagte Renneberg. Und Schomerus warnte angesichts der Komplexität der Erkrankung, die oft nicht gesehen werde, vor einem »Verlust an Vertrauen in die medizinische Versorgung«.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.