»Ich möchte wieder in mein normales Leben zurück« |
Für Betroffene eine wahnsinnige Last. / © Adobe Stock/freshidea
Eine Patientin braucht 20 Minuten, um die Treppen zu ihrer Wohnung zu bewältigen, ein Mann sitzt eine Viertelstunde an einer Mail, weil er immer wieder Fehler macht, Kinder halten den Vormittag in der Schule nicht durch: Sie alle leiden an den Symptomen von Long oder Post Covid – während viele andere die Corona-Pandemie und ihre Folgen mehr oder minder abgehakt haben. Die Ärztekammer Niedersachsen rief dazu auf, weitere Post-Covid-Ambulanzen in dem Bundesland einzurichten.
Für eine spezialisierte und interdisziplinäre Versorgung benötige ein Flächenland wie Niedersachsen ein entsprechendes Netzwerk, sagte die stellvertretende Präsidentin der Ärztekammer, Dr. Marion Charlotte Renneberg. Derzeit gebe es landesweit zwei solcher Angebote – nämlich an der Medizinischen Hochschule Hannover und der Universitätsmedizin Göttingen. Das sei »ausbaufähig«, betonte sie.
Unter Long Covid versteht man teils schwere Beschwerden wie Erschöpfung und Atemnot, die nach einer akuten Krankheitsphase von vier Wochen fortbestehen oder neu auftreten. Mehr als zwölf Wochen andauernde Beschwerden werden Post Covid genannt.
Laut Ärztekammer Niedersachsen haben fünf bis zehn Prozent der Infizierten mit Long oder Post Covid zu kämpfen. Genauere Zahlen liegen nicht vor, es gebe immer noch eine Dunkelziffer, sagte Renneberg. Professor Dr. Karin Weissenborn von der Klinik für Neurologie an der Medizinischen Hochschule Hannover sagte: »Wir wissen eigentlich gar nichts.« Die genauen Ursachen von Long oder Post Covid sind nach Angaben der Ärztekammer zudem bisher nicht vollständig geklärt, auch gibt es keine Therapien.
Aber: Es gehe um eine große Anzahl von Menschen, die »katastrophal unterversorgt sind«, sagte Professor Dr. Georg Schomerus vom Universitätsklinikum Leipzig. Menschen mit Post-Covid-Syndrom erlebten oft eine Benachteiligung – ihre Beschwerden würden »in die psychosomatische Ecke geschoben«. Das empfänden viele Patientinnen und Patienten als stigmatisierend, die Betroffenen litten unter einem Gefühl der Isolation und der Ohnmacht. Es sei überholt, von einer primär psychischen Erkrankung auszugehen. Eine »Psychologisierung« helfe den Patienten zudem in keiner Weise, betonte Weissenborn.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.