HPV-Impfrate bei Kindern im Sinkflug |
Brigitte M. Gensthaler |
27.08.2024 14:00 Uhr |
Mädchen und Jungen sollten im Alter von neun bis 14 Jahren zweimal gegen HPV geimpft werden. Doch die Impfrate lässt sehr zu wünschen übrig. / Foto: Getty Images/thianchai sitthikongsak
Der Arzneimittelreport 2024 der Barmer, der am heutigen Dienstag vor Journalisten in Berlin vorgestellt wurde, nennt konkrete Zahlen, die auf Versichertendaten der Kasse beruhen. Demnach sind etwa 40 Prozent der Mädchen in Deutschland trotz entsprechender Impfempfehlung mit 14 Jahren nicht oder unvollständig gegen HPV geimpft. Das sind jährlich rund 150.000 Betroffene.
Dabei gibt es deutliche regionale Unterschiede: In Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sind 71 bis 75 Prozent der 17-jährigen Mädchen vollständig geimpft, aber nur 51 bis 55 Prozent in Bayern, Bremen und Baden-Württemberg. Ein Stadt-Land-Gefälle wurde nicht analysiert.
Zudem ist die Impfrate gegen Ende der Coronapandemie deutlich eingebrochen. Laut Report ist sie vom Jahr 2021 auf 2022 um 23,5 Prozent (von 98 auf 75 Impfungen je 1000 Mädchen) zurückgegangen. Im Vergleich zum »Rekord-Impfjahr« 2015 beträgt der Rückgang sogar 37 Prozent.
Diesen Rückgang bezeichnete der Vorsitzender des Barmer-Vorstands, Professor Dr. Christoph Straub, bei der Pressekonferenz als »unverständlich und besorgniserregend«, denn die Impfung könne Krebs nachweislich verhindern. Im Jahr 2020 erkrankten 4640 Frauen an Gebärmutterhalskrebs, der hauptsächlich durch HPV ausgelöst wird, und 1546 starben daran (Zentrum für Krebsregisterdaten). »Jedoch lässt sich der positive Effekt der Impfung bereits belegen. Bei den 20- bis 29-jährigen Frauen ist die Rate an Gebärmutterhalskrebs vom Jahr 2011 bis 2020/22 von 23 Neuerkrankten auf 7 pro eine Million Frauen gesunken.« Da die Erkrankungsraten bei den 30- bis 39-jährigen Frauen (die nicht geimpft wurden) stabil sind, sei dies ein Impfeffekt.
Eine Impfquote von 60 Prozent ist allerdings nicht gut. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt zur Eliminierung des Zervixkarzinoms im nächsten Jahrhundert eine weltweite vollständige Impfquote von 90 Prozent bei Mädchen bis 2030.
Und die Jungen? Für sie gilt seit 2018 ebenfalls eine Impfempfehlung, denn die HPV-Impfung schützt auch sie vor HPV-bedingten Tumoren und zusätzlich indirekt die Mädchen. Der Anteil der vollständig geimpften 13-jährigen Jungen liege mit 25 Prozent noch viel niedriger als bei den Mädchen, so Studienautor Professor Dr. Daniel Grandt, Chefarzt am Klinikum Saarbrücken. Vom Jahr 2021 auf 2022 sei die Rate der jährlich Geimpften um 31,8 Prozent von 85 auf 58 je 1000 Jungen zurückgegangen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.