Hoffnung für das alternde Gehirn |
Theo Dingermann |
24.07.2025 15:30 Uhr |
Alt werden und dabei geistig und körperlich fit bleiben: Das wünscht sich jeder. / © Adobe Stock/deagreez
Die Weltbevölkerung altert rapide, was auch dazu führt, dass altersbedingte Erkrankungen des Zentralnervensystems deutlich zunehmen. Die Idee, dem Funktionsverlust unseres Gehirns durch verjüngende Maßnahmen entgegenwirken zu können, klingt daher vielversprechend.
Nun berichten Forschende um Dr. Guillem Santamaria von der Universität Luxemburg im Wissenschaftjournal »Advanced Science« von einer innovativen computergestützten Plattform, die auf einer gehirnspezifischen Transkriptom-Uhr basiert, um altersbedingte und neurodegenerationsbezogene Veränderungen zu erkennen. Die Uhr wurde auf Querschnitts-Genexpressionsdaten aus Gehirnen von 778 gesunder Personen im Alter von 20 bis 97 Jahren trainiert und basiert auf 365 Schlüsselprädiktoren für das Gehirnalter.
Von diesen waren die meisten überraschenderweise nicht direkt mit einer Gehirnpathologie verbunden, sondern primär mit dem DNA-Stoffwechsel und der DNA-Reparatur sowie mit lysosomenbezogenen Komponenten. Die am stärksten angereicherte molekulare Funktion war die Steroltransporter-Aktivität, was auf bekannte Veränderungen im Sterolstoffwechsel während der Gehirnalterung hinweist.
Mit dieser Plattform analysierten die Forschenden 43.840 Transkriptionsprofile von 5771 chemischen und genetischen Störfaktoren in neuralen Vorläuferzellen (NPC) und Neuronen auf potenziell verjüngende Eigenschaften. So konnten sie 971 einzigartige Perturbationen in NPC und 68 in Neuronen identifizieren, die die transkriptomischen Profile signifikant verjüngten.
Letztlich wurden in der Studie 453 einzigartige verjüngende Interventionen identifiziert. Zu deren Top 5 mit Blick auf eine Verjüngung von NPC gehören Moleküle wie BGT-226 (ein Pan-PI3K- und mTOR-Inhibitor), Alvocidib (ein Cyclin-abhängiger Kinase-Inhibitor), WYE-354 (ein mTOR-Inhibitor), Iloprost (ein Prostacyclin-Analogon) und der Transkriptionsrepressionsinhibitor BRD-K48950795, der Chromatin-Remodellierungsmechanismen hemmt. Mit Blick auf Neuronen schnitten Substanzen wie KIN-001-220, der zugelassene Wirkstoff Ponatinib, CX-5461, AZD-7762 und PF-573228 am besten ab.
Die meisten dieser Entwicklungssubstanzen zeigen Wirksamkeit gegen verschiedene Krebsarten. Allerdings wurden sie bisher nicht direkt mit Alterung in Verbindung gebracht wurden. Selbstverständlich müssen die von der Plattform identifizierten Verbindungen nun hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Sicherheit weiter untersucht und validiert werden.
Interessanterweise wurden 20 der in NPC vorhergesagten und drei der in Neuronen vorhergesagten Verbindungen (Dopamin, Nemonaprid und TAK-175) in der DrugAge-Datenbank als lebensverlängernd in Tiermodellen identifiziert. Dabei könnte die im Vergleich zu Neuronen auffallend höhere Anzahl an potenziell verjüngenden Verbindungen in NPC auf die größere Plastizität dieser Vorläuferzellen hinweisen.
Als Proof of Concept für ihren Ansatz testeten die Forschenden drei Verbindungen, konkret 5-Azacytidin, Tranylcypromin und JNK-IN-8, die von ihrer Plattform als Kandidaten identifiziert worden waren, an alten Mäusen. Die Behandlung führte zu einer deutlichen Reduzierung von Angstzuständen und verbesserte das Gedächtnis der Tiere. Zudem ließ sich auch eine transkriptomischen Verjüngung des Hirnrinden-Transkriptoms bei den Mäusen nachweisen.
In einer Pressemitteilung sagt der Seniorautor der Studie, Professor Dr. Antonio Del Sol, dass durch die Rechenplattform Medikamente identifiziert wurden, die eine bekannte Wirkung auf die Gehirnfunktion haben. Somit ist es nicht unplasibel, dass die in dieser Arbeit entwickelte Uhr auch dabei helfen kann, viele neue Kandidaten zu finden, die bisher noch nicht auf ihre verjüngenden Eigenschaften untersucht wurden. Das eröffne eine Vielzahl neuer Möglichkeiten.