Hochsensibel und lange unterschätzt |
Mit zunehmendem Alter verändert sich das Fasziengewebe, was Einfluss auf Beweglichkeit und Gesundheit haben kann. Faszien enthalten Hyaluronsäure, die wie ein Schmiermittel zwischen den Faszienschichten wirkt. »Mit Bewegung wird die Hyaluronsäure flüssiger und sorgt dafür, dass die Faszienschichten reibungslos gegeneinander gleiten können«, erklärt Wilke. »Und das ist ganz wichtig für unsere Beweglichkeit und deren Erhalt.« Schon 2011 ergab eine im Fachmagazin »BMC Musculoskeletal Disorders« publizierte Arbeit, dass bei Rückenschmerzpatienten diese Gleitfähigkeit oft stark reduziert ist, was die Schmerzen weiter verstärken könnte.
Wichtig ist dabei der Aufbau von Faszien, der dank moderner bildgebender Verfahren mittlerweile viel besser verstanden ist. So sind Faszien zwar sehr dünn, bestehen aber dennoch aus zwei bis vier Schichten, zwischen denen sich wiederum lockeres Bindegewebe mit Hyaluronsäure befindet. »Die Hyaluronsäure ist wie Ketchup«, erläutert Wilke und spricht in diesem Kontext von einem nicht-newtonschen Fluid. Derartige Flüssigkeiten sind in Ruhe relativ fest und werden flüssiger, wenn mechanische Reize auf sie wirken. »Das ist wie beim Ketchup, der im Kühlschrank vergleichsweise fest ist und flüssiger wird, wenn ich die Flasche schüttele.« Das Gleiche passiere mit der Hyaluronsäure in den Faszien. »Die Hyaluronsäure ist im Prinzip ein Schmiermittel, das wir haben«, sagt Wilke.
Wenn nun die Faszien eine derart wichtige Rolle spielen, könnte es naheliegen, sie durch gezieltes Training anzusprechen. Doch Sportwissenschaftler Wilke betont, dass es kein isoliertes Faszientraining gibt. »Natürlich trainiert man immer einen Komplex«, erklärt er. Bewegung, die multidirektional und dynamisch-federnd sei, tue den Faszien gut. »Faszien lieben Vielseitigkeit«, so Wilke. Besonders Menschen, die sich wenig bewegen, sollten darauf achten, ihre Faszien durch vielfältige Bewegungen zu stimulieren.
Hier kann auch der Einsatz von Hartschaumrollen hilfreich sein, doch Wilke warnt davor, es zu übertreiben: »Es gibt keine klaren Belege dafür, dass intensives Rollen schädlich ist, aber man sollte mit Vernunft an die Sache herangehen.« Neuere Forschungen legten zudem nahe, dass für eine optimale Behandlung der Faszien gar nicht so viel Druck nötig ist, wie bislang angenommen. Vielmehr könnten auch sanftere Bewegungen etwa Schmerzen dämpfen, führt Wilke aus.