Hoch, höher, höhenkrank? |
Die Höhenkrankheit kann ab 2500 Metern über dem Meeresspiegel auftreten. Der Körper braucht eine gewisse Zeit, um sich anzupassen. / Foto: Getty Images/Westend61/Uwe Umstätter
Vielleicht ist die Hitze schuld, vielleicht die Aufregung. Oder war es doch das Essen auf der Hütte? Wer auf dem Berg Symptome wie Kopfschmerzen, Übelkeit oder Schwäche spürt, denkt oft nicht direkt daran, dass es an der Höhe liegen könnte, sagt Walter Treibel. Der Sportmediziner weiß, was es heißt, in Höhenluft unterwegs zu sein: Er war mehrmals im Himalaya, er hat Achttausender bestiegen. Doch schon auf deutlich niedrigeren Bergen kann die Höhe zum Problem werden. «Die Höhenkrankheit kann ab 2500 Metern auftreten – meist ab 3000 Metern», sagt Treibel.
Eike Plazikowski, wie Walter Treibel in der Deutschen Gesellschaft für Berg- und Expeditionsmedizin, ist Unfallchirurg im Klinikum Garmisch-Partenkirchen. Auch er spricht von einer sogenannten Schwellenhöhe von um die 2500 Meter. Wann genau die erreicht sei, variiere aber von Mensch zu Mensch stark. Oberhalb der Schwellenhöhe, so Plazikowski, «braucht der Körper ein bisschen mehr Zeit, um sich an die neue Höhe zu gewöhnen».
Ein anschauliches Beispiel dafür sei die Fahrt auf die Zugspitze. In rund zehn Minuten überwindet die Seilbahn knapp 2000 Höhenmeter, die Bergstation liegt auf 2943 Meter. Da bemerke man einen schnelleren Atem als normalerweise – und auch einen etwas schnelleren Puls, beschreibt der Expeditionsmediziner. «Das sind eigentlich schon die ersten Anpassungsvorgänge, die der Körper macht, damit er eben trotzdem Sauerstoff kriegt.»
Die Anpassung an sich ist noch nicht krankhaft – woran erkennt man also, dass man höhenkrank ist? Das Hauptsymptom, das beide Mediziner beschreiben, sind Kopfschmerzen. «Wenn die Beschwerden stärker werden oder starke Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Schwindel, Übelkeit oder etwas in dieser Richtung dazukommt, dann spricht man schon zumindest von akuter Bergkrankheit», sagt Plazikowski. Sie ist eine von mehreren möglichen Erkrankungen, die zum Komplex der Höhenkrankheit gehören. Meist tritt sie zuerst ein.
Seltener, aber auch gefährlicher sind laut Walter Treibel zwei Erkrankungen, die eher in höheren Lagen aufträten: das Höhenlungenödem, das hauptsächlich ab 3500 bis 5000 Metern auftritt. Und das Höhenhirnödem, das eher bei Expeditionen vorkommt, bei denen es noch höher geht – normalerweise über 5000 Meter.
Grob zusammengefasst beschreibt Treibel die Krankheitsbilder so: «Ein Lungenödem ist eine Wasseransammlung in der Lunge, ein Hirnödem ist eine Wasseransammlung im Kopf.» Beides könne tödlich enden. Das Höhenhirnödem, das sich oft aus der akuten Bergkrankheit entwickele, trete im Vergleich seltener auf, sei aber auch gefährlicher.
Die Liste an Symptomen ist lang: starker Leistungsabfall, starke Müdigkeit, Schwindel, vielleicht auch Erbrechen, sehr starke Kopfschmerzen, Gangunsicherheit und Koordinationsschwierigkeiten der Hände. Auch ein stark gesteigerter Antrieb genau wie (gegenteilig dazu) totale Apathie könnten auf ein Höhenhirnödem hinweisen.
Ein Höhenlungenödem mache sich ebenfalls häufig durch einen starken Leistungsabfall bemerkbar. Hinzu kämen hier Atemnot und bei vielen Betroffenen auch ein anfangs trockener, später schaumiger, blutiger Husten.
Plazikowski verweist auf eine Binsenweisheit: «Eigentlich jeder wird höhenkrank, wenn man nur schnell genug aufsteigt.» Langsam aufsteigen ist also die Devise. Zentral ist dabei vor allem eines: die Schlafhöhe. Denn: «Beim Schlafen wird praktisch der ganze Kreislauf ein bisschen abgesenkt», sagt Walter Treibel.
Die normale Atemtätigkeit reiche oft nicht aus, um genügend Sauerstoff in den Körper hineinzupumpen. Um der Höhenkrankheit vorzubeugen, nennen die Fachleute deshalb Regeln für die Schlafhöhe. Eike Plazikowski empfiehlt, die Schlafhöhe ab 2500 Metern Höhe um nicht mehr als 400 bis 600 Höhenmeter pro Tag zu steigern. Walter Treibel würde ab 3000 Metern Höhe maximal um 400 bis 500 Höhenmeter pro Tag erhöhen. Gut zu wissen: Insgesamt sei es ihm zufolge wichtig, die Schlafhöhe pro Woche um nicht mehr als 1500 Höhenmeter zu steigern.
Franz Güntner vom Deutschen Alpenverein verweist auf die Tourenplanung. Man könne versuchen, sie so zu gestalten, dass man sich langsam an die Höhe gewöhnen kann. Wer etwa eine Bergtour machen möchte, könnte sich erst einmal einen niedrigeren Gipfel vornehmen, der aber auch schon zur eigenen Akklimatisierung beiträgt. Schlafen könnte man wieder in geringerer Höhe und am nächsten Tag dann etwas weiter hochgehen. Das Ziel ist also eine stetige Steigerung. «Ich starte nicht gleich mit dem höchsten Berg, mit dem Ziel für diese Bergsteigerwoche», sagt Güntner.
Vorherige Erfahrungen mit Höhe sollte man bei der Planung ebenfalls berücksichtigen: «Vielleicht war ich ja schon mal unterwegs und kann sagen, ich vertrage die Höhe einfach nicht so gut.» Das sei von Person zu Person verschieden.
Mit körperlicher Fitness hat die Höhenkrankheit Güntner zufolge erst einmal nichts zu tun. Den Körper vorab an den Sauerstoffmangel gewöhnen Vorbeugend helfen kann spezielles Training, vor allem, wenn sehr hohe Touren geplant sind und man vorab wenig Zeit hat, um sich vor Ort zu akklimatisieren.
Schon zu Hause könnte man den Körper an den Sauerstoffmangel gewöhnen, sagt Plazikowski, etwa mit einem Sauerstoffzelt. «Das sieht ein bisschen aus wie ein Aquarium, in dem man mit dem Kopf schläft», beschreibt der Mediziner. Ein Generator entziehe der Umgebungsluft Sauerstoff und leite diese sauerstoffarme Luft in das Zelt. Dadurch schlafe man auf einer simulierten Höhe, so der Unfallchirurg. «Das steigert man ganz langsam über mehrere Nächte.» Und: Tagsüber beim Training, etwa während man auf dem Ergometer sitzt, könne man eine Maske aufsetzen, durch die weniger Sauerstoff geleitet werde.
Prävention ist das wichtigste, da sind sich die Experten einig. Treten trotzdem Beschwerden auf, etwa typische Anzeichen der Bergkrankheit, sollte man auf keinen Fall weiter aufsteigen. Wer etwa leichte Kopfschmerzen spürt, ein wenig abgeschlagen ist und schlecht geschlafen hat, sollte zunächst auf der aktuellen Höhe bleiben, die Symptome beobachten und am nächsten Tag schauen: Wie geht's mir?
Verschlimmern sich die Beschwerden, sollte man sofort absteigen, so Plazikowski. Treibel empfiehlt bei Krankheitsanzeichen, wenn möglich, gleich in tiefere Höhen abzusteigen. 300 oder 400 Meter reichten oft aus, damit die Symptome besser würden.