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Virus-Exposition
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HLA-Muster bestimmt die Reaktion

Wie das Immunsystem auf die Konfrontation mit einem Virus reagiert, ist individuell. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Humane Leukozytenantigen-System, kurz HLA-System. Hier finden sich Unterschiede zwischen verschiedenen Ethnien.
AutorKontaktTheo Dingermann
Datum 19.06.2020  11:00 Uhr

Wie genau unser Immunsystem die Abwehr eines Virus steuert, ist bei Weitem noch nicht in allen Details verstanden. Für die Entschlüsselung dieser komplexen Vorgänge müssen auch die HLA-Moleküle in den Fokus der Betrachtung gerückt werden. Diesen in der Membran der infizierten Zellen fixierten Moleküle, die sich stark von Mensch zu Mensch und noch stärker von Ethnie zu Ethnie unterscheiden, kommt im Rahmen der adaptiven Immunität eine extrem wichtige Rolle zu.

Über die HLA-Moleküle werden Peptidfragmente eines Erregers dem Immunsystem präsentiert. Passende Peptidfragmente binden dabei in der Peptid-Bindungsregion (PBR), einer molekularen Mulde am distalen extrazellulären Ende der HLA-Proteine. Aufgrund einer bemerkenswerten genetischen Heterogenität, die im menschlichen Genom einzigartig ist, unterscheiden sich die PBRs von HLA- zu HLA-Molekül in ihrer Aminosäurenzusammensetzung signifikant. Da daraus unterschiedliche physikalisch-chemische Eigenschaften resultieren, können nicht alle Peptidfragmente eines Erregers von allen HLA-Molekülen gebunden werden.

So kann das genetische HLA-Profil eines Individuums zumindest teilweise die Stärke der Immunantwort auf einen eindringenden Erreger beeinflussen, da die kodierten HLA-Moleküle bestimmen, welche Peptide des Erregers dem Immunsystem präsentiert werden. Da HLA-Allele zudem auf globaler Ebene regional in unterschiedlicher Frequenz vorkommen, kann die Stärke der Immunantwort von Population zu Population deutlich variieren.

Bindungsaffinitäten von 438 HLA-Proteinen

In einer Publikation, die demnächst im Journal »HLA« erschienen wird, beschreiben Rodrigo Barquera und Kollegen vom Max-Planck-Institute for the Science of Human History in Jena, vom Australian Centre for Ancient DNA an der Universität von Adelaide, Australien, und vom Department of Genetics and Evolution der Universität Genf Peptid-bindende Affinitäten von 438 HLA-Klasse-I- und HLA-Klasse-II-Proteinen und den vollständigen Proteomen von sieben pandemischen Viren: die Coronaviren SARS-CoV-1, SARS-CoV-2 und MERS, die Influenzaviren H1N1, H3N2 und H7N9 sowie HIV-1. Die Viruspeptide wurden den vier Bindungsklassen »stark«, »regulär«, »schwach« und »nicht bindend« zugeteilt.

Die ermittelten Affinitäten verglichen die Forscher dann mit den HLA-Allel-Frequenzen in Hunderten menschlicher Populationen weltweit. Statistische Modellierungen zeigten, dass die in den vier verschiedenen Kategorien klassifizierten Peptid-bindenden Affinitäten zwar vom HLA-Locus abhängen, dass aber der Virustyp nur ein schwacher Prädiktor ist. Eine Ausnahme bildet hier HIV-1.

Unter den starken HLA-Bindern identifizierten die Forscher 16 Allele, die mehr als 1 Prozent der von allen Viren abgeleiteten Peptide binden. Neun Allele kodieren für HLA-Varianten, die alle Viren außer HIV-1 binden, und 15 Allele kodieren für HLA-Varianten, die nur Peptide von Coronaviren binden. Die Häufigkeiten der stärksten und schwächsten HLA-Peptidbinder unterscheiden sich signifikant zwischen Populationen aus verschiedenen geografischen Regionen. Insbesondere die indigenen Völker Amerikas weisen zum einen höhere Frequenzen der stärksten, zum anderen aber niedrigere Frequenzen der schwächsten HLA-Peptidbinder auf.

Für Peptide aus einer viralen Familie, zum Beispiel Coronaviren oder Influenzaviren, scheint es unter den starken Bindern promiskuitive (oder generalistische) HLA-Allele zu geben. Sie könnten das Resultat einer positiven Selektion einer solchen Signatur aufgrund früherer pathogener Infektionen sein. Somit haben die Erkenntnisse aus dieser Arbeit sowohl Bedeutung für die evolutionäre Genetik als auch für die Entwicklung von Impfstoffen. Allerdings schränken die Autoren selbstkritisch ein, dass ein individuelles immunologisches Management einer viralen Erkrankung deutlich über die alleinige HLA-Allel-Affinität hinausgeht und von zahlreichen komplexen und oft unbekannten biologischen, umweltbedingten und anderen Variablen abhängt.

Im nächsten Schritt wird es darum gehen, genau zu bestimmen, welche Coronavirus-Peptide am stärksten an die HLA-Moleküle binden können. Von diesen Peptiden ist zu erwarten, dass von ihnen die höchsten Chancen ausgehen, eine wirksame Immunreaktion auszulösen. Ihre Identifizierung wird für die Entwicklung eines Impfstoffs von entscheidender Bedeutung sein.

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