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Neue Analyse

Hirnvenenthrombosen nach Impfung auch bei älteren Frauen

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie hat die Fälle von Sinus- und Hirnvenenthrombosen nach Covid-19-Impfung in Deutschland neu ausgewertet. Ihr Fazit: Das Risiko sei insgesamt sehr gering, aber Personen aller Altersklassen sollten umfassend darüber aufgeklärt werden, vor allem Frauen.
Daniela Hüttemann
05.05.2021  12:30 Uhr

Anfang April hatte die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) alle neurologischen Kliniken in Deutschland angeschrieben und gebeten, alle Fälle von zerebralen Sinus- und Hirnvenenthrombosen (CVT) sowie ischämischen und hämorrhagischen Schlaganfällen, die innerhalb eines Monats nach einer Covid-19-Impfung aufgetreten waren, mittels eines webbasierten Fragebogens zu melden. Die Ergebnisse der Auswertung wurden am Dienstag auf einem Preprintserver veröffentlicht.

Insgesamt gingen 87 Meldungen ein. Bei 62 von ihnen bestätigte das Expertenteam der DGN unter Leitung von Professor Dr. Jörg Schulz von der Universitätsklinik Aachen einen möglichen Zusammenhang mit der Impfung. 53 dieser Fälle (85,5 Prozent) waren nach Impfung mit Vaxzevria® (AZD1222, ChAdOx1), dem Vektorimpfstoff von Astra-Zeneca , aufgetreten, die anderen neun Fälle (14,5 Prozent) nach Impfung mit Tozinameran (Comirnaty®, BNT162b2) von Biontech und Pfizer. Nach Gabe des Impfstoffes mRNA-1273 von Moderna wurden keine Ereignisse beobachtet. Allerdings wurden von diesem bis zum Stichtag Mitte April nur 1,2 Millionen Dosen verimpft, deutlich weniger als von Comirnaty mit 16,2 Millionen und Vaxzevria mit 4,6 Millionen Dosen.

»In 95,2 Prozent der Fälle waren die unerwünschten Ereignisse nach erster Gabe des Impfstoffs aufgetreten: bei 45 Fällen handelte es sich um zerebrale Venenthrombosen, bei neun um ischämische Schlaganfälle, bei vier um Hirnblutungen und bei vier um andere thrombotische Ereignisse«, melden die Neurologen. Das mittlere Alter der Betroffenen lag bei 46,7 Jahren. 77,4 Prozent der Betroffenen waren unter 60 Jahre alt.

37 von 45 Fällen einer CVT (82,2 Prozent) wurden nach Impfung mit Vaxzevria gemeldet, acht Fälle nach Comirnaty. Da so viel mehr Comirnaty verwendet wurde als Vaxzevria, ist die Rate damit bei dem Astra-Zeneca-Produkt mehr als neunmal höher. Von den neun gemeldeten ischämischen Schlaganfällen traten acht nach Vaxzevria-Impfung auf und einer nach Comirnaty-Impfung. Die vier Fälle intrazerebraler Blutungen wurden nach Impfung mit Vaxzevria beobachtet.

Neues Sicherheitssignal für Frauen jenseits der 60

»Gut drei Viertel aller thrombotischen zerebralen Ereignisse (75,8 Prozent) waren bei Frauen aufgetreten«, schreibt die DGN. »Die Rate für Frauen war im Vergleich zu der von nicht weiblichen Personen mehr als dreimal erhöht.« Von den 45 Menschen, die nach Impfung eine CVT hatten, waren 35 (77,8 Prozent) weiblich. 36 (80 Prozent) waren unter 60 Jahre alt. Grundsätzlich kann diese sehr seltene Nebenwirkung also auch Männer und ältere Frauen treffen. Bislang standen vor allem Frauen unter 60 Jahren im Fokus.

Die Wissenschaftler bestimmten auch die Ereignisraten pro 100.000 Personenjahre für jede Gruppe. Diese lag für SVT innerhalb eines Monats nach der Erstimpfung mit Vaxzevria für Frauen unter 60 Jahren bei 24,2/100.000 und bei gleichaltrigen Männern bei 8,9/100.000. Nach einer Dosis Comirnaty lag die Rate in derselben Altersgruppe mit 3,6 (Frauen) und 3,5 (Männer) dagegen vergleichbar niedrig. Bei Männern über 60 Jahren trat bislang kein Fall auf, während die Ereignisrate nach Comirnaty-Impfung bei den über 60-jährigen Frauen bei 0,8/100.000 lag.

»Bis dahin haben uns die Daten nicht überrascht. Allerdings haben wir ein neues Sicherheitssignal gesehen«, erklärt Neuroepidemiologe Professor Dr. Tobias Kurth, Direktor des Instituts für Public Health an der Berliner Charité, dessen Arbeitsgruppe die statistische Auswertung der Daten vorgenommen hat. »Die Inzidenzrate der Hirnvenenthrombosen bei Frauen unter 60 nach Gabe des Astra-Zeneca-Impfstoffs betrug 24,2/100.000 Personenjahre, die von Frauen über 60 nach Gabe des gleichen Impfstoffs 20,5/100.000 Personenjahre. Unsere Daten zeigen also: Auch ältere Frauen haben ein erhöhtes Risiko, Sinus- und Hirnvenenthrombosen nach Gabe des Astra-Zeneca-Vakzins zu erleiden.« Kurth schlägt nun vor, schnell eine neue Risiko-Nutzen-Analyse für Vaxzevria durchzuführen.

Vermuteter Pathomechanismus nur bei Vektorimpfstoff

Die zugrundeliegende Impfreaktion wird mittlerweile als Vakzine-induzierte immunogene thrombotische Thrombozytopenie (VITT) bezeichnet. In der neuen DGN-Analyse konnten die Kliniker 57,8 Prozent der gemeldeten Fälle von Hirnvenenthrombosen mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit auf eine solche VITT zurückführen. »Derselbe Mechanismus lag nach den Befunden vermutlich auch bei fünf von neun Patienten mit ischämischem Schlaganfall und bei zwei der vier Fälle einer Hirnblutung vor«, berichtet die Fachgesellschaft.

Allerdings wurde eine VITT bislang nur nach Vaxzevria-Impfung beobachtet. »Wir vermuten, dass die Antikörper gegen den Plättchenfaktor 4 (PF4) nicht mit dem Spike-Protein von SARS-CoV-2 kreuzreagieren, sondern die Impfkomplikation mit dem adenoviralen Vektor in Zusammenhang steht. Das muss weiter untersucht werden«, so DGN-Generalsekretär Professor Dr. Peter Berlit.

Erhöhtes CVT-Risiko durch Covid-19

»Wir denken, dass der Astra-Zeneca-Impfstoff mit einem sehr geringen Risiko für zerebrale Sinus-und Venenthrombosen bei Männern einhergeht«, betont DGN-Pressesprecher Professor Dr. Christoph Diener. »Bei Frauen aller Altersklassen traten zwar mehr Fälle thrombotischer Ereignisse auf, die Rate war aber in Anbetracht der vielen Millionen verimpften Dosen insgesamt immer noch sehr gering. Bei der Abwägung muss auch berücksichtigt werden, dass das Risiko einer SVT bei einer Covid-19-Infektion um den Faktor 10 erhöht ist, die Erkrankung führt verhältnismäßig häufig zu thrombotischen Ereignissen mit Todesfolge, die Impfung nur extrem selten.«

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