Herzinfarkt bei Frauen richtig behandeln |
Christina Hohmann-Jeddi |
30.06.2025 10:00 Uhr |
Ein Herzinfarkt äußert sich bei Frauen auch häufig über Atemnot und Brust- oder Rückenschmerzen. / © Getty Images/Liubomyr Vorona
Frauen mit akutem Koronarsyndrom (Herzinfarkt) sprechen auf Therapien zum Teil anders an als Männer. Das sei schon länger bekannt, werde aber im klinischen Alltag noch zu wenig berücksichtigt, heißt es in einer Pressemitteilung der MedUni Wien. Unter Leitung von Forschenden der Hochschule hat ein internationales Expertengremium nun erstmals konkrete Empfehlungen zur geschlechterspezifischen Therapie von Herzinfarkt veröffentlicht. Das Konsensus-Statement erschien in den Fachmagazinen »European Heart Journal« und »EuroIntervention«.
Das Gremium betont, dass Frauen häufiger Blutungskomplikationen erleiden. Es rät daher, die Dosierung von Arzneimitteln wie Heparin und Plättchenhemmern individuell nach Körpergewicht und Nierenfunktion zu berechnen, um das Risiko für Blutungen zu senken. Zudem sollten Katheter bevorzugt über die Arterie am Handgelenk (Arteria radialis) gelegt werden – ein Zugang, der mit weniger Blutungskomplikationen verbunden sei als der über die Leiste.
Einen Fokus legen die Experten auch auf die Behandlung von speziellen Herzinfarktformen, die überwiegend bei Frauen auftreten. Dies sind die sogenannten MINOCA (Myocardial Infarction with non-obstructive Coronary Arteries), bei denen trotz Infarktzeichen keine hochgradige Verengung der Koronararterien vorliegt. MINOCA machen etwa 5 bis 10 Prozent aller Herzinfarkte aus. Sie können verschiedene Ursachen haben, häufig Plaquerupturen oder Koronarspasmen. Ein möglicher Auslöser ist auch die spontane koronare Arteriendissektion (SCAD), bei der es zu einem Einriss in der Wand eines Herzkranzgefäßes kommt.
Für Patienten mit MINOCA wird eine spezielle Bildgebung empfohlen, um die Ursache festzustellen und darauf die antithrombotische Therapie abzustimmen. Eine routinemäßige duale Plättchenhemmung (DAPT) wird nicht mehr angeraten, gerade bei SCAD und Vasospasmen sei sie ungeeignet.
Die Autoren des Konsensuspapiers weisen auch darauf hin, dass sich männliche und weibliche Herzinfarkt-Patienten unterscheiden: Frauen zeigen oft andere Symptome, sind beim ersten Auftreten im Durchschnitt älter und haben häufiger Begleiterkrankungen wie Diabetes oder Nierenschwäche als Männer. Zudem wirken sich hormonelle Schwankungen im Lebensverlauf etwa durch Menstruation, Schwangerschaft, Einnahme von oralen Kontrazeptiva oder Menopause auf das Blutgerinnungssystem und somit das Blutungs- und Thromboserisiko aus.
Trotz dieser Unterschiede seien Frauen in klinischen Studien zur kardiovaskulären Therapie stark unterrepräsentiert. Einer Literaturanalyse zufolge liege der Frauenanteil in diesen Studien bei 26,6 Prozent – mit abnehmender Tendenz seit 2001. Die Autoren fordern daher, dass Frauen sowohl als Studienteilnehmerinnen als auch als leitende Forscherinnen stärker vertreten sein sollten. Geschlechtsspezifische Daten sollten in klinischen Studien umfassend erfasst und offengelegt werden. Um Unterschiede in der Wirksamkeit von Behandlungen zu erkennen, sind oft größere Stichproben und geschlechtsspezifische Randomisierung notwendig.
»Die Biologie von Frauen war in der kardiovaskulären Forschung lange unterbelichtet. Dieses Konsensus-Statement liefert eine fundierte Grundlage für eine geschlechtersensible Versorgung und ist ein Aufruf an die gesamte kardiologische Gemeinschaft, hier systematisch umzudenken«, sagt Seniorautorin Professor Dr. Jolanta Siller-Matula.