Herz, Hand und menschliche Intuition bleiben gefragt |
Lukas Brockfeld |
25.04.2024 17:42 Uhr |
»Wir haben viele ausländische Fachkräfte, die eine gewisse Sprachbarriere haben. Polymedikationsberichte sind beispielsweise relativ komplex zu schreiben, da können große Sprachmodelle sehr hilfreich sein«, erklärte Kriesten. In Nordrhein habe man ein entsprechendes Projekt, das gut funktioniere. Der Apotheker stellte eine Reihe an Anwendungen vor, die beispielsweise bei der Preiskalkulation helfen, Telefonhotlines entlasten oder Hautkrankheiten erkennen können.
Das oberste Ziel sei es, Prozesse effizienter zu gestalten. So könnten die Menschen entlastet und die Qualität ihrer Arbeit gesichert werden. Doch die aktuellen KI-Anwendungen hätten auch ihre Probleme: »Die aktuellen Sprachmodelle basieren alle auf Deep Learning. Sie sind auf einen bestimmten Zweck ausgerichtet und dabei intransparent. Wir können aktuell nicht nachvollziehen, wie und warum sie bestimmte Entscheidungen treffen. Das ist eine Black Box«, erläuterte Kriesten.
Künstliche Intelligenz werde immer für bestimmte Anwendungen trainiert und es sei schwer, sie auf veränderte Situationen anzupassen. Außerdem sei sie durch ihre Datengrundlage limitiert, die oft mit Verfälschungen und Vorurteilen belastet seien. »KI kann nicht fühlen und hat kein moralisches Urteilsvermögen. Wenn falsche Trainingsdaten drin sind, kann sie sogar halluzinieren«, erklärte der Apotheker. Er war sich daher sicher, dass »Herz, Hand und menschliche Intuition« noch lange gefragt sein werden.
Im Laufe des Fachgesprächs kam auch Felix Nensa, Radiologie-Professor an der Uniklinik Essen, zu Wort. Über die vor einigen Jahren populäre Vorstellung, dass KI den klassischen Radiologen überflüssig machen könnte, kann Nensa nur lachen: »Wir haben einen eklatanten Fachkräftemangel in der medizinischen Versorgung. Das System funktioniert nur noch, weil sich die Kolleginnen und Kollegen kaputt machen.«
Medizin sei eine »zutiefst menschliche Angelegenheit«, die jungen Fachkräfte wollten sich um andere Menschen in Not kümmern. Doch stattdessen würden sie 80 Prozent ihrer Arbeitszeit mit Tätigkeiten wie Dokumentation verbringen. Das sei enorm frustrierend, viele würden daher ihre Arbeit im Gesundheitswesen aufgeben.
Jetzt könne man mit KI-Anwendungen dafür sorgen, dass Mediziner, Apotheker und Pflegekräfte sich wieder auf die Patienten konzentrieren können. »Dafür müssen wir aber auch die digitale Infrastruktur im Gesundheitswesen hinbekommen. Nur mit KI wird es nicht gelöst. Wir können KI nicht auf einem Faxgerät implementieren«, betonte der Professor.