Herausforderndes Duo |
Laut Gesundheitsbericht der Deutschen Diabetes Gesellschaft lebten im Jahr 2021 etwa 11 Millionen Menschen in Deutschland mit Diabetes. Immer mehr junge Erwachsene erkranken an Typ-2-Diabetes – natürlich auch Frauen im gebärfähigen Alter. / © Getty Images/Image Source
Sicherlich überlegt manche Frau mit Diabetes mellitus Typ 1 oder 2, ob sie schwanger werden sollte und ob das Kind gesund zur Welt kommen kann. Vor 10 bis 20 Jahren wurde Frauen mit Typ-1-Diabetes von einer Schwangerschaft sogar abgeraten und auch heute sind noch einige Gynäkologen unsicher (1).
Die 2021 aktualisierte Leitlinie »Diabetes in der Schwangerschaft« (3. Auflage) gibt Empfehlungen bereits für die präkonzeptionelle Betreuung, für Stoffwechselziele und Strategien der Insulintherapie bis hin zum Management rund um die Geburt. Betrachtet werden ein präexistierender Diabetes mellitus Typ 1 (DM 1) und Typ 2 (DM 2) (5). Für den während der Schwangerschaft auftretenden Gestationsdiabetes gibt die S3-Leitlinie »Gestationsdiabetes (GDM), Diagnostik, Therapie und Nachsorge« die entsprechenden Empfehlungen; sie ist aktuell in Überarbeitung (4).
Etwa 1 Prozent der schwangeren Frauen in Deutschland hat einen präexistierenden Diabetes. Diese Rate hat sich in den letzten zehn Jahren nicht signifikant verändert (6). Der Anteil der Frauen mit einem DM 2 wird auf 10 bis 30 Prozent geschätzt. Man rechnet in den nächsten Jahrzehnten mit einem Anstieg der Prävalenz für DM 1 und 2 bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen und somit auch mit einem Anstieg der Schwangeren mit einem präexistierenden Diabetes.
Gestationsdiabetes mellitus (GDM) ist weltweit die häufigste Schwangerschaftskomplikation. Sie tritt bei einer von sieben Schwangeren (circa 14 Prozent) auf und zeigt eine steigende Tendenz. Besonders die wachsende Zahl der übergewichtigen Schwangeren steigert die Häufigkeit von GDM und auch von DM 2. Das Übergewicht selbst ist ein zusätzlicher Risikofaktor für die Schwangerschaft (2).
Es gibt ethnische Unterschiede beim Auftreten eines GDM. Frauen in Süd- und Ostasien, Afrika sowie dem Nahen Osten haben eine Prävalenz von etwa 15 Prozent, während bei Frauen in Europa die Häufigkeit bei etwa 6 Prozent liegt (3). Ein Vitamin-D-Mangel wird ebenfalls als Risikofaktor für einen GDM diskutiert.
Bereits präkonzeptionell kann eine Störung in der Glucosetoleranz vorliegen, die meist symptomlos ist und erst in der Schwangerschaft, die wie ein Stresstest auf den Stoffwechsel wirkt, manifest wird: Ein Gestationsdiabetes wird diagnostiziert.
Natürlich werden auch Frauen mit bekanntem Typ-2-Diabetes schwanger. Die vorliegende unzureichende Insulinsekretion und/oder die erhöhte periphere Insulinresistenz verstärken sich durch die hormonellen Einflüsse und die Stoffwechselerkrankung würde sich ohne Therapieanpassung verschlechtern (Kasten). Daher wird die Behandlung während der Schwangerschaft angepasst.
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In der Schwangerschaft kommt es physiologisch zu Änderungen im mütterlichen Glucosestoffwechsel, was durch die hormonellen Änderungen ausgelöst wird.
Besonders ab dem zweiten Trimenon steigt die hepatische Gluconeogenese um etwa 30 Prozent und die Insulinsensitivität sinkt um circa 50 Prozent. Dadurch wird der Fetus mit mehr Nährstoffen über die Plazenta versorgt. Die verringerte Insulinsensitivität bewirkt eine temporäre Insulinresistenz, die zu Veränderungen im Lipidstoffwechsel mit erhöhten Triglyceridwerten führt. Diese wiederum erhöhen die Insulinresistenz weiter.
Hier besteht physiologisch eine Parallele zum Typ-2-Diabetes, der durch eine verminderte Insulinsensitivität, Insulinresistenz und erhöhte Triglyceridwerte gekennzeichnet ist. Die mütterlichen Betazellen sind »im Stress« und produzieren die 2- bis 3-fache Insulinmenge, um die normale Glucosetoleranz aufrechtzuerhalten.
Gar nicht so selten ist die erstmalige Diagnose eines DM 2 während der Schwangerschaft, da diese Diabetesform lange symptomlos bleibt.
Bei einem Typ-1-Diabetes erhöht sich durch die Schwangerschaftshormone »nur« die Insulinresistenz. Dieser Diabetestyp tritt gehäuft im Kindes- oder Jugendalter auf, kann jedoch prinzipiell in jedem Lebensalter diagnostiziert werden. Gute Schwangerschaftsplanung und -betreuung sind besonders wichtig, da der Blutzuckerspiegel die Gesundheit von Mutter und Kind erheblich beeinflussen kann.
Seltener wird beim Screening ein MODY-Diabetes festgestellt. MODY (Maturity onset diabetes of the young) fasst verschiedene, genetisch bedingte Diabetesformen zusammen. Die Gendefekte können an verschiedenen Stellen auftreten; jedoch ist es immer ein einzelner Defekt, der zu Störungen in den Insulin-produzierenden Zellen und damit zum Diabetes führt. Daher gibt es auch die Einstufung als monogener Diabetes. MODY ist erblich bedingt (autosomal-dominant) und macht 1 bis 2 Prozent aller Diabetesfälle aus. Diese Zahlen werden als zu niedrig eingeschätzt, da die Diagnose schwierig ist und MODY häufig nur eine milde Hyperglykämie auslöst. Typischerweise tritt diese Diabetesform vor dem 25. Lebensjahr auf.
Bei Frauen mit MODY ist eine präzise genetische Diagnostik entscheidend, um eine angemessene Therapie und Überwachung während der Schwangerschaft zu gewährleisten. Bestimmte Formen können durch Diät oder orale Antidiabetika kontrolliert werden, während andere möglicherweise Insulin benötigen.
Jeder nicht oder schlecht therapierte Diabetes erhöht das Risiko für Fehlbildungen, Frühgeburtlichkeit, Hypertrophien, Atemstörungen, Plexusparesen und Asphyxie beim ungeborenen Kind um das 1,5- bis 3-Fache. Das Risiko für das Kind ist bei einer präexistierenden Stoffwechselstörung der Mutter höher als bei einem GDM.
Physiologisch führt die Hyperglykämie beim Fetus zu einer vermehrten Insulinausschüttung. Insulin fördert das Wachstum und erhöht somit das Geburtsgewicht. Die Feten entwickeln höhere Hämatokritwerte und bilden weniger Surfactant, was die Lungenreifung negativ beeinflusst.
Für die Schwangere steigt das Risiko für gehäufte Harnwegsinfekte und Scheideninfektionen durch die erhöhte Glucosekonzentration im Urin. Weitere mögliche Komplikationen sind Frühgeburten, Hypertonie und Präeklampsie (Hypertonie mit Proteinurie). Auch das Risiko für Kaiserschnittgeburten oder Geburtsverletzungen ist deutlich erhöht.
Nach der Geburt normalisiert sich der gesamte Glucosestoffwechsel der Mutter auf den präkonzeptionellen Status. Jedoch ist ein GDM ein Langzeitrisiko für einen Typ-2-Diabetes, das metabolische Syndrom und kardiovaskuläre Erkrankungen. Auch die Kinder haben ein erhöhtes Risiko für Übergewicht, DM 2 und ein metabolisches Syndrom.
Die Planung einer Schwangerschaft bei präexistentem Diabetes ist entscheidend für deren Verlauf. Bei ungeplanter Schwangerschaft zeigen Neugeborene häufiger ein signifikant höheres Geburtsgewicht und müssen häufiger neonatologisch intensivmedizinisch behandelt werden. Damit kommt auch der Beratung von Jugendlichen mit DM 1 und 2 zur Kontrazeption eine große Bedeutung zu.
Ernährungsumstellung und Sport helfen beim Abnehmen und damit auch bei der normnahen Blutzuckereinstellung – das ist schon präkonzeptionell wichtig. / © Getty Images/FatCamera
Bei einem Typ-1-Diabetes wird die glykämische Kontrolle bereits vor der Konzeption intensiviert, da das geringste Risiko für Mutter und Kind vorliegt, wenn die HbA1c-Werte unter/bei 6,5 Prozent zur Zeit der Konzeption liegen. Zusätzlich werden Proteinausscheidung und Kreatinin-Clearance erfasst, um eine Nephropathie zu erkennen. Außerdem wird auf eine Retinopathie geprüft und ein EKG zur Abklärung kardialer Komplikationen erstellt.
Bei einem DM 2 sollte ebenfalls präkonzeptionell ein HbA1c unter/von 6,5 Prozent angestrebt werden. Frauen mit einem Body-Mass-Index (BMI) über 27 kg/m² sollten zur Risikominimierung abnehmen. Eine Ernährungsumstellung unterstützt sie dabei. Positiv wirkt sich eine Ernährung mit komplexen Kohlenhydraten und Ballaststoffen aus. Regelmäßige Bewegung unterstützt die Gewichtsreduktion und die Abnahme des HbA1c-Werts.
Allen Frauen soll präkonzeptionell die Einnahme von Folsäure (mindestens 0,4 mg/Tag) empfohlen werden. Die Dosis hängt vom individuellen Risiko ab, zum Beispiel bestehende Adipositas oder Mikroangiopathie.
Das Ziel jeder Therapie ist es, eine stabile normoglykämische Stoffwechsellage zu erreichen und zu erhalten (5). Als Stoffwechselziel ist bei DM 1 und 2 ein HbA1c unter 7 Prozent zu erreichen, idealerweise unter 6,5 Prozent. Bei einem GDM liegt das HbA1c-Ziel unter 7 Prozent.
Das Erreichen folgender Blutglucose-Zielwerte gilt für alle Diabetesformen:
Der HbA1c-Wert sollte im Verlauf der Schwangerschaft im oberen Normbereich liegen, allerdings unter Berücksichtigung des Hypoglykämie-Risikos. Häufige Hypoglykämien der Mutter können zu Hirnschäden des Ungeborenen führen.
Anhand von Symptomen allein lässt sich ein Diabetes nicht erkennen; daher wird die Diagnose durch Bestimmung der Plasmaglucose gestellt. Verschiedene Richtlinien wie die deutsche Mutterschafts-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses vom September 2023 (13) empfehlen ein Screening zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche (Tabelle). Das American College of Obstetricians and Gynecologists empfiehlt es ebenfalls bei allen Schwangeren in diesem Zeitraum.
Testart | Plasmaglucose | Bewertung |
---|---|---|
Screening: 50 g Glucose in200 mL Wasser | ||
Blutentnahme nach60 Minuten | unter 135 mg/dL(7,5 mmol/L) | ok |
Blutentnahme nach60 Minuten | 135 bis 200 mg/dL(7,5 bis 11,1 mmol/L) | oGTT folgt |
Blutentnahme nach60 Minuten | ab 200 mg/dL(11,1 mmol/L) | Diagnose GDM oder Diabetes durch HbA1c-Bestimmung bestätigen und durch weitere Untersuchungen differenzieren |
oGTT: 75 g Glucose in300 mL Wasser | ||
Blutentnahme vor dem Test (nüchtern) | bis 92 mg/dL(5,1 mmol/L) | bei Erreichen oder Überschreiten eines oder mehrerer Grenzwerte: ärztliche Betreuung, bevorzugt bei einem Diabetologen |
nach 60 Minuten | ab 180 mg/dL(10,0 mmol/L) | bei Erreichen oder Überschreiten eines oder mehrerer Grenzwerte: ärztliche Betreuung, bevorzugt bei einem Diabetologen |
nach 120 Minuten | ab 153 mg/dL(8,5 mmol/L) | bei Erreichen oder Überschreiten eines oder mehrerer Grenzwerte: ärztliche Betreuung, bevorzugt bei einem Diabetologen |
Zunächst wird der orale 50-g-Suchtest eingesetzt: Die Schwangere trinkt 50 g Glucose in 200 mL Wasser aufgelöst. Sie ist nicht nüchtern und der Test kann unabhängig von der Tageszeit gemacht werden. Nach 60 Minuten wird die Plasmaglucose bestimmt. Liegt der Wert über 135 mg/dL (>7,5 mmol/L), ist das Screening positiv; zur Bestätigung muss der orale 75-g-Glucose-Toleranz-Test (oGTT) folgen. Liegt der Wert hier über 200 mg/dL (>11,1 mmol/L), wird direkt die Diagnose GDM gestellt und nüchtern der HbA1c-Wert bestimmt.
Beim oralen 75-g-Glucose-Toleranz-Test (oGTT) werden drei Messwerte erhoben und bewertet. / © Adobe Stock/MdBabul
Der 50-g-Glucose-Screeningtest wird bereits in der seit 2018 abgelaufenen S3-Leitlinie zum Gestationsdiabetes (4) kritisch hinterfragt, weil die Leitlinie strengere Kriterien vorgibt und kein Nüchternwert bestimmt wird. Allerdings übernimmt die GKV in der Regel nur die Kosten für den oGTT, wenn vorab der 50-g-Test erfolgte. In der neuen (noch nicht publizierten) Leitlinie gibt es noch keine finale Empfehlung für einen sofortigen oGTT.
Der oGTT erfolgt morgens und die Schwangere muss mindestens acht Stunden nüchtern sein. Vor dem Test wird Blut zur Bestimmung der Plasmaglucose entnommen; dies ist der T0-Wert. Die Schwangere trinkt dann 75 g Glucose, die vollständig in genau 300 mL Wasser gelöst sind. Nach 60 und 120 Minuten wird erneut Blut zur Bestimmung der Plasmaglucose entnommen. Die Tabelle zeigt die Bewertung der Ergebnisse.
Aussagekräftig ist der oGTT nur bei korrekter Ausführung; er birgt doch mehrere Fehlerquellen:
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In der noch nicht veröffentlichten neuen S3-Leitlinie zum Gestationsdiabetes mellitus werden Maßnahmen präzisiert, um die Betreuung von Schwangeren mit GDM zu verbessern und das gesundheitliche Risiko für Mutter und Kind zu senken.
Aktualisiert wurde die Diagnostik, die präzise Empfehlungen zur Durchführung und Interpretation enthält. Die Leitlinie enthält die deutlich erweiterte Empfehlung zur Insulintherapie und weniger Empfehlungen zur oralen Therapie. Anstelle der Blutzuckermessung mittels Teststreifen wird die kontinuierliche Glucosemessung bevorzugt angeraten.
Schwerpunkte liegen bei der Nachsorge der Frauen, um das Risiko für einen Typ-2-Diabetes nach der Geburt zu senken, sowie auf Präventionsmaßnahmen wie Ernährungsumstellung, mehr Bewegung und das Monitoring akzeptabler HbA1c-Werte.
Die American Diabetes Association (ADA) fordert aufgrund des steigenden Auftretens des GDM (14 Prozent weltweit), die Diagnostik auf metabolische Veränderungen bereits vor der 14. Schwangerschaftswoche anzusetzen. Ziel soll es sein, gegebenenfalls einem GDM vorzubeugen oder diesen mindestens sehr früh und effizient zu behandeln. Dadurch können Komplikationen für Mutter und Kind während der Schwangerschaft verringert werden, aber auch das Risiko für die spätere Entwicklung des Typ-2-Diabetes und von kardiovaskulären Erkrankungen (12).
Ein Screening auf eine Glucosetoleranzstörung bereits im ersten Drittel der Schwangerschaft fordern auch die Autoren einer im Sommer 2024 veröffentlichten Lancet-Serie zum Gestationsdiabetes (www.thelancet.com/series/gestational-diabetes). Die Beiträge umfassen die aktuellen Erkenntnisse zu Pathophysiologie, Screening, Management, Prävention und Langzeitkomplikationen für Mütter und ihre Babys.
Während der Schwangerschaft wird eine engmaschige Blutzuckerkontrolle bei allen Diabetes-Typen dringend empfohlen, sodass oft auf eine kontinuierliche Glucosemessung umgestellt wird. Hypoglykämien in der Nacht oder durch Sport sollen unbedingt vermieden werden. Ab der 32. Schwangerschaftswoche wird auch der Fetus sehr eng überwacht mit Nonstress-Tests, biophysikalischem Profil und der täglichen Zählung der »Tritte«. So werden Veränderungen sehr frühzeitig erkannt.
Erfolgt die Glucosemessung nicht kontinuierlich, werden handelsübliche Teststreifen und Messgeräte verwendet. Es sind mindestens Sechs-Punkte-Tagesprofile zu ermitteln, das heißt: Es wird jeweils direkt vor und eine Stunde nach einer Hauptmahlzeit gemessen. Dazu kommt die Messung vor dem Schlafengehen und gelegentlich nachts zwischen 2 und 4 Uhr, um nächtliche Hypoglykämien zu erkennen. Bei hypoglykämischen Anzeichen oder untypischen Situationen wird selbstverständlich ebenfalls gemessen.
Eine bessere Überwachung gelingt mit der kontinuierlichen Glucosemessung (Continuous Glucose Monitoring, CGM, realtime CGM, rt CGM). Sie erspart der Frau das häufige Stechen und verbessert die (nächtliche) Kontrolle, da bei Hypo- und Hyperglykämien individuell akustische Signale abgegeben werden. Einige Geräte sind auch über zugelassene Apps mit einem Smartphone zu bedienen.
Eine exakte Stoffwechselkontrolle im engen Zielbereich mit einer mittleren Blutglucose von höchstens 105 bis 110 mg/dL (5,8 bis 6,1 mmol/L) reduziert das Risiko für das Kind auf nahezu null, sodass ein normales Wachstum und Geburtsgewicht erreicht werden. Eine sehr strenge Stoffwechselkontrolle mit einem Übermaß an Insulin führt dagegen zu Wachstumsverzögerungen. Höhere mittlere Blutglucosewerte wiederum führen zu makrosomen Kindern mit hohem Geburtsgewicht.
Wenn Ernährungsumstellung und mehr Bewegung nicht zum Ziel führen, ist eine Insulintherapie das Mittel der ersten Wahl. Bei der Betrachtung der möglichen Therapieformen werden im Folgenden die Empfehlungen der Leitlinie »Diabetes in der Schwangerschaft« (5) sowie Besonderheiten des Gestationsdiabetes dargestellt. Ein MODY-Diabetes wird nicht näher berücksichtigt, da er selten ist und es unterschiedliche »Formen« gibt, die sich in ihrer Therapie stark unterscheiden.
Prinzipiell sind alle drei klassischen Therapieformen für Schwangere zugelassen:
Die Therapieform richtet sich nach der individuellen Insulinempfindlichkeit, die sich im Verlauf der Schwangerschaft ändert. Daher werden bevorzugt die ICT und CSII eingesetzt, da die Frau so relativ schnell und einfach auf die aktuelle Stoffwechsellage reagieren kann.
Die CT umfasst zwei feste Insulingaben, die aus einer fixen Mischung eines kurz- und langwirksamen Insulins bestehen. Damit verbunden ist ein festgelegter Essensplan, der die genaue Art und Menge der Kohlenhydrate beinhaltet. Die Frau muss drei- bis viermal täglich die Blutglucose messen. Die CT wird nur bei Schwangeren mit Typ-2-Diabetes empfohlen, die selbst noch eine größere Menge Insulin produzieren oder die mit einer ICT nicht zurechtkommen.
Insulin ist das Therapeutikum erster Wahl in der Schwangerschaft; bevorzugt werden die intensivierte konventionelle Therapie und die Insulinpumpentherapie. / © Adobe Stock/tunedin
Ob eine ICT oder eine CSII eingesetzt wird, hängt individuell von der Stoffwechsellage ab. Die ICT ist eine den Mahlzeiten angepasste Insulintherapie und folgt dem Basal-Bolus-Prinzip. Der basale Insulinbedarf wird durch ein langwirksames Basalinsulin abgedeckt, der prandiale Bedarf durch ein kurzwirksames Bolusinsulin. Diese Form wird auch als funktionelle Insulintherapie bezeichnet. Die Applikation findet mit Insulinpens statt, wobei ganz wichtig ist, die richtige Nadellänge individuell auszuwählen und vor allem für jede Injektion eine neue Nadel zu verwenden.
Die CSII ist etabliert und wird besonders dann empfohlen, wenn die Therapieziele mit den anderen Insulintherapien nicht erreicht werden. Studien zeigen unter CSII niedrigere HbA1c-Werte, ohne dass Hypoglykämien oder Ketoazidosen zunehmen (6). Angewendet werden sollte die CSII gerade dann, wenn die Frau präkonzeptionell und zu Beginn der Schwangerschaft keine ausreichend gute Stoffwechseleinstellung mit einer ICT erreicht.
Die Standardempfehlungen sind Analoginsuline, da Kurzzeitanaloga eine deutlich schnellere Resorption und Langzeitanaloga eine längere Wirksamkeit haben. Es bestehen keine Nachteile gegenüber Humaninsulin und die strengen Stoffwechselziele sind besser zu erreichen. Es gibt keine Unterschiede in Bezug auf Schwangerschaftskomplikationen zwischen Insulinanaloga und NPH-Insulinen (7). Alle zugelassenen Insulinanaloga können verwendet werden – außer Glulisin. Hierfür liegen noch keine ausreichenden Erfahrungen in der Schwangerschaft vor, sodass bei einer Anwendung Vorsicht geboten ist und der Blutzuckerspiegel sehr sorgfältig überwacht werden muss.
Die meisten schwangeren Frauen mit Diabetes überwachen den Blutzuckerspiegel mittels kontinuierlicher Glucosemessung via Sensor. / © Getty Images/rudi_suardi
Die Blutglucoseprofile sind schon vor der Konzeption engmaschig von einem Facharzt zu bewerten. Mit Beginn der Schwangerschaft sollte alle zwei Wochen eine Kontrolle stattfinden, denn der Insulinbedarf steigt im zweiten Trimenon um 50 Prozent und im dritten Trimenon um 100 Prozent im Vergleich zum Beginn der Schwangerschaft. Da die Veränderungen kontinuierlich sind, ist eine ständige Anpassung der Insulingabe erforderlich.
Beispielsweise kann der Bedarf bei adipösen Schwangeren mit DM 2 bei 2 I.E. Insulin pro kg Körpergewicht liegen. Bei DM 2 liegt der Insulinbedarf sonst eher bei 0,8 bis 1 I.E. pro kg Körpergewicht. Hier ist die Kombination einer CSII verbunden mit einer rtCGM sehr vorteilhaft.
Auch mit einer ICT kann sich die Frau laufend an die Stoffwechselsituation anpassen. Das erfordert allerdings – neben einer umfangreichen Schulung – eine hohe Compliance. Denn jede Anpassung der Insulinmenge erfordert häufigere Blutglucosekontrollen. Daher werden viele Frauen, die eine ICT anwenden, mit Sensoren zur kontinuierlichen Glucosemessung ausgestattet.
Körperliche Aktivität, zum Beispiel mindestens dreimal pro Woche 30 Minuten Spazierengehen, ist bei allen Diabetesformen sinnvoll, da es der steigenden Insulinresistenz während der Schwangerschaft entgegenwirkt.
Bei der Ernährung sollte der Kohlenhydratanteil auf 40 bis 50 Prozent des Kalorienanteils reduziert werden; 20 Prozent des Kalorienanteils sollten Proteine ausmachen und Fette etwa 30 bis 35 Prozent. Bei adipösen Schwangeren empfiehlt die S2e-Leitlinie, die Kalorienzufuhr um etwa 30 Prozent zu reduzieren. Um Glucosespitzen zu vermeiden, sollte die Nahrung vor allem beim DM 2 auf drei nicht zu große Mahlzeiten plus zwei kleine Zwischenmahlzeiten verteilt werden. Größere Effekte bringen komplexe langkettige Kohlenhydrate mit niedrigem glykämischen Index sowie Ballaststoffe. Dadurch werden Glucosespitzen wirksam vermieden und die absolute Menge der Kohlenhydrate ist nicht mehr so entscheidend (8).
Orale Antidiabetika waren lange Zeit vollständig kontraindiziert in der Schwangerschaft. Im Jahr 2022 wurde die Zulassung von Metformin um die Anwendung in der Schwangerschaft bei DM 2 erweitert. In Studien trat keine höhere Rate an Fehlbildungen oder toxischen Effekten auf (10). In der Leitlinie wird es als Add-on-Therapie bei hohem Insulinbedarf empfohlen.
Die Vorteile von Metformin liegen in einer geringeren Gewichtszunahme, geringerem Hypertonierisiko, weniger Hypoglykämien und einem geringeren Geburtsgewicht im Vergleich zur Insulintherapie (9). Erkenntnisse aus einer Mausstudie deuten darauf hin, dass die Gehirnentwicklung des Ungeborenen negativ beeinflusst sein kann (11). Inwieweit die Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind, wird diskutiert.
Schwangere mit GDM sollen zuerst versuchen, mit einer Änderung der Ernährung und ausreichend körperlicher Aktivität eine normoglykämische Stoffwechsellage zu erreichen. Nach zehn Tagen Bewegungsprogramm wird der Effekt auf den Glucosestoffwechsel überprüft. Reichen die Effekte nicht aus, wird sofort Insulin angesetzt. Da eine Insulintherapie eine aufwendige Schulung erfordert und manche Schwangeren Schwierigkeiten mit der Insulinapplikation haben (Spritzenangst), wird auch Metformin als einziges orales Antidiabetikum eingesetzt.
Wie sich die neue S3-Leitlinie zum GDM dazu positioniert, ist noch nicht veröffentlicht. Derzeit ist Metformin als Monotherapie nicht zugelassen beim GDM und hat nur die Empfehlung als Add-on-Therapie zu Insulin.
Schwangere mit Typ-1-Diabetes haben ein um 20 bis 40 Prozent höheres Risiko für eine Frühgeburt (umgerechnet etwa 11 bis 12 Prozent Frühgeburten). Die Gründe sind unter anderem eine fortschreitende Niereninsuffizienz, Präeklampsie, vaginale Blutungen, bakterielle Vaginosen und fetale Wachstumsretardierungen. Bei einem DM 2 ist das Risiko für eine Frühgeburt mit 13 Prozent etwas erhöht, soweit hierfür verlässliche Zahlen vorliegen.
Wenn eine Frühgeburt droht und Corticosteroide zur Lungenreifung verabreicht werden, müssen die Glucosewerte engmaschig gemessen und die Insulintherapie konsequent angepasst werden.
Was für ein Glück: Das Baby ist da! / © Getty Images/Guido Mieth
Die Auswahl der Entbindungsklinik sollte unbedingt frühzeitig (in der 30. bis 32. Schwangerschaftswoche) erfolgen und eine Neonatologie sollte im gleichen Gebäude oder in der gleichen Klinik vorhanden sein. Der gemeinsame Bundesausschuss fordert bei insulinpflichtigen Schwangeren sogar ein Perinatalzentrum Level 1 oder 2. Damit möglichst viele Unwägbarkeiten vermieden werden, sollte sich die Schwangere möglichst frühzeitig in der Entbindungsklinik vorstellen, sodass Informationen zur Insulintherapie, zum Schwangerschaftsverlauf, zu Beschwerden und Koerkrankungen der Klinik bereits vorliegen.
Während der Geburt verbraucht die Wehentätigkeit viel Glucose, wodurch deutlich weniger Insulin benötigt wird. Deshalb muss man während der Entbindung alle ein bis zwei Stunden den Blutzucker messen und am besten auf eine intravenöse Insulingabe mittels Perfusor umstellen. Dadurch lässt sich ein zu starker Glucoseabfall verhindern. Eine Hypoglykämie der Mutter schwächt die Wehentätigkeit. Auf der anderen Seite hat eine kurzfristige Hyperglykämie der Mutter eine gesteigerte Insulinausschüttung beim Fetus zur Folge und erhöht damit das Risiko für eine postnatale Hypoglykämie.
Die Blutglucosewerte während der Einleitung und Entbindung sollten zwischen 90 und 126 mg/dL (5,0 bis 7,0 mmol/L) liegen. Bei einer Pumpentherapie wird daher die Basalrate auf 50 Prozent reduziert. Bei einer ICT und Applikation von Basalinsulin abends sollte die Frau bei nächtlichem Wehenbeginn die Blutglucose kontrollieren und schnell verfügbare Kohlenhydrate essen.
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Der Einfluss eines Diabetes während der Schwangerschaft und die damit verbundenen Risiken rücken aufgrund steigender Prävalenzen mehr in den Fokus.
Die präkonzeptionelle Beratung und Begleitung der Schwangeren sind sehr wichtig, da Spätfolgen für Mutter und Kind deutlich reduziert werden können, wenn der Stoffwechsel bei Typ-1- oder Typ-2-Diabetes normnah eingestellt ist. Bei einer eingeschränkten Glucosetoleranz kann mit einer frühzeitigen Intervention zu mehr Bewegung, eventuell Gewichtsreduktion und Lebensstiländerung ein Gestationsdiabetes verhindert werden.
Die Diagnostik ist derzeit zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche (SSW) verankert. Die American Diabetes Association (ADA) empfiehlt ein Screening bereits vor der 14. SSW.
Therapie der Wahl ist die Insulingabe. Zunehmend wird statt einer ICT jedoch eine Pumpentherapie mit kontinuierlicher Glucosemessung angewendet.
Schwangere Frauen mit Diabetes und das Neugeborene werden ganz engmaschig bei der Geburt überwacht.
Alle Maßnahmen zielen darauf ab, das Risiko für Komplikationen während der Schwangerschaft und bei der Geburt sowie das Risiko für Spätfolgen zu reduzieren.
Nach der Entbindung muss die Insulinzufuhr sehr engmaschig überwacht und angepasst werden, da das Hypoglykämierisiko hoch ist. Meist sind die Insulingaben und Berechnungsfaktoren gültig wie vor der Schwangerschaft, also bis zu 50 Prozent weniger Insulin im Vergleich zum dritten Trimenon.
Bei Frauen mit Typ-2-Diabetes geht man ebenfalls auf die Therapieform wie vor der Schwangerschaft zurück. Diese reicht jedoch oft nicht mehr aus und eine Kombination aus oralen Antidiabetika und Insulin wird angesetzt.
Bei einem GDM wird die Insulintherapie nach der Geburt abgesetzt und am zweiten Tag postpartal ein Vier-Punkte-Glucose-Profil aufgenommen. Bei erhöhten Werten und damit eingeschränkter Glucosetoleranz wird die Frau an den Diabetologen verwiesen.
Bei allen Neugeborenen fällt die Blutglucose nach Durchtrennung der Nabelschnur stark ab. Sinkt der Wert zu stark und besteht eine Gefährdung des kindlichen Gehirns, so kann nach einer Stunde ein 40-prozentiges Glucosegel bukkal verabreicht werden.
Ilsabe Behrens erhielt 1990 die Approbation als Apothekerin und wurde 1996 promoviert. Ein inhaltlicher Schwerpunkt ihrer mehr als 20 Jahre langen Offizintätigkeit war die Betreuung von Menschen mit Diabetes. Parallel widmete sich Dr. Behrens den Themen Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung, zunächst in einer großen Apotheke in Hamburg, dann in pharmazeutischen Unternehmen. Derzeit übt sie in einem Pharmaunternehmen die Tätigkeit als Qualified Person gemäß § 14 AMG aus und leitet die operative Qualitätssicherung.