Haut in anderen Umständen |
Frauen mit chronischen Hauterkrankungen wie Akne, Neurodermitis oder Schuppenflechte sind oft unsicher: Wie wirkt sich die Schwangerschaft auf die Haut aus? Und schaden Medikamente dem Ungeborenen? / Foto: Getty Images/damircudic
Eine Schwangerschaft bringt viele Frauen zum Strahlen: Eine bessere Durchblutung lässt den Teint rosig und frisch wirken. Schwangerschaftshormone regen auch die Talgproduktion an und versorgen die Haut vermehrt mit Lipiden, was den Glow-Effekt noch verstärkt. Wie sieht es aber aus, wenn die werdende Mutter unter einer chronisch entzündlichen Hauterkrankung wie Neurodermitis, Schuppenflechte oder Akne leidet?
»Das Hautgeschehen darf nicht isoliert gesehen werden, sondern als ein Zusammenspiel immunologischer Vorgänge, die auch systemische Bedeutung haben und andere Organe involvieren können«, erklärt Dr. Brigitte Stephan, Oberärztin am Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. »In einer Schwangerschaft kommt es zu komplexen immunologischen Veränderungen beziehungsweise folgt das Immunsystem einer Schwangeren zeitlich einem fein abgestimmten Plan, der anfangs auf eine Vermeidung der Erkennung und Abstoßung des kindlichen Anteils als körperfremd abzielt und zum Ende der Schwangerschaft die Geburt einleitet.«
Weil immunologische Vorgänge auch bei chronisch entzündlichen Hauterkrankungen eine zentrale Rolle spielen, könnte dieser immunologische Shift, der eine Toleranzentwicklung gegenüber dem eigentlich »körperfremden« Ungeborenen begünstigt, daher auch die Hauterkrankung beeinflussen. Im Einzelfall lasse sich jedoch nicht vorhersagen, wie sich eine Schwangerschaft auf den Hautzustand auswirken werde, sagt Stephan im Gespräch mit der Pharmazeutischen Zeitung. »Auswirkungen beispielsweise bezüglich einer Schubinduktion sind schwer vorhersagbar, Prognosen ohne Garantie. Prinzipiell ist es abhängig vom zugrunde liegenden Immungeschehen, da die Schwangere am Anfang eher eine Immuntoleranz induziert und sich daher das entzündliche Geschehen verbessern könnte.«
Bei etwa der Hälfte der Betroffenen bessere sich etwa das Ausmaß einer Psoriasis in der Schwangerschaft. »Allerdings beobachten wir auch bei etwa 50 Prozent eine Tendenz zum Schub nach der Entbindung, also ein so genanntes Flare-up.« Was die atopische Neurodermitis betreffe, berichtet Stephan von »nicht selten neu auftretenden Ekzemen im ersten Schwangerschaftsdrittel, ohne dass zuvor eine manifeste Neurodermitis vorlag. Diese sogenannte atopische Schwangerschaftsdermatose hat immerhin eine Häufigkeit von 1:5 bis 1:20«.
Eine weitere Dermatose, die sich innerhalb der Schwangerschaft verschlechtern könnte, sei die Akne. Eine hormonell gesteigerte Aktivität der Talgdrüsen könne hierfür den Boden bereiten. »Aber auch hier gilt: In manchen Fällen bessern sich die Hautunreinheiten gar während der Schwangerschaft.«
In jedem Fall ist es Stephan wichtig, dass Frauen zusätzlich zur frauenärztlichen Betreuung frühzeitig auch mit ihrem Dermatologen die geeignete Behandlung ihrer chronisch entzündlichen Grunderkrankung besprechen. »Da viele Schwangerschaften zu einem ungeplanten Zeitpunkt eintreten und zudem frühestens ab der sechsten oder siebten Woche bemerkt werden, sprechen wir unsere Patientinnen auch proaktiv auf Kinderwunsch und Familienplanung an, um geeignete Medikamente wählen zu können.« Hier sieht sie auch die Apotheken als wichtige Hinweisgeber und Informationsquelle. »Da Apotheker und PTA regelmäßig Kontakt mit chronisch Erkrankten haben, wissen sie oftmals, ob ein Kinderwunsch besteht. Je früher das Thema schwanger werden angesprochen wird – auch vonseiten der Frau –, umso besser. Das gibt die Möglichkeit, Unsicherheiten und Irrtümer zu beseitigen.«
Freilich sollten betroffene Frauen mit Kinderwunsch ihre Therapien nicht ohne ärztliche Rücksprache einfach ändern oder absetzen, weil sie negative Auswirkungen auf ihr Kind befürchten. Auch die Annahme, der Hautzustand bessere sich in der Schwangerschaft von selbst, ist naiv – Interventionsmöglichkeiten für das Apothekenteam. »Bei den heutigen auch schwangerschaftskompatiblen Therapiemöglichkeiten sollte es jeder Frau möglich sein, ihren Kinderwunsch zu verwirklichen. Dabei wünschen wir uns, vor Realisieren des Kinderwunsches eine Kontrolle der Erkrankung zu erreichen und eine niedrige Entzündungsaktivität in das Hautgeschehen zu bringen. Denn aktive Entzündungen im Körper sind für eine Schwangerschaft nicht günstig«, sagt die Expertin.
Bei der Wahl der Medikamente muss also ein bestehender Kinderwunsch berücksichtigt werden. »Wenn dann eine Schwangerschaft eintritt, wird so keine kurzfristige Therapieumstellung erforderlich, die mit Unsicherheiten bezüglich Ansprechen und Verträglichkeit einhergehen würde. Manche Arzneistoffe sind für Frauen im gebärfähigen Alter auch nur bei strikter Empfängnisverhütung zugelassen wie Isotretinoin.« Auch zu berücksichtigen: »Einige Arzneimittel verlieren ihre Wirkung nach längerer Unterbrechung, wie wir es bei dem Biologikum Adalimumab häufiger erleben. Diese Therapieoption ist dann für die Zukunft vergeben«, gibt die Dermatologin zu bedenken.
»Die Basispflege gehört grundsätzlich als gutes Fundament zu einer Therapie dazu und ist der am einfachsten zugängliche und kontrollierbare Weg, eine Hauterkrankung zu beeinflussen«, informiert Dermatologin Stephan. Am besten versorgen Patientinnen zweimal täglich ihre Haut mit den gewohnten Pflegepräparaten – und das auch in schubfreien Intervallen oder während einer eventuellen Systemtherapie. Diese als »Emollients plus« bezeichneten Basistherapeutika sollten immer fettend, hydratisierend und filmbildend sein.
Als Lipidkomponente empfehlen sich Phospholipide, Ceramide oder Ceramid-Derivate, etwa aus Jojoba-, Weizenkeim-, Traubenkern- oder Nachtkerzensamenöl. Sie stärken den Wiederaufbau der epidermalen Hautbarriere. Ceramide fungieren überdies als interzelluläre Kittsubstanzen. Falls nötig, sind sie an die erhöhte Talgproduktion anzupassen. Zusätzlich sollten die Zubereitungen eine gute Portion an Feuchthaltefaktoren enthalten, allen voran Harnstoff, Milchsäure, Glycerol, Pyrrolidoncarbonsäure oder Hyaluronsäure, um die Restfeuchte an epidermalem Wasser in der Haut zurückzuhalten und zu erhöhen. »Eine gute Pflege der Haut wirkt sich auch positiv auf die Milderung von Schwangerschaftsstreifen aus«, stellt die Dermatologin in Aussicht.
»Wenn es der Hautzustand erlaubt, erfolgt die Therapie der Akne in der Schwangerschaft vorzugsweise topisch«, rät Stephan. Geeignet sind Benzoylperoxid sowie Azelainsäure. Der kombinierte Einsatz mit einem Antibiotikum wie Erythromycin bringe synergistische Effekte und sei schwangerschaftskompatibel. Unterstützend kann eine Lichttherapie sinnvoll sein.
Retinsäure und Retinoide sind sowohl in der topischen als auch der systemischen Variante nicht für die Schwangerschaft zugelassen. Das fruchtschädigende Potenzial besonders von Isotretinoin ist lange bekannt, weshalb ein strenges Schwangerschaftsverhütungsprogramm einzuhalten ist. Eine zuverlässige zweifache Verhütung muss auch nach Absetzen des Vitamin-A-Abkömmlings noch einen Monat weitergeführt werden.
Was die topisch anzuwendenden Retinoide wie Adapalen, Tretinoin oder Trifaroten betrifft, schreibt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in einer Mitteilung 2021: »Für topisch anzuwendende Retinoide haben die verfügbaren Daten gezeigt, dass die über die Haut in den Körper aufgenommene Wirkstoffmenge vernachlässigbar ist und dass es daher unwahrscheinlich ist, dass diese Produkte Schaden beim ungeborenen Kind hervorrufen. Jedoch sind als Vorsichtsmaßnahme topische Retinoide bei schwangeren Frauen und bei Frauen, die eine Schwangerschaft planen, kontraindiziert.«
Nichts geht sowohl bei Neurodermitis als auch bei Psoriasis über eine konsequente Basispflege (siehe Kasten). Diese gilt als Fundament einer leitliniengerechten Stufentherapie auch in der Schwangerschaft. Falls erforderlich, kommen dann zeitlich und lokal begrenzt Corticosteroide zum Einsatz. »Mit topischen Glucocorticoiden ist man entspannter geworden, seit Daten vorliegen, dass Mengen bis zu einer 300-g-Corticoid-haltigen Creme in der Schwangerschaft nicht mit Risikosignalen einhergehen. Auch gut zu wissen: »Erst ab einer Behandlungsfläche von etwa 10 handtellergroßen Arealen gehe man von einer potenziell systemischen Bioverfügbarkeit aus, heißt es etwa in der S2k-Leitlinie zum Gebrauch von Präparationen zur lokalen Anwendung auf der Haut«, weiß die Dermatologin.
Wichtig ist Stephan vor allem, Substanzen mit möglichst günstigem therapeutischen Index (TIX) zu wählen, so dass die Struktur des Moleküls eine gute Wirkung ohne große Resorption entfaltet. Je höher der TIX-Wert ist, umso günstiger ist das Wirkprofil. Bei Stoffen mit einem TIX-Wert von 1 bis kleiner 2 gilt das Verhältnis als ausgeglichen. Dazu gehören die Glucocorticoide Hydrocortison, Betamethasonvalerat, Triamcinolonacetonid und Clobetasolpropionat. Günstiger sind Substanzen mit einem TIX-Wert zwischen 2 und 3, da hier die erwünschten Wirkungen die unerwünschten deutlich überwiegen. Im Rezepturbetrieb spielen aus dieser Gruppe vor allem die Wirkstoffe Prednicarbat und Mometasonfuroat eine Rolle. Für die richtige Abschätzung der benötigten Menge arbeitet man mit der Einheit FTU (Finger Tip Unit, siehe Grafik).
Bei der Behandlung mit topischen Glucocorticoiden richtet sich die zu verwendende Menge nach der betroffenen Hautstelle. Für die Dosierung gilt die Einheit FTU (Finger Tip Unit), wobei 1 FTU die Menge an Creme oder Salbe darstellt, die von der Fingerspitze bis zum ersten Fingergelenk reicht und etwa 0,5 Gramm des Arzneimittels entspricht. / Foto: PZ/Jens Ripperger
Als weitere Therapieoption nannte die Dermatologin die Calcineurininhibitoren Pimecrolimus und Tacrolimus. Sie sind zwar offiziell für die Anwendung in der Schwangerschaft nicht zugelassen. Dennoch seien die beiden topisch verfügbaren Arzneistoffe »schwangerschaftskompatibel. Dies spiegelt sich in den Embryotox-Empfehlungen und -Bewertungen wider«. Stephan schätzt www.embryotox.de als bestmögliche und neutral aufbereitete Datenquelle für die Arzneimitteltherapie in der Schwangerschaft. Das Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité Berlin bietet zu mehr als 400 Medikamenten/Wirkstoffen aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zu Verträglichkeit und Risiken in der Schwangerschaft und Stillzeit. Es finanziert sich aus Mitteln des Bundesministeriums für Gesundheit und der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit und ist deshalb unabhängig vom Einfluss von Arzneimittelfirmen oder anderen Interessengruppen.
Wird bei schwerer Neurodermitis generell eine Systemtherapie erforderlich, entwickelt sich nach den Ausführungen Stephans das Biologikum Dupilumab bei nicht schwangeren Patienten derzeit zum Goldstandard. Beim Einsatz in der Schwangerschaft seien jedoch zumindest derzeit Vorsicht und Zurückhaltung angesagt. »Für eine direkte oder indirekte schädigende Wirkung auf den Fötus zeigen sich zwar bislang keine Risikosignale. Wir haben auch nicht genügend Daten. Es ist prinzipiell davon auszugehen, dass für Dupilumab genau wie für alle Biologika mit Antikörperstruktur ein aktiver Transport durch die Plazenta im letzten Trimenon möglich ist.«
Safety first, damit Arzneistoffe dem Ungeborenen nicht schaden. / Foto: Adobe Stock/Iryna
Anders sehe es bei Biologika aus, deren Struktur nicht als Bindungspartner für den Rezeptor in der Plazenta taugt. Dieser sorge dafür, dass das Ungeborene zum letzten Drittel der Schwangerschaft einen Antikörper-Nestschutz der Mutter mit auf den Weg bekommt, erklärt die Medizinerin. »Biologika ohne vollständige Antikörperstruktur wie einzelne TNF-α-Blocker wie Certolizumab oder Etanerzept sind zu groß, um effektiv passiv durch die Plazenta diffundieren zu können. Aktiv können sie die Plazentaschranke nicht überwinden.« Aus langjährigen Beobachtungserfahrungen und Safety-Daten von Registern lassen sich außerdem keine eindeutigen Risikosignale aus Biologika für das Ungeborene erkennen. Gemäß aktueller Leitlinie kann für Schwangere der Einsatz von einzelnen TNF-α-Blockern erwogen werden, falls dies aufgrund der Schwere des Krankheitsbildes erforderlich ist. Auch eine Therapiepause zum dritten Trimenon sei laut Stephan möglich.
In jedem Fall bieten sich durch moderne Biologika sowohl bei der Neurodermitis als auch bei der Schuppenflechte neue Therapieoptionen. So rückt etwa Ciclosporin angesichts dieser Alternativen in den therapeutischen Hintergrund. Die Systemtherapeutika Acitretin, Apremilast, Methotrexat sowie Fumarate sind in der Schwangerschaft ohnehin kontraindiziert. Vor allem das teratogene Potenzial von Acitretin und Methotrexat verbietet die Verordnung bereits in der Kinderwunschphase. »Beim Retinoid dauert es bis zu drei Jahren, bis die Metabolite abgebaut sind. Bei Methotrexat sollte nach Absetzen drei bis sechs Monate keine Schwangerschaft eintreten. Fumarate sind dagegen innerhalb von wenigen Wochen abgebaut«, so Stephan.