Hat Metformin ein Schutzpotenzial vor Long Covid? |
Theo Dingermann |
28.12.2022 09:00 Uhr |
Die frühe Gabe von Metformin kann möglicherweise vor Long Covid schützen. Dies ergab jetzt eine Phase-III-Studie. / Foto: Getty Images/baranozdemir
In der von Prüfärzten aus verschiedenen Teilen Amerikas initiierten, randomisierten, vierfach verblindeten, placebokontrollierten Phase-III-Studie COVID-OUT (NCT04510194) sollten drei Fragen beantwortet werden:
In der nun vorliegenden Arbeit, die das Autorenteam um Dr. Carolyn T. Bramante von der University of Minnesota in Minneapolis auf dem Preprint-Server »MedRxiv« publizierte, konzentriert es sich auf die Beantwortung der dritten Frage. Dazu analysierten die Forschenden die Krankheitsakten von 1125 Erwachsenen im Alter von 30 bis 85 Jahren. Alle Patienten waren übergewichtig oder fettleibig. Die Therapie begann innerhalb von drei Tagen nach einer dokumentierten SARS-CoV-2-Infektion.
In den Verumgruppen erhielten die Patienten entweder über 14 Tage ein schnell freisetzendes Metformin-Präparat, wobei die Dosis über sechs Tage auf 1500 mg pro Tag auftitriert wurde. Alternativ erhielten sie drei Tage Ivermectin 430 µg/kg/Tag oder sie wurden mit Fluvoxamin behandelt, wobei am ersten Tag 50 mg, danach über 14 Tage zweimal täglich 50 mg verabreicht wurden. Die Patienten in den entsprechenden Placebogruppen erhielten eine Scheinmedikation nach dem jeweils gleichen Therapieregime.
Als primärer Endpunkt der Studie war ein schwerer Covid-19-Verlauf bis zum Tag 14 nach Therapiebeginn definiert worden. Einer der sekundären Endpunkte war eine von einem Arzt bestätigte Long-Covid-Diagnose, die innerhalb von 300 Tagen nach Randomisierung gestellt wurde.
Nach 180 Tagen hatten 564 Patienten in der Metformin-Gruppe und 561 in der verblindeten Kontrollgruppe einen Fragebogen ausgefüllt. Insgesamt 8,4 Prozent (94/1125) bejahten die Frage, ob bei ihnen ein Arzt eine Long-Covid-Diagnose gestellt habe. Die meisten Diagnosen wurden von Hausärzten gestellt (n = 72; 73,4 Prozent), gefolgt von einem auf Long Covid spezialisierten Arzt (n = 4; 4,3 Prozent), anderen Fachärzten (n = 8), einem Arzt in der Notaufnahme (n = 3), in einem Krankenhaus (n=2) oder in der Notfallversorgung (n = 2) und einem Chiropraktiker.
Bei den mit Metformin behandelten Patienten betrug die kumulative Inzidenz für die Entwicklung von Long Covid 6,2 Prozent und bei den verblindeten Kontrollpersonen 10,6 Prozent.
Bei denjenigen, die mit Ivermectin behandelt wurden, betrug die kumulative Inzidenz 8,0 Prozent verglichen mit 7,5 Prozent in der Kontrollgruppe. Unter Fluvoxamin betrug die kumulative Inzidenz 10,1 Prozent und in der entsprechenden Placebogruppe 7,5 Prozent .
Für Metformin betrug somit die Hazard Ratio (HR), ein Long-Covid-Syndrom zu entwickeln, im Vergleich zur verblindeten Kontrolle 0,58. Die entsprechende HR für eine Behandlung mit Ivermectin betrug 0,99 und für Fluvoxamin 1,36.
Die absolute Risikoreduktion betrug 4,4 Prozent in der Metformin-Gruppe. Die Zahl der erforderlichen Behandlungen (number needed to treat) zur Verhinderung eines Falls von Long Covid liegt bei 23. Die Wirkung von Metformin zur Vorbeugung von Long Covid war im Allgemeinen in allen Untergruppen und über verschiedene Zeiträume hinweg gleich.
Über den Wirkmechanismus von Metformin im Kontext einer SARS-CoV-2-Infektion wird nach wie vor geforscht. Spekuliert wird, dass Metformin antivirale und entzündungshemmende Eigenschaften haben könnte. Auf Pubmed findet man derzeit mehr als acht Studien, in denen die In-vitro-Aktivität von Metformin untersucht wird.
Im August hatte das gleiche Autorenkollektiv bereits die Daten zum primären Endpunkt der Studie publiziert. Da hatte sich gezeigt, dass im Vergleich zu den Placebokontrollen keines der Studienmedikamente den Verlauf von Covid-19 zu lindern vermochte.
Diese Schlussfolgerung basiert auf der Auswertung der Krankheitsakten von 1305 Patienten. Bei 25,5 Prozent dieser Patienten wurde der primäre zusammengesetzte Endpunkt aus schwerer Erkrankung, Mortalität, Besuch in der Notaufnahme oder Krankenhauseinweisung dokumentiert. Von den Patienten, die den primären Endpunkt nicht erreichten, waren mehr Patienten geimpft (32,4 Prozent) als von denen, die den primären Endpunkt erreichten (19,5 Prozent).
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.