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Europa
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Häufigkeit der Legionärskrankheit gestiegen

In Europa gab es 2021 so viele Fälle von Legionärskrankheit wie noch nie zuvor. Die meisten Meldungen kamen aus Italien, Frankreich, Spanien und Deutschland. Infektionen mit Legionellen, den Erregern der Erkrankung, lassen sich durch gute Wasserhygiene vermeiden.
AutorKontaktAnnette Rößler
Datum 21.07.2023  12:00 Uhr

Laut einem kürzlich veröffentlichten Bericht der europäischen Seuchenschutzbehörde ECDC wurden im europäischen Wirtschaftsraum 2021 insgesamt 10.723 Fälle von Legionärskrankheit gemeldet. Absolut betrachtet war das zwar nicht die höchste Zahl der vergangenen Jahre, aber die Rate von Fällen pro 100.000 Einwohnern und Jahr erreichte mit 2,4 einen bisherigen Spitzenwert. Drei Viertel der Meldungen stammten aus vier Ländern: Italien, Frankreich, Spanien und Deutschland, wobei Deutschland mit einer Rate von 1,8 pro 100.000 Einwohnern deutlich hinter den erstgenannten Ländern zurückblieb. Die am stärksten betroffene Bevölkerungsgruppe waren Männer im Alter über 65 Jahre mit 8,9 Fällen pro 100.000.

Die Gründe für den beobachteten Anstieg seien unklar, so die ECDC. Eine Rolle spielen könnten geänderte nationale Teststrategien, die Alterung der Bevölkerung sowie die Konstruktion und Wartung von Wasserleitungen in Gebäuden. Die sich ändernden klimatischen Bedingungen in Europa könnten sich ebenfalls ausgewirkt haben, da sie die Ökologie des Umweltkeims Legionella und die Bildung von kontaminierten Wasseraerosolen beeinflussen.

US-Militärveteranen als Namensgeber

Legionellen sind gramnegative, aerobe Bakterien aus der Familie der Legionellaceae (Gattung Legionella), die natürlicherweise in Oberflächengewässern, im Grundwasser oder auch in feuchten Böden, Erde und Kompost vorkommen. In geringer Zahl sind sie für den Menschen unproblematisch, bei steigender Keimzahl aber potenziell humanpathogen.

Die Bakterien können sich im Zellinneren, insbesondere im Wasser in dort freilebenden Amöben, aber auch in menschlichen Makrophagen vermehren. Eine Infektion erfolgt in der Regel durch das Einatmen eines Legionellen-haltigen Wasseraerosols, nicht jedoch durch Trinken von kontaminiertem Wasser, da die Erreger im Magen von der Magensäure abgetötet werden. Auch eine Übertragung von Mensch zu Mensch findet praktisch nicht statt.

Erkrankungen durch Legionellen (Legionellosen) sind die Legionärskrankheit, eine schwere Form der Lungenentzündung, und das Pontiac-Fieber, das milder verläuft. Ihren Namen erhielt die Legionärskrankheit 1976, als es nach einem Treffen von Militärveteranen der Amerikanischen Legion in Philadelphia zu 221 Erkrankungs- und 34 Todesfällen kam. Später stellte sich heraus, dass die Ursache für den Ausbruch eine bakterielle Kontamination der Klimaanlage des Hotels gewesen war, in dem das Treffen stattgefunden hatte.

Erst ein Jahr später entdeckte man allerdings den Erreger der Legionärskrankheit und nannte ihn Legionella. Heute sind laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) mehr als 60 Legionella-Arten bekannt. In Europa werden die meisten ambulant erworbenen Erkrankungen durch Legionella pneumophila verursacht.

Erkrankung und Therapie

Die Legionärskrankheit ist klinisch nicht von anderen Formen der Lungenentzündung zu unterscheiden. Verwirrtheit, Bauchschmerzen oder Durchfälle können vorkommen. Laut Angaben des RKI liegt die Letalität bei reiseassoziierten und ambulant erworbenen Fällen bei 5 bis 9 Prozent. An einer Legionärskrankheit, die sie sich im Krankenhaus zugezogen haben, sterben durchschnittlich etwa 13 Prozent der Patienten. Das Pontiac-Fieber ist benannt nach den ersten beschriebenen Fällen im Jahr 1968 in Pontiac, Michigan. Es geht mit leichten grippalen Symptomen einher; Todesfälle sind nicht bekannt.

Seit 2001 sind nachgewiesene Legionellosen in Deutschland meldepflichtig. In drei Viertel der Fälle sind die Erkrankungen ambulant erworben. Besonders gefährdet sind Menschen mit einem geschwächten Immunsystem, Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus oder chronische Herz-/Lungenerkrankungen, Raucher und Ältere. Männer erkranken zwei- bis dreimal so häufig wie Frauen.

Während beim Pontiac-Fieber in der Regel eine symptomatische Therapie ausreicht, soll die Legionärskrankheit mit Antibiotika behandelt werden: laut der S3-Leitlinie »Behandlung von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbener Lungenentzündung« (Stand 2021) mit Levofloxacin oder Moxifloxacin beziehungsweise alternativ mit Azithromycin oder Clarithromycin.

Infektionen vorbeugen

Legionellen vermehren sich am besten bei Temperaturen zwischen 25 und 45 °C. Unter 20 °C kommt die Vermehrung zum Erliegen, über 60 °C sterben die Bakterien ab. Große Trinkwasseranlagen mit umfangreichen Rohrsystemen, in denen es zu Kalk- oder anderen Ablagerungen und der Bildung von Biofilmen kommt, sind für Legionellen ideal. Steht das Wasser in den Leitungen, können sie sich stark vermehren. Vor diesem Hintergrund hatte das RKI nach dem Ende des Covid-19-bedingten Lockdowns vor einer möglichen Legionellen-Kontamination der Leitungen von Hotels, Sportanlagen und Schwimmbädern gewarnt, die zuvor wochenlang geschlossen hatten.

Regelmäßig auf Legionellen kontrolliert werden sollten laut RKI zudem raumlufttechnische Anlagen, Whirlpools, zahnärztliche (Dental-)Einheiten und Verdunstungskühlanlagen, Nassabscheider sowie Kühltürme. Bei labordiagnostisch bestätigten Erkrankungen sollte prinzipiell immer versucht werden, den Infektionsweg aufzuklären, um so die wahrscheinlich zugrundeliegende Ursache zu ermitteln und als Infektionsquelle auszuschalten.

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