Gut aufgestellt für die Zukunft |
Wer die Prozesse in seiner Apotheke genau unter die Lupe nimmt, um herauszufinden, wie der Betriebsablauf verbessert werden kann, der spart vor allem Zeit und Nerven. / Foto: iStock/alvarez
PZ: Herr Kühl, Sie raten allen Apothekern ein gut aufgestelltes und digitales sogenanntes Internes Kontrollsystem (IKS) zu implementieren. Können Sie uns die Idee dahinter erläutern?
Kühl: Kernthema des IKS ist, das Geschehen im Back-Office prozessual und ganzheitlich zu sehen. Dadurch wird Transparenz geschaffen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten werden klar. Jegliche Fragen zu Risiken des Geschäftsbetriebs können durch den Apothekeninhaber beantwortet werden. Ein so gut aufgestelltes System stärkt die Zukunfts- und Ertragssicherheit der Apotheke. Konkret geht es darum herauszufinden, wo ich eigentlich an welcher Stelle in meiner Apotheke steuernd eingreifen muss, um wesentliche Risiken zu reduzieren und Chancen zu nutzen. Was ich jedem Apotheker anfangs empfehle ist, erstmal Abstand zu nehmen und zu schauen, wie die Abläufe und Prozesse in den Kernbereichen, beispielsweise im Einkauf oder in der Lagerhaltung, ausgestaltet sind. Entscheidend ist es zu verstehen, welche Risiken hier entstehen können und welche besonders ausgeprägt sind. Im nächsten Schritt sollte sich jeder die Frage stellen, welche Maßnahmen diese Risiken auf ein akzeptables Maß reduzieren.
PZ: Sie sprechen dabei von wesentlichen Risiken, deren Ursachen häufig nicht erkannt werden. Nennen Sie doch ein konkretes Beispiel, was in Apotheken häufig schieflaufen kann.
Kühl: Nehmen wir den Prozess des Wareneinkaufs. Im Rahmen des Einkaufs sind entsprechende Konditionen und Rabatte verhandelt und festgelegt. Wichtig ist, dass alle festgesetzten Parameter dann auch umgesetzt und bestmöglich genutzt werden. Das Risiko besteht, dass beispielsweise falsche Preise berechnet werden oder beim teureren Lieferanten bestellt wird. Diese Risiken können erst dann gemindert werden, wenn die Ursachen klar sind. In unserem Beispiel liegt die Ursache in der Qualifikation der Mitarbeiter oder in den Einstellungen des Warenwirtschaftssystems. Dann erfolgt der Blick auf die nächste Ebene, die Maßnahmen. Das wären hier beispielsweise Mitarbeiterschulungen oder Stichproben, um zu überprüfen, ob die Datenqualität noch stimmt, damit auf jeden Fall die richtigen Preise und Parameter beim Wareneingang hinterlegt sind. Und damit kommen wir auch zur letzten Ebene, den Kontrollen, die sicherstellen sollen, dass die Maßnahmen auch richtig durchgeführt wurden.
PZ: Wenn jeder Schritt, der in der Apotheke getan wird, kontrolliert wird, sind da nicht Probleme mit den Mitarbeitern programmiert?
Kühl: Also wenn alles kontrolliert werden würde, dann wären Probleme programmiert. Das Ziel ist aber nicht, ein System des Finger-Pointings zu etablieren. Es geht auch nicht darum, alles transparent zu machen, was passiert. Sondern es geht darum, Probleme, die den Apothekern immer wieder vor die Füße fallen, unter anderem im Rahmen der Betriebsprüfung, zu lösen. Dies ermöglicht den Apothekern, sich noch mehr auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren.
PZ: Was könnte denn im schlimmsten Fall passieren, wenn eine bestimmte Sache im System nicht kontrolliert wird?
Kühl: Apotheken haben ihr Geschäft grundsätzlich gut im Griff. Wenn jedoch ein gut aufgestelltes IKS fehlt, werden viel Geld, Zeit und Nerven verschwendet, die an anderer Stelle dringender gebraucht werden.
PZ: Welche Rolle spielt Kommunikation zwischen den Mitarbeitern noch, wenn dank dieses Systems jeder weiß was er zu tun hat?
Kühl: Die Prozesse, die für das IKS wichtig sind, laufen bereits alle schon ab in der Apotheke. Was Mitarbeiter aber belastet ist, dass gar nicht so richtig klar ist, wie die Prozesse genau abzulaufen haben. Wenn ein neuer Mitarbeiter dazu kommt, muss wieder erklärt werden, wie etwas funktioniert. Das ist auch immer abhängig davon, wie die anderen Mitarbeiter etwas weitergeben. Da geht auch mal etwas verloren. Durch eine Prozessvisualisierung werden Prozesse klar und eindeutig kommuniziert. Und wenn jeder weiß, wie die Prozesse ablaufen, dann gibt es umso mehr Kommunikation um das Thema, wie die Prozesse noch besser gestaltet werden könnten. Und vor allem bleibt mehr Zeit, um über das Kerngeschäft zu sprechen.
PZ: Wie viel Zeit kann nach der Etablierung des IKS eingespart werden?
Kühl: Für den Apothekeninhaber würde ich hier schon eine halbe Stunde bis Stunde Zeitersparnis pro Arbeitstag ins Spiel bringen. Was hier wegfällt, sind dann eher nervige Tätigkeiten im Backoffice.
PZ: In den letzten Jahren ist ein Filialisierungstrend von Apotheken erkennbar. Wie kann hier ein gutes Risikomanagement helfen, den Überblick über mehrere Filialen zu wahren?
Kühl: Gerade bei größeren filialisierten Apotheken ist das Thema IKS wichtig. In diesen Apotheken steigt die Anzahl der Mitarbeiter und damit der Abstimmungsbedarf. Für eine kleine Apotheke mit nur einem Standort ist beispielsweise das Warenwirtschaftssystem einfacher zu managen. Das heißt aber nicht, dass ein IKS für kleine Apotheken nicht interessant sein kann.
PZ: Inwiefern kann ein IKS den Apothekern auf dem Digitalisierungsweg helfen, also etwa bei der Umsetzung des E-Rezepts oder sogar auf dem Weg zum eigenen Webshop?
Kühl: Erst wenn ich weiß, wie meine Prozesse funktionieren, kann ich auch gut strukturiert mit anderen darüber sprechen, wie Verbesserungen aussehen können. Also auch, wo ich eine neue Technologie oder ein neues Verfahren einführen kann.
PZ: Ist dieses System sicher im Hinblick auf Manipulationen? Digitale Dokumente können ja unbemerkt verändert werden, das Kassenbuch in Papierform ist da schwieriger zu fälschen.
Kaspar Kühl war lange Jahre Unternehmensberater bei KPMG. Seit knapp einem Jahr arbeitet der 44-Jährige freiberuflich als Digitalisierungsberater und unterstützt in Kooperation mit den Aponauten insbesondere Apotheken auf dem Weg der Digitalisierung. / Foto: Kühl
Kühl: Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel aus meiner alten Zeit als Berater, wo wir ein Unternehmen in das Thema Digitales Dokumentenmanagement eingeführt haben. Da gab es auch große Bedenken. Im Rahmen eines Gesprächs hat unser Team einfach einen Ordner, eine Mandantenakte, unter den Arm geklemmt und dann das Büro verlassen. Die anderen waren entsetzt und meinten, das könne man doch nicht tun, aber - in der Tat: Wir konnten. Sofern Unterlagen irgendwo ausgedruckt liegen, ist das Risiko enorm hoch, dass diese verloren gehen oder manipuliert werden. In einer digitalen Welt ist dieses Risiko natürlich nicht zu negieren, aber es gibt hervorragende Möglichkeiten, entsprechende Sicherheiten zu schaffen, sodass Unterlagen nicht in die falschen Hände geraten. Zudem stehen sensible Informationen wie Preise oder Kundendaten gar nicht im IKS, die sind im Warenwirtschaftssystem verzeichnet und bleiben dort auch.
PZ: Insbesondere in Zeiten der Coronavirus-Pandemie ist vieles für die Apotheker stressiger geworden. Ist die Umstellung auf ein neues System nicht eine extra Belastung?
Kühl: Das glaube ich nicht. Nehmen wir deutsche Automobilhersteller und deren Umgang mit dem Thema Elektromobilität. Jetzt muss richtig gekämpft werden, da zu lange am alten profitablen Kerngeschäft festgehalten wurde. Es ist nicht nur für die »Großen« sondern auch für Apotheken entscheidend, sich mit neuen Möglichkeiten auseinanderzusetzen, um auf Dauer besser aufgestellt zu sein. Dieser Weg sollte strukturiert und mithilfe moderner Technologie begangen werden.
PZ: Wie kann das IKS im Vergleich zu anderen Systemoptimierungen wie beispielsweise einem Qualitätsmanagement-System abgegrenzt und unterschieden werden?
Kühl: Qualitätsmanagement ist ein Oberbegriff. Wenn in einem Unternehmen oder in einer Apotheke darauf geachtet wird, dass die Qualität stimmt, dann bezieht sich das auch auf die Qualität der Prozesse. Eigentlich ist alles im Rahmen eines IKS Teil eines guten Qualitätsmanagements. Aber alles was mit Qualitätsmanagement zu tun hat, ist nicht unbedingt Teil eines IKS.
PZ: Wie schätzen Sie persönlich die Zukunftschancen der Vor-Ort-Apotheken im Zuge der Digitalisierung ein?
Kühl: Ich sehe mir die Branche durch eine externe Brille als Digitalisierungsberater an. Aus dieser Perspektive bin ich sehr optimistisch, dass die Apotheken auch in dezentraler Form immer noch eine sehr wichtige Rolle spielen werden und dass die Branche noch sehr gute Zeiten vor sich haben wird. Wichtig ist aber, dass die Apotheker Digitalisierung nicht angstbehaftet sehen und sich den neuen Möglichkeiten öffnen.