Grünes Licht für erste CRISPR/Cas9-Gentherapie in der EU |
Daniela Hüttemann |
15.12.2023 17:00 Uhr |
Eine auf der Genschere CRISPR/Cas9 basierende Therapie ist nun erstmals in der EU zur Zulassung empfohlen worden. / Foto: Adobe Stock/nathan
Mit der sogenannten Genschere CRISPR/Cas9 lässt sich DNA verändern – im Fall des neuen Medikaments Casgevy® von Vertex Pharmaceuticals werden Blutstammzellen von Patienten mit schwerer Sichelzellanämie oder Transfusions-abhängiger β-Thalassämie behandelt. Bei beiden seltenen Erbkrankheiten kommt es durch jeweils unterschiedliche Mutationen zu Fehlfaltungen des Sauerstoff-transportierenden Hämoglobins. Ein Ansatz bei den Erkrankungen ist, die Bildung der fetalen Hämoglobin-Variante, die normalerweise nur beim Fetus im Mutterleib exprimiert und nach der Geburt stillgelegt wird, wieder hochzufahren.
Dem Patienten werden hierfür zunächst Blutstammzellen aus dem Knochenmark entnommen. Ex vivo werden diese mit Casgevy behandelt (Freiname: Exagamglogen autotemcel). Die Genschere editiert dazu eine Erythrozyten-spezifische Enhancer-Region im BCL11A-Gen so, dass der Silencer BCL11A, der normalerweise die Bildung der fetalen Hämoglobin-Variante unterdrückt, nicht mehr gebildet wird. Die modifizierten Stammzellen werden dem Patienten dann zurückinfundiert und sein Körper kann das fetale Hämoglobin wieder bilden: Die Erythrozyten werden nahezu normal ausgebildet.
In zwei noch laufenden einarmigen Studien mit Patienten im Alter von 12 bis 35 Jahren führte die neuartige Therapie zu deutlichen Verbesserungen. Von 42 Patienten mit β-Thalassämie, die einmalig mit Casgevy behandelt worden waren, brauchten 39 im folgenden Jahr keine einzige Bluttransfusion. In der anderen Studie mit 29 Patienten mit schwerer Sichelzellanämie blieben 28 in den zwölf Monaten nach der Behandlung frei von den sehr schmerzhaften vasookklusiven Krisen, die schwere Organschäden verursachen können.
Ob weitere Behandlungszyklen mit der Gentherapie nötig sind, müssen Langzeitstudien zeigen. Auch das Sicherheitsprofil wird weiterhin engmaschig untersucht. Das Follow-up aller Patienten, auch außerhalb der Zulassungsstudien, ist auf 15 Jahre angelegt. Nach aktuellem Wissensstand bewertete das Komitee für »Advanced Therapies« der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) das Nutzen-Risiko-Profil für die beschriebenen Patienten als positiv und empfahl daher die Zulassung als Orphan Drug für Patienten ab zwölf Jahren, die für eine hämatopoetische Stammzelltransplantation infrage kommen, für die aber kein passender Spender gefunden wird. Weitere Studienergebnisse sollen bis August 2026 vorliegen.
Nun muss die EU-Kommission über die EU-Zulassung entscheiden. Anschließend wird auf Länderbasis über den Erstattungspreis der sehr teuren Therapie verhandelt. Als erster Staat weltweit hatte das Vereinigte Königreich diese zellbasierte Gentherapie Mitte November zugelassen. Die US-Zulassung folgte am 8. Dezember. Grundlagen dieser Therapie wurden unter anderem auch am Uniklinikum Regensburg geschaffen.