Großhandel soll Engpässe bei Kinderarzneimitteln verhindern |
Um eine weitere »angespannte Versorgungssituation« im kommenden Herbst und Winter zu verhindern, will Bundesgesundheitsminister Lauterbach den Großhandel zur rechtzeitigen und intensiven Bevorratung von wichtigen Kinderarzneien bewegen. / Foto: Imago: Political-Moments
Es sei eine »außerordentlich dringliche Maßnahme«, wie es in dem Brief des Ministers an den Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) heißt. Nach derzeitiger Einschätzung könnte demnach im kommenden Herbst und Winter für wichtige Antibiotika und weitere relevante Arzneimittel für Kinder «eine angespannte Versorgungssituation» entstehen, zitiert die Mediengruppe Bayern (Donnerstag) den Ministerbrief.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) habe eine »Dringlichkeitsliste« mit Kinderarzneimitteln mit höchster Priorität erstellt. Lauterbach bittet die Großhandelsunternehmen, »die Beschaffung und Lagerhaltung der aufgeführten Arzneimittel zu intensivieren«. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) ergänzt, wolle Lauterbachs Ressort dazu notfalls »eine Gegenfinanzierung prüfen«. Die Liste enthält demnach zahlreiche Antibiotika wie Amoxicillin, Cefaclor, Cefuroxim in Form von Pulvern und Granulaten zur Herstellung einer Suspension, aber auch fiebersenkende Arzneien wie Ibuprofen oder Paracetamol.
Um Engpässe bei Medikamenten vor allem für Kinder zuverlässiger abzuwenden, war im Juni bereits das Lieferengpass-Gesetz (ALBVVG) beschlossen worden. Es macht als Sicherheitspuffer Vorräte von mehreren Monatsmengen für vielgenutzte Arzneimittel zur Pflicht. Preisregeln sollen gelockert werden, um Lieferungen nach Deutschland für Hersteller lohnender zu machen. Das Gesetz brauche aber Zeit, um zu wirken, sagte Lauterbach der Mediengruppe Bayern.
Um kurzfristig Engpässen vorzubeugen, solle der Großhandel wichtige Medikamente für Kinder daher bereits jetzt bevorraten. »In dieser Erkältungs- und Grippesaison sollen besorgte Eltern nicht erneut vor leeren Apothekenregalen stehen.«
Der Verband Pro Generika reagierte umgehend auf Lauterbachs Vorstoß. Mit seinem Appell mache Lauterbach zwar deutlich, dass auch sein Ministerium eine Mangelsituation nicht noch einmal erleben wolle. Zugleich sei der Appell ein »Eingeständnis«, dass das Engpass-Gesetz nicht ausreiche. »Das BMG schaltet in den Notstandsmodus und erkennt damit an, dass alle bisher ergriffenen Maßnahmen wirkungslos sind«, so Geschäftsführer Bork Bretthauer in einer Mitteilung.
Erst im Frühsommer hätte Lauterbach in einer Pressekonferenz angekündigt, mit dem ALBVVG »auf den Schlag« die Knappheit von Kinderarzneimitteln beseitigen zu können. Dazu Bretthauer: »Wer jetzt den Mangel ausruft, hat zu spät erkannt: Auf den Schlag verbessert sich gar nichts.« Bretthauer forderte eine sofortige Nachbesserung des ALBVVG. Zwar seien eine Preiserhöhung und der Wegfall von Rabattverträgen bei Kinderarzneimitteln ein wichtiger erster Schritt gewesen. Dieser reiche allerdings nicht aus.
BMG und Ampelfraktionen müssten endlich »Lösungen finden, die nachhaltiger wirken, als mit hektisch gefällten Entscheidungen anderen Ländern die Medikamente wegzukaufen«. Das sei »erneut Krisenmodus – und keine Strategie zur Verbesserung der Lage«.
Erst Anfang August hatte der Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) vor erneuten Lieferengpässen bei Medikamenten in der kalten Jahreszeit gewarnt. Das neu beschlossene Lieferengpass-Gesetz gehe zwar in die richtige Richtung, werde aber »definitiv nicht durch diesen Winter helfen«, so der Verband.
Auch mit der Reform sei es »nicht attraktiv genug für die Pharmafirmen, Medikamente in Deutschland zu produzieren und zu verkaufen, etwa wegen der vorgeschriebenen Festbeträge«, sagte Verbandspräsident Thomas Fischbach. »Das sind Wirtschaftsunternehmen, die im Ausland mehr verdienen.«