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Neuzugänge
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Gläser aus der Ruhrregion und seltene Fayencen

Unser Konvolut an Apothekenstandgefäßen hat einige spannende Objekte hinzugewonnen. Faszinierend sind nicht nur die hochwertigen Manufakturerzeugnisse, sondern auch die Informationen über ihren Kontext, die wir bei der Objektrecherche herausfinden.
AutorKontaktPetra Nemethova
AutorKontaktClaudia Sachße
Datum 19.12.2025  07:00 Uhr

Einige vierkantige Flaschen mit Emailmalerei aus der Adler-Apotheke in Velbert-Langenberg (Kreis Mettmann) bringen neue Kenntnisse über die Beziehungen zwischen Glaswerkstätten und Apotheken in der Ruhrregion im 18. Jahrhundert.

Ein achteckiges Schriftfeld ist jeweils eingerahmt von einem Zierband aus großen gelben Punkten mit Lichtpunkten und Schattierungen in Hellgelb und Braun (Abbildung 1). Einige haben noch den zugehörigen Schliffstopfen. Der frühklassizistische Stil von Form und Verzierung der Kartusche und die Machart der etwa 13,5 cm hohen Gläser datieren diese in die Jahre um 1780 bis 1790.

Gläser mit identischem Schriftbild und Dekor sind aus der Buer’schen Apotheke Gelsenkirchen bekannt. Etwa 20 Gefäße sind in verschiedenen Privatsammlungen erhalten (darunter Sammlung Rolf Laufkötter, Bad Ems). Ein sehr ähnliches Dekor haben auch Gefäße aus der Löwen-Apotheke in Wuppertal-Cronenberg; sechs Gläser und zwei Holzdosen befinden sich in der Museumssammlung (Inv.-Nr. II A 84–89, II G 487, 493, Abbildung 2), weitere in Privatsammlungen. Hier wird die gelbbraune Perlenreihe ergänzt durch eine Krone oben sowie teils eine gelbe Schleife am unteren Rand. Die Dosen tragen mehrfache Übermalungen, die gelbe Punktzier gehört zur ältesten Farbfassung.

Somit sind mehr als 30 Gefäße mit fast identischem Dekor und Schrifttyp aus mindestens drei Apotheken in der Rhein-Ruhr-Region bekannt, die vermutlich ein variables Standarddekor für Apothekengefäße aus einer Glasmanufaktur in der Region aufweisen.

Die Apotheke in Velbert-Langenberg wurde 1698 gegründet. Nichts spricht gegen eine neue Ausstattung der Offizin zum Ende des 18. Jahrhunderts. Die anderen Apotheken jedoch sind jüngere Gründungen (Gelsenkirchen-Buer 1807, Wuppertal-Cronenberg 1813). Hier ist vielmehr zu vermuten, dass die Bestände vom Apothekenbesitzer aus einem älteren Bestand mitgebracht oder »sekundär« als gebrauchte Konvolute für die neu gegründete Apotheke erworben wurden.

Gefertigt in der Glashütte von Königssteele?

In der Rhein-Ruhr-Region gab es längere Zeit kein ausgeprägtes Netz von Glashütten. Viele vormalige Glasbetriebe wurden mit steigendem Bedarf in waldreiche Gebiete wie Westerwald, Eifel und Hunsrück verlegt. Im frühen 18. Jahrhundert profitierte das Gewerbe vom wirtschaftlichen Aufschwung und dem Erstarken der Steinkohleproduktion im Ruhrtal.

1723 gründete Albert Hünninghausen (1699 bis 1768) in Königssteele bei Essen die erste steinkohlenbetriebene Glasmanufaktur. Zu Beginn produzierte sie vor allem Fensterscheiben und Spiegel, später vermehrt Hohlgläser und auch beschriftete Apothekengläser. Die Steeler Glashütte gehörte zu den ältesten Industriebetrieben Essens (heute Glashütte Wisthoff, Essen-Horst) und bewirkte einen Zuzug zahlreicher Handwerksbetriebe. Der erfolgreiche Fabrikant Hünnighausen hatte zudem großen Anteil an der Schiffbarmachung der Ruhr.

Zwar folgte die Gründung weiterer Glashütten im Umfeld, doch blieb die Steeler Glasmanufaktur wohl die bedeutendste. Hier wurden möglicherweise die vorgestellten emailbemalten Gläser hergestellt.

Eine Salbe zum Trinken?

Die Museumssammlung wurde im vergangenen Jahr um einige Gefäße aus der pharmazeutischen Sammlung von Sven Eric Geis bereichert.

Zwei Fayence-Albarelli mit filigranem blauen Dekor stammen aus der Nikolaus-Apotheke in Nieheim (Abbildung 3). Das Dekor ist charakteristisch für die frühklassizistische Zeit zwischen 1780 und 1799. Vor allem ist die Arzneiform interessant, die das größere Gefäß enthielt: »Ung: / potabil: / R:« bedeutet so viel wie »Trinksalbe«.

Die Rezeptur für diese »Unguentum potabile« findet man schon im Dispensatorium Pharmacopolarum des Valerius Cordus von 1546. Da Cordus sein berühmtes Werk aus älteren Rezeptarien zusammenstellte, kann man davon ausgehen, dass auch diese Rezeptur schon wesentlich älter ist. Die Pharmacopoea Augustana von 1597 listet folgende Zutaten auf: Butter, Walrat, Färberkrapp, Blutwurz und Bibergeil.

Über die Herstellung informiert Zedlers Universallexikon (1731 bis 1754): »Die Wurzeln und den Wallrath lasset mit der Butter aufkochen in gnugsamer Menge wohlrüchenden Weines, bis dieser ganz verrauchet ist. Seiget und presset es durch, thut hernach das gepülverte Bibergeil hinzu, und machet nach der Kunst eine Salbe«. Die Salbe sollte innere Verletzungen heilen bei denjenigen, »die von einer Höhe herunter gestürzet sind, […] sie zertreibet das geronnene Blut«. Sie wird aber auch bei Quetschungen empfohlen.

Das »R« in der Aufschrift steht vermutlich für »Rubrum« – rote Trinksalbe, eine Rezeptvariante, die man in Johann Zwelfers Pharmacopeia Regia (1668, S. 285) findet. Hier wird das »Grundrezept« noch um Alant und Iris, Safran, Alkannawurzel und Rotwein erweitert. Mit Färberkrapp, Alkannawurzel und Safran sind drei intensive Färberpflanzen sowie der »färbende« Rotwein enthalten – genug, um den Zusatz »rubrum« zu rechtfertigen!

»Machet also eine Salbe, welche sowohl innerlich als äusserlich kann gebrauchet werden«, kann man in Zedlers Übersetzung lesen.

Schreitende Löwen

Ein 12 cm hoher Fayence-Albarello stammt aus der Porzellanfabrik Bayreuth (Abbildung 4), wie die Marke »BPF« (Bayreuther Porzellan-Fabrik) am Boden des Gefäßes belegt. Diese wurde von der Manufaktur zwischen 1751 und 1760 verwendet und datiert so das Gefäß ziemlich genau.

Das auffällige Dekor in Blau auf weißer Glasur zeigt einen auf drei Bergspitzen schreitenden Löwen, eingeschlossen in eine gekrönte Kartusche. Das geschwungene Schriftband unten benennt den ehemaligen Inhalt des Gefäßes: »Extra[ctum] Fumari[i]« – Erdrauchextrakt. Das Schild zeigt das Wappen der Grafen von Schönborn, die seit 1701 im unterfränkischen Markt Wiesentheid residierten.

Der Albarello gehört zu einer Reihe von Gefäßen, die vermutlich für die 1750 am Marienplatz in Wiesentheid neu eröffnete Hof-Apotheke hergestellt wurden. Ursprünglich befand sich diese Apotheke in Schloss Schönborn. Sie wurde jedoch in den Ort verlegt, da dort bessere Räumlichkeiten zur Verfügung standen und die Bevölkerung besser versorgt werden konnte. Von dem Ensemble befanden sich fünf bauchige Exemplare lange im Schönborn’schen Rentamt in Hattenheim, das mittlerweile als Probierstube für das zugehörige Weingut genutzt wurde. Die Albarelli dienten hier stilvoll zum Ausschank bei Weinproben. 1979 kamen sie zurück in die Sammlung Schloss Schönborn in Wiesentheid.

Weitere Gefäße dieser Serie befinden sich in der Sammlung Hofmann La Roche in Basel und dem Technischen Museum in Wien.

Aus der Löwen-Apotheke in Fulda stammt eine circa 13 cm hohe zylindrische Holzdose mit dunkelgrün gefasster Wandung und goldenem Dekor (Abbildung 5). Ein rundes Schild in Gold trägt die Aufschrift »PULV: / HB: JACEAE« (Stiefmütterchen). Es ist umgeben von Blattornamenten. Oben befindet sich – ebenfalls in Gold – ein nach rechts schreitender Löwe.

Im Museumsbestand gibt es bereits drei Holzdosen aus dieser Apotheke mit demselben Dekor, eine Leihgabe aus der Sammlung Walter Dörr (Inv.-Nr. II G 328–330). 1549 gegründet, wurde die Apotheke 1762 zur Hochfürstlichen Garnison-Apotheke ernannt und privilegiert. Am Haus wurde das Hochfürstliche Fuldische Wappen mit zwei Löwen beiderseits angebracht. Die Dosen mit Löwendarstellung stammen möglicherweise aus der Zeit der Privilegierung.

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