»Gestalten Sie die Apotheke aktiv mit!« |
Laura Rudolph |
17.11.2022 15:00 Uhr |
Bei der 8. Sitzung der XVII. Kammerversammlung der Apothekerkammer Nordrhein ging es unter anderem um berufspolitische Herausforderungen und den pharmazeutischen Nachwuchs. / Foto: Stephan Schütze / AKNR
Viele Vor-Ort-Apotheken kämpfen mit massiven ökonomischen Problemen und Personalmangel. Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz und europäische Bestimmungen drohten zudem, Apotheker zu demotivieren und durch die schwindende Anzahl an Apotheken die flächendeckende Arzneimittelversorgung zu gefährden, resümierte der Präsident der Apothekerkammer Nordrhein, Dr. Armin Hoffmann, bei der gestrigen Kammerversammlung in Neuss.
Dass die wirtschaftliche Situation der Apotheken zunehmend schwierig ist, legen auch Zahlen nahe, die der Generalbevollmächtigte der Treuhand Hannover, Dr. Frank Diener, auf der Kammerversammlung vorstellte. Die apothekenspezifische Inflation, die die Zangenschere aus Wareneinsatz und Betriebskosten immer größer werden lässt, das Kombimodell bei der Rx-Vergütung und der Versandhandel hinterlassen ihre Spuren. Alleine 2022 werden laut Diener voraussichtlich mehr als 400 Apotheken schließen, seit 2008 sind inzwischen 3100 Apotheken vom Netz gegangen. Nach der Coronavirus-Pandemie sinkt der Umsatz der Apotheken laut Diener: Während im ersten Halbjahr 2021 immerhin noch 83 Prozent der Apotheken ein Umsatzplus erzeugten, sank dieser Anteil im ersten Halbjahr 2022 auf 56 Prozent.
Kammerpräsident Dr. Armin Hoffmann ermutigte die Anwesenden bei der Kammerversammlung, proaktiv zu werden. / Foto: Stephan Schütze / AKNR
»Die geplante Erhöhung des Kassenabschlags auf zwei Euro wird die Durchschnittsapotheke etwa 7000 Euro pro Jahr kosten«, sagte Diener. Neben erhöhten Betriebs- und Warenkosten seien auch die Personalkosten im ersten Halbjahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um etwa 4 Prozent gestiegen – sofern man überhaupt welches finde. Das werfe gerade unter dem Gesichtspunkt des »politisch unabweisbaren Mehrbedarfs« riesige Versorgungslücken auf.
Wie sieht die Vor-Ort-Apotheke im Jahr 2023 aus? Mit dieser Frage beschäftigte sich auch Kammerpräsident Hoffmann in seiner Rede. Er appellierte an die Apotheker, sich proaktiv einzubringen, beispielsweise bei politischen Fragen.
Um etwa gegen die für 2023 angekündigte Strukturreform im Gesundheitswesen vorzugehen, seien großflächige öffentlichkeitswirksame Maßnahmen notwendig. » Gestalten Sie die Vor-Ort-Apotheke aktiv mit! Wir als Apotheker müssen den Politikerinnen und Politikern dann selbst konkrete Verbesserungsvorschläge anbieten«, so der Kammerpräsident. Die Kammer Nordrhein gehe bereits mit gutem Beispiel voran: Als Gegenvorschlag zu einem möglichen Dispensierrecht für Ärzte im Notdienst hat sie der Politik laut Hoffmann einen ausgeweiteten Botendienst im Nacht- und Notdienst der Apotheken vorgeschlagen. Von der zuständigen Behörde in Nordrhein-Westfalen stehe jedoch noch eine Antwort dazu aus.
Trotz all der Herausforderungen können und sollten die Apotheker auch ihre Chancen ergreifen, appellierte Hoffmann an die Anwesenden: »Mit der Möglichkeit, pharmazeutische Dienstleistungen und Impfungen anzubieten, wird uns Apothekern großes Vertrauen entgegengebracht. Nutzen Sie dieses bitte!« Gerade die pharmazeutischen Dienstleistungen hätten großes Potenzial. Sie seien zwar bislang noch kein Erfolgsmodell, böten aber die Chance auf ein neues, umfassendes Honorierungsmodell. Nur, wenn sich genug Apotheken daran beteiligen, sei eine Ausweitung möglich, verdeutlichte Hoffmann. Die Apothekerkammer-Nordrhein hat für ihre Kammerangehörigen ein eigenes Support-Center für Angelegenheiten zu den pharmazeutischen Dienstleistungen errichtet, das pDL-Support-Center. Weitere Infos gibt es im geschützten Mitgliederbereich der Homepage der Kammer.
Auch im Hinblick auf die verzögerte Einführung des E-Rezepts sieht Hoffmann Chancen: »Nutzen Sie die Verzögerung, um sich E-Rezept-ready zu machen – und um bestehende Fehler auszubessern. Jetzt haben wir noch die Möglichkeit für Erleichterungen.« Zuletzt folgte der große Appell von Hoffmann, pharmazeutischen Nachwuchs auszubilden – denn diesen braucht die Apotheke von morgen gewiss. Dabei solle man insbesondere auch die zukünftigen PTAs berücksichtigen. Um den pharmazeutischen Nachwuchs ging es auch in den Impulsvorträgen von Dr. Constanze Schäfer und Apothekerin Alexandra Barthel.
Um die juristischen Verfahren, die die Apothekerkammer Nordrhein derzeit führt, ging es im Vortrag von Dr. Bettina Mecking. Unter dem Motto »Viel mehr als nur Tropfen auf heiße Steine« informierte die Justiziarin und stellvertretende Geschäftsführerin der Apothekerkammer Nordrhein über aktuelle juristische Verfahren. Ein thematischer Schwerpunkt waren die von Mecking sogenannten »Glücksritter«, Schnellst-Liefer-Logistiker wie beispielsweise Kurando, First A oder Mayd. Sie gefährdeten unter anderem die freie Apothekenwahl, berichtete Mecking.
Ebenso ging die Juristin auf Verfahren gegen Plattformen wie MySummer und GoSpring ein, auf denen Patienten hormonelle Kontrazeptiva beziehungsweise Mittel gegen erektile Dysfunktion bestellen. Die Prüfung des medizinischen Fragebogens soll durch Fachärzte erfolgen, die daraufhin eine Verordnung ausstellen. Wenn bei Testkäufen jedoch ein Fragebogen um Mitternacht ausgefüllt wurde und schon eine Stunde später durch Ärzte ein Rezept ausgestellt wurde, müsse die Glaubwürdigkeit daran stark angezweifelt werden, berichtete Mecking. Die Delegiertenversammlung reagierte mit großem Applaus auf den Vortrag.
Im Rahmen der Kammerversammlung wurden die Ärztin Dr. Claudia Kaufhold und der Arzt Dr. Thomas Menn geehrt. Sie hatten in mehr als 100 Seminaren mehrere tausend Apothekerinnen und Apotheker zu Impfungen geschult. Als erste Ärzte erhielten sie die Ehrennadel der Apothekerkammer Nordrhein in Silber. Geehrt wurde außerdem die Apothekerin, Dozentin und Journalistin Annette van Gessel für ihr Lebenswerk in der Standespolitik. Sie wurde mit der Ehrengabe ausgezeichnet.