Gerichtsschlappe für Doc Morris-Plattform |
Das Landgericht Karlsruhe hält das Vertragsmodell von Doc Morris auf seiner »Marktplatz«-Plattform für nicht zulässig. / Foto: imago images/Nicolaj Zownir
Apotheken können sich seit einiger Zeit als lokale Partner auf dem Marktplatz von Doc Morris listen lassen. Das Konzept des niederländischen Versenders sieht dabei vor, dass die Apotheken für ihre Listung etwas bezahlen müssen: 399 Euro Monatsgebühr plus eine Transaktionsgebühr von 10 Prozent des Nettoverkaufspreises auf alle Bestellungen von OTC-Produkten.
In diesem Plattformkonzept sah die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) gleich zwei Verstöße gegen das Apothekengesetz (ApoG). Sie mahnte den Versender im vergangenen Herbst ab, forderte die Abgabe einer Unterlassungserklärung und drohte andernfalls mit einer Klage. Der Versender seinerseits reichte schließlich im März dieses Jahres selbst Klage beim Landgericht (LG) Karlsruhe ein, in der er die Gebühren rechtfertigt und das Gericht auffordert festzustellen, dass die Kammer Nordrhein keinerlei Ansprüche auf eine Unterlassungsforderung habe. Gegenüber der PZ bestätigte die Kammer damals, dass sie dagegen Widerklage eingereicht habe. Welcher dieser Klagen es stattgibt, damit beschäftigte sich die Kammer für Handelssachen des LG Karlsruhe in den vergangenen Wochen.
Per Pressemitteilung informierte das Gericht am heutigen Donnerstagnachmittag darüber, dass es mit Blick auf die Regelungen im Apothekengesetz nicht zulässig ist, für Apotheken eine Online-Plattform bereitzustellen, »über welche Apotheken Arzneimittel an Patienten verkaufen können, wobei der Marktplatzbetreiber von den teilnehmenden Apotheken eine monatliche Grundgebühr und eine umsatzabhängige Transaktionsgebühr (letztere auf Verkäufe von rezeptfreien Arzneimitteln) verlangt«. Die beklagte Apothekerkammer könne einen entgegen den Vorschriften des Apothekengesetzes erfolgten Betrieb eines solchen Online-Marktplatzes nach den Vorschriften des Wettbewerbsrechts (UWG) untersagen lassen.
Das Landgericht begründet seine Entscheidung mit dem »Schutzzweck« des § 11 ApoG, in dem unter anderem das erweiterte Makelverbot enthalten ist. Der Zweck dieser Regelungen ist laut Gericht das Allgemeininteresse an der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. »Dafür ist nach der Wertung des Gesetzes ein flächendeckendes Netz wohnortnaher Apotheken erforderlich. Die Versorgung der Bevölkerung mit wohnortnahen Apothekendienstleistungen kann gefährdet sein, wenn wirtschaftlicher Druck auf die niedergelassenen Apotheken entsteht. Sind solche Marktplätze wie derjenige der Klägerin erst einmal am Markt etabliert, stehen Apotheker*innen vor der Wahl, sich entweder an entsprechenden Geschäftsmodellen zu beteiligen oder Verschreibungen zu verlieren«, so die Begründung weiter.
Das Landgericht begründet die Entscheidung auch mit § 8 ApoG, in dem unter anderem festgehalten ist, dass Umsatz-relevante Beteiligungen an Apotheken nicht zulässig sind. Der Gesetzeszweck liegt laut Gericht darin, »Rechtsverhältnisse zu vermeiden, in denen sich ein Dritter die beruflichen und wirtschaftlichen Fähigkeiten von Apotheker*innen zunutze macht und an den Früchten der Apotheke partizipiert«. Und weiter: »Apotheker*innen soll die eigenverantwortliche Führung und Leitung ihres Betriebs sowohl in fachlicher, also wissenschaftlich-pharmazeutischer, als auch in betrieblicher und wirtschaftlicher Hinsicht möglich sein, ohne (auch nur indirekt) bei ihren Entscheidungen von Dritten beeinflusst oder bestimmt zu werden.«
Bei einer umsatzbezogenen Provision im Marktplatz-Modell von Doc Morris könnte es aber möglicherweise dazu kommen, dass Apotheken in einigen Jahren in wirtschaftliche Abhängigkeiten geraten, beispielsweise wegen einer gestiegenen Marktmacht des Versandkonzerns. Dies sei bereits von anderen Marktplätzen bekannt, etwa booking.com.
Das Urteil hat aus Sicht des Gerichts auch eine Strahlkraft auf die Einführung des E-Rezepts. Denn: »Indem die Abläufe im Gesundheitswesen aufgrund der Einführung des E-Rezepts in naher Zukunft weitaus digitaler sein werden, würden sich die aufgezeigten – möglichen – Entwicklungen am Markt, die der Gesetzgeber gerade verhindern will, nochmals beschleunigen.«
Doc Morris kann gegen dieses Urteil vor dem Oberlandesgericht in Berufung gehen. Eine Stellungnahme der Kammer Nordrhein liegt bislang noch nicht vor. Doc Morris kündigte auf Nachfrage der PZ an, die schriftliche Urteilsbegründung des Landgerichts Karlsruhe zu prüfen und dann zu entscheiden, ob das Unternehmen weitere rechtliche Schritte gehen werde. »Die Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe steht im Widerspruch zu bereits ergangenen Urteilen und auch zu aktuellen Aussagen des Bundesministeriums für Gesundheit. Das Ministerium hat bestätigt, dass bei Nutzung des ausgedruckten E-Rezeptcodes für Versicherte die Möglichkeit besteht, diesen über apothekeneigene Apps, zu denen auch Plattformen zählen, einer Apotheke ihrer Wahl digital bereitzustellen«, teilte Doc Morris mit.