Gentherapie für Kinder mit seltener Erbkrankheit |
Kerstin A. Gräfe |
03.06.2021 07:00 Uhr |
Die Wirksamkeit und Sicherheit wurde in einer Hauptstudie (Studie 201222) nachgewiesen, an der 20 Kinder mit im späten Säuglingsalter oder im frühen Kindesalter aufgetretener MLD teilnahmen. Als primäre Endpunkte waren die ARSA-Aktivität sowie der Index der grobmotorischen Funktionen (GMFM) definiert. Letzterer wird mit einem Wert zwischen 0 und 100 angegeben und misst die Fähigkeit eines sich entwickelnden Kindes, normale Bewegungen wie Krabbeln, Stehen und Laufen auszuführen.
Bei allen Kindern stieg die ARSA-Aktivität innerhalb von drei Monaten nach der Behandlung auf Werte über oder innerhalb des Bereichs für gesunde Kinder an. Nach zwei Jahren betrug der Gesamtscore des GMFM 72,5 in der Gruppe der Kinder mit im späten Säuglingsalter aufgetretener MLD im Vergleich zu 7,4 in Krankenakten von ähnlichen unbehandelten Kindern. Bei Kindern mit im frühen Kindesalter aufgetretener MLD betrug der durchschnittliche Wert zwei Jahre nach der Libmeldy-Behandlung 76,5, während der Wert bei zuvor unbehandelten Fällen bei 36,3 lag.
Der größte Nutzen war bei Kindern festzustellen, die noch keine Krankheitssymptome entwickelt hatten. Bei Kindern, die nicht mehr selbstständig gehen konnten oder eine Verschlechterung der geistigen Fähigkeiten aufwiesen, ließ sich kein Nutzen feststellen.
Eine sehr häufige Nebenwirkung ist die Entwicklung von Antikörpern gegen ARSA. Ebenfalls sehr häufig sind als Folge der Konditionierungsbehandlung mit Busulfan eine niedrige Anzahl weißer Blutkörperchen, mitunter einhergehend mit Fieber, metabolischer Azidose, Stomatitis, Erbrechen, Hepatomegalie, Lebervenen-Verschlusskrankheit und Ovarialinsuffizienz bei Mädchen.
Das Gentherapeutikum Libmeldy® kann als Sprunginnovation eingestuft werden, da es das erste zugelassene Präparat für die metachromatische Leukodystrophie (MLD) ist. Dabei handelt es sich um eine schwere autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung. Libmeldy wird einmalig angewendet. Die Zulassungsstudie zeigt vor allem einen Nutzen von Libmeldy im präsymptomatischen Stadium. Die Patienten hielten laut der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA während der Studiendauer einen ähnlichen Fortschritt aufrecht wie gesunde Probanden. Nicht zu vergessen ist, dass auch einige Kinder mit bereits aufgetretener Symptomatik von der Gentherapie profitierten. Obwohl der Nutzen von Libmeldy mehrere Jahre andauerte, ist noch nicht klar, ob er lebenslang bestehen wird. Sinnvoll ist daher eine Langzeitstudie, die weitere Informationen über Nutzen und Sicherheit dieser Gentherapie zusammenträgt.
Sven Siebenand, Chefredakteur