| Genmutation schützt Gefäße | 
| Johanna Hauser | 
| 29.10.2025 14:00 Uhr | 
 
				
		
	
		Übergewicht erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Träger einer bestimmte Genmutation scheinen aber geschützt zu sein. / © Getty Images/Abdullah Durmaz
Ein wichtiger Faktor bei der Entstehung einer Adipositas ist die Genetik. Es gibt mehrere Gene, die bekanntermaßen das Risiko erhöhen, adipös zu werden. Hierzu zählen etwa Einzelmutationen in Genen des Leptin-Melanocortin-Systems, das die Energiehomöostase zentral steuert. Forschende um Dr. Stefanie Zorn von der Universität Ulm haben nun den Melanocortin-4-Rezeptor (MC4R) und seine Rolle bei der Regulation von Fettstoffwechsel und Körpergewicht genauer unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse wurden kürzlich im Fachjournal »Nature Medicine« veröffentlicht.
MC4R ist an der Regulation des Appetits beteiligt. Menschen mit einer MC4R-Mutation haben kein Sättigungsgefühl. Bereits Kinder haben daher aufgrund eines zügellosen Essverhaltens deutliche Gewichtsprobleme.
Die Forscher nahmen sich in einem ersten Schritt 7719 Personen aus der Genetics-of-Obesity-Studie (GOOS) vor und führten Gensequenzierungen durch. Sie identifizierten 316 Kinder und 144 erwachsene Familienmitglieder, bei denen im MC4R eine Loss-of-function-Mutation, also ein Funktionsverlust, vorlag. Dabei war auffällig, dass die Erwachsenen nicht die erwarteten erhöhten Cholesterol- und Triglyceridspiegel aufwiesen, die ansonsten für Menschen mit Adipositas typisch sind. Auch waren bei ihnen Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht häufiger als bei normalgewichtigen Erwachsenen.
Das Gegenteil war der Fall: Die Probanden hatten niedrigere systolische und diastolische Blutdruckwerte sowie einen niedrigeren Gesamtcholesterol-, LDL-Cholesterol und Triglyceridspiegel. Als Vergleich dienten 336.728 Kontrollen aus der UK Biobank, einer britischen Forschungs- und Analyseplattform.
In einem kleinen klinischen Experiment stellten die Forscher elf MC4R-Genmutationsträger und 15 Erwachsene mit demselben BMI ohne die Mutation gegenüber und kontrollierten die Blutwerte nach einer fetthaltigen Mahlzeit. In der Kontrollgruppe stieg der Triglyceridspiegel auf 156 mmol/l, in der Gruppe mit MC4R-Mutation fiel der Anstieg mit 92 mmol/l deutlich geringer aus.
Eine anschließende Analyse der Gesamtheit der Stoffwechselprodukte (Metabolom) zeigte, dass Personen mit Genmutation eine erhöhte Aktivität der Lipoprotein-Lipase aufwiesen. Dieses Enzym setzt Fettsäuren aus VLDL-Lipoprotein und Chylomikronen frei und ermöglicht so die Speicherung von Triglyceriden in Fettzellen. Die Forscher folgerten, dass dadurch die Triglyceride unter Umgehung von Leber und Muskeln direkt in Fettzellen gespeichert werden.
Durch die niedrigen Cholesterol- und Triglyceridspiegel sind adipöse Menschen mit einer MC4R-Mutation somit stoffwechselgesund. Andere adipositasassoziierte Probleme, beispielsweise Arthrose, bleiben aber bestehen.