Genetik wichtiger als Ernährung |
Theo Dingermann |
22.10.2024 09:00 Uhr |
Wie lange Mäuse leben, hängt nicht nur von der aufgenommenen Kalorienmenge ab, sondern auch von der genetischen Ausstattung, zeigt eine aktuelle Studie. / © Getty Images/tiripero
In den allermeisten Fällen werden in Tierstudien genetisch identische Tiere verwendet. Dies hat den Vorteil, dass Interventionen nicht durch unterschiedliche Genausstattungen gestört werden. Umgekehrt ist ein solches experimentelles Vorgehen mit dem Nachteil verbunden, dass in einem solchen Studiendesign keine Erkenntnisse hinsichtlich des Einflusses individueller Genome auf die Intervention gewonnen werden.
Diesem Manko trägt nun eine große tierexperimentelle Studie Rechnung, in der in erster Linie der Einfluss einer Kalorienrestriktion auf die Lebenserwartung untersucht wurde. Allerdings verwendeten die Forschenden um Dr. Andrea Di Francesco von dem Unternehmen Calico Life Sciences LLC in San Francisco, USA, für ihre Arbeiten nicht genetisch identische Mäuse, sondern genetisch unterschiedliche Mäusen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forschenden kürzlich im Fachjournal »Nature«.
Die Forschenden führten ihre Studie mit 960 weiblichen »Diversity Outbred«(DO)-Mäusen, also Mäusen, die unterschiedliche Genome aufwiesen, durch. Primär untersuchte das Team die Auswirkungen diätetischer Einschränkungen (DE) auf die Gesundheit und Lebensdauer und bildeten dazu fünf Untersuchungsgruppen. Die Tiere der ersten Gruppe konnten beliebig viel (Ad libitum, AL) essen und trinken. In zwei Gruppen wurde den Mäusen eine um 20 Prozent (20 Prozent KR) oder um 40 Prozent (40 Prozent KR) kalorienreduziere Diät angeboten. In den beiden letzten Gruppen erhielten die Mäuse im Sinne eines intermittierenden Fastens an einem Tag der Woche (1D) oder an zwei Tagen der Woche (2D) keinerlei Nahrung.
Die Interventionen begannen, nachdem die Mäuse ein Alter von sechs Monaten erreicht hatten, und dauerten über die natürliche Lebensspanne der Mäuse an. Über 200 Merkmale wurden über die Zeit in zwölf Testgruppen gemessen.
Die Ergebnisse der Studie bestätigen Ergebnisse anderer Untersuchungen, dass sowohl eine Kalorienreduktion als auch intermittierendes Fasten (dazu beitragen, die Lebensspanne zu verlängern. Die größten Effekte wurden dabei in der 40 Prozent KR-Gruppe beobachtet, wobei sich die mittlere Lebensspanne um 36,3 Prozent im Vergleich zur AL-Gruppe verlängerte. Generell war eine Kalorienrestriktion effektiver als ein intermittierendes Fasten.
Allerdings waren diese Maßnahmen auch mit Kompromissen verbunden. So führte beispielsweise eine 40-prozentige Kalorienreduktion, wodurch die Mäuse bis zum Alter von 18 Monaten im Mittel 24,3 Prozent ihres Körpergewichts im Vergleich zum Beginn der Diät verloren, zu einem deutlichen Verlust an fettfreier Körpermasse und zu Veränderungen in den Immunzellpopulationen, was möglicherweise die Anfälligkeit für Infektionen erhöhen könnte.
Darüber hinaus verlängerte das intermittierende Fasten bei Mäusen, die bereits zu Beginn ein hohes Körpergewicht hatten, nicht die Lebensspanne, und zweitägiges Fasten pro Woche störte die erythroiden Zellpopulationen.
Die Lebensdauer war innerhalb der Ernährungsgruppen sehr unterschiedlich, was auf eine starke genetische Komponente hindeutet. Die Forschenden konnten zeigen, dass die Genetik einen größeren Einfluss auf die Lebensdauer hatte als die Einschränkung der Nahrungsaufnahme.
Anscheinend ist ein höheres Gewicht innerhalb einer Diätgruppe paradoxerweise mit einer höheren Lebenserwartung verbunden. Dies deutet darauf hin, dass die Mechanismen, durch die eine bestimmte Diät die Lebenserwartung verlängert, nicht ausschließlich vom Gewichtsverlust oder der dadurch bewirkten Reduktion metabolischer Risikofaktoren abhängen.
Die Beziehung zwischen diätetischen Maßnahmen, gesundheitlichen Ergebnissen und Langlebigkeit sind komplexer als dies bisher vermutet wurde. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, die Endpunkte in Studien zu Maßnahmen, die den Alterungsprozess verlangsamen sollen, sorgfältig abzuwägen.