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Schweizer Streitkräfte

Generäle düpieren eigene Berater bei Reform der Armeeapotheke

In der Schweiz ist ein Streit darüber entbrannt, unter wessen Leitung die dortige Armeeapotheke künftig agieren soll. Mitten in der ersten Coronawelle hatten die Generäle im vergangenen Mai die bis dato der Sanität unterstellte Bundesorganisation dem Logistikstab zugeschlagen, ohne ihre eigenen medizinischen Fachleute an dem Prozess zu beteiligen. Diese fühlen sich übergangen. Kritik kommt aber auch von anderer Seite.
Cornelia Dölger
19.04.2021  09:05 Uhr

Die Coronakrise überfordert viele – Menschen wie auch Institutionen. Derzeit wird in der Schweiz diskutiert, ob die dortige Armeeapotheke zu Beginn der Coronakrise mit der Beschaffung von Schutzmaterial überfordert war und wie dies in Zukunft vermieden werden soll. Viel Kritik gibt es in diesem Zusammenhang an einer internen Umschichtung der Zuständigkeiten. Bis Mai vergangenen Jahres war die Apotheke der Sanitätsabteilung und den dazugehörenden Fachleuten unterstellt. Dann schlug die Armeespitze die Apotheke in einer Art Nacht- und Nebelaktion dem Logistikstab zu, wie in Schweizer Medien berichtet wird. Die »Leistungsfähigkeit der Apotheke« solle damit »weiter gesteigert werden«, hieß es dazu in einer Pressemitteilung der Schweizer Streitkräfte. Zudem seien »die Erkenntnisse aus der aktuellen Corona-Krise« in den Entscheid eingeflossen. Was war passiert?

Entzündet hatte sich das Ganze laut mehreren Medienberichten zu Beginn der Pandemie im vorigen März, als die Armeeapotheke vom Schweizer Bundesrat den Auftrag erhielt, riesige Mengen an Corona-Schutzmasken für die Bevölkerung zu beschaffen, 550 Millionen Stück sollen es gewesen sein. Damit war die Organisation, die als Verwaltungseinheit des Bundes für die Beschaffung von Schutzmaterial zuständig ist, augenscheinlich überfordert; es wurden demnach unter Zeitdruck zu viele Schutzmasken gekauft, obendrein zu überhöhten Preisen und angeblich war auch schlechte Ware darunter.

Dabei war der Auftrag der Schweizer Regierung, per Schutzmasken-Beschaffung beim Kampf gegen Corona mitzuhelfen, für die Armee-Einrichtung wohl wie aus heiterem Himmel gekommen. Zwar obliegt es ihr auch in Nicht-Pandemie-Zeiten, Sanitäts- und Schutzmaterial zu beschaffen – aber nicht in solch großem Ausmaß. Zudem war die Apotheke bis dato überhaupt nicht im Pandemieplan der Regierung aufgetaucht, heißt es.

Personal und Computersysteme den Pandemie-Dimensionen nicht gewachsen

Derart kalt erwischt, hatte sie demnach plötzlich Material im Wert von 150 Mal mehr als üblich zu bestellen, zu lagern und zu verteilen. Bis dahin hatten sich gerade einmal drei Leute um die Materialbeschaffung gekümmert. Auch die Computersysteme sollen den Dimensionen nicht gewachsen gewesen sein. »Wir sind eine zentrale Einkaufsstelle für den Bund. Aber nicht in dem Umfang, wie wir ihn jetzt erlebt haben. Das hat niemand so antizipiert«, sagte der heutige Chef der Armeeapotheke, Daniel Aeschbach, im Nachgang bei einer Pressekonferenz. In Zukunft wolle man sich anders organisieren, kündigte er an, nannte aber keine Details.

Tatsächlich nahm die Umorganisation wohl schon lange vorher ihren Anfang – und es scheint, dass die Pannen bei der Maskenbeschaffung das Ganze bloß noch besiegelt haben. Zwar geht ein Armeesprecher auf Anfrage der PZ nicht auf entsprechende Nachfragen ein, aber dem Vernehmen nach schwelt in der Schweizer Armee seit Jahren ein Machtkampf zwischen dem Chef der Logistikbasis, Divisionär Thomas Kaiser, und Oberfeldarzt Divisionär Andreas Stettbacher, in dessen Einflussbereich die Armeeapotheke bis Mai 2020 stand. Schon ab 2018, so berichtete es die Armee im Mai, sei geprüft worden, ob eine Änderung der Unterstellung sinnvoll sei.

Schweizer Bundesrat verteidigt Änderung der Zuständigkeiten

Warum diese Überlegungen überhaupt angestellt wurden, thematisierte sie in ihrer entsprechenden Mitteilung nicht. In einer Stellungnahme zu einem entsprechenden Vorstoß aus der sozialdemokratischen Fraktion erklärte der Schweizer Bundesrat vergangenen November aber, dass die Unterstellung der Armeeapotheke unter die Sanität von vornherein eine vorübergehende Lösung gewesen sei und die Neuordnung »seit einiger Zeit mit den verschiedenen involvierten Stellen diskutiert« wurde. »Aufgrund der aktuellen Lage wurde dieser Prozess nun beschleunigt, um sicherstellen zu können, dass die Armeeapotheke ihre Funktionsfähigkeit behält und sie ihre neuen Aufgaben zugunsten der Schweizerischen Bevölkerung sicherstellen kann«, heißt es vom Bundesrat. Die Armeeapotheke habe ihr Beschaffungsvolumen vervielfacht, womit auch »das Volumen der Bewirtschaftung und Verteilung von medizinischen Gütern gestiegen« sei. »Ziel ist es, dass die Armeeapotheke in der Krise und auch künftig die gewünschten Leistungen zur richtigen Zeit am richtigen Ort erbringen kann.« Dafür sei die Logistikbasis »mit ihren etablierten Prozessen die beste Partnerin«.

Dass die Pläne ausgerechnet mitten in der Coronakrise in die Tat umgesetzt wurden – was die Armeepotheke aus dem pharmazeutisch-fachlichen in ein rein logistisches Umfeld katapultierte –, stößt dennoch vielerorts auf Unverständnis. Offenbar seien die Pannen bei der Maskenbeschaffung als Räuberleiter genutzt worden, um bei der Umstrukturierung zugunsten des Logistikchefs zu entscheiden, heißt es. Im Zuge dessen wurde überdies auch der Chef der Armeeapotheke, Apotheker Heinz Moll, abgesetzt und gegen den jetzigen Chef, Oberst Dan Aeschbach, einen Veterinär, ausgetauscht.

Medizinerkommission als wichtige Stimme aus der Praxis

Düpiert von dem Vorgang fühlen sich zudem weitere Beteiligte, wie etwa die Aargauer Zeitung berichtet. Demnach gibt es einen honorigen Medizinerkreis, der vom Schweizer Bundesrat eingesetzt wurde und der üblicherweise für weitergehende medizinisch-politische Einschätzungen zurate gezogen wird. Diese außerparlamentarische Eidgenössische Kommission für Militär- und Katastrophenmedizin (EKMK), bestehend aus zwölf schweizweit anerkannten Medizinerinnen und Medizinern verschiedener Fachrichtungen sowie Psychologen und Pflegefachleuten, wurde laut dem Zeitungsbericht nicht in die Entscheidung der Generäle einbezogen.

Dabei gelten gerade diese Experten als wichtige Stimme aus der Praxis, die sich täglich mit der Bekämpfung der Pandemie beschäftigen. Befragt wurden sie aber bei dieser Entscheidung nicht, was EKMK-Präsident Jörg Leuppi, Lungenfacharzt aus Basel, scharf kritisiert. »Nein, man hat uns offiziell nicht nach unserer Meinung gefragt. Man war offenbar nicht daran interessiert«, sagte Leuppi laut Aargauer Zeitung. Für ihn sei nicht nachvollziehbar, dass »die Armeeapotheke ein reines Logistikunternehmen ist«, so Leuppi.

Wie etwa in einem Krankenhaus arbeiteten auch in einer Apotheke die Gesundheitsfachleute zusammen, sagte Leuppi weiter. Der fachliche Austausch im Alltag sei wichtig, »um die bestmöglichen Resultate zu erzielen und Fehler und Fehlentwicklungen zu verhindern«. Dass die Apotheke von der Sanität abgekoppelt werde, führe dazu, dass dieser Austausch schwierig werde oder ganz ausfalle. Wichtig sei, dass die Armeeapotheke im Ernstfall in der Lage sei, Arzneimittel selbst herzustellen, etwa Antibiotika. »Ein reiner Logistikbetrieb ist dazu nicht in der Lage«, sagte Leuppi. »Es braucht die ganze Truppe.«

Kritik auch aus der Politik

Dem stimmt unter anderem die Schweizer Nationalrätin Franziska Roth zu. In einem schriftlichen Vorstoß  an den Bundesrat forderte die Sozialdemokratin Mitte März, die Neuunterstellung der Armeeapotheke von unabhängiger Seite prüfen zu lassen. »Die Armeeapotheke muss die Bedürfnisse der Bevölkerung, des koordinierten Sanitätsdienstes und der Armee im pharmazeutischen Bereich im Krisenfall abdecken können«, heißt es in ihrer Eingabe. Umso wichtiger sei, dass die Organisation der Armeeapotheke »höchsten Ansprüchen im Sicherheits- und Qualitätsbereich genügt«. Bislang hat sich der Bundesrat laut Parlamentswebsite mit dem Thema noch nicht beschäftigt.

 

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