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Antibiotic Stewardship

Gegen Resistenzen ankämpfen

Antibiotika werden zu häufig und oft zu ­lange eingesetzt – und mitunter sogar ohne richtige Indikation. Zunehmende Resistenzbildung bei Bakterien ist die Antwort. Doch es gibt zu wenig ernsthafte Bemühungen, die Verordnung zu rationalisieren. Ein wichtiger Ansatz sind Antibiotic-Stewardship-Maßnahmen, an denen Apotheker maßgeblich mitarbeiten.
AutorEdith Bennack
Datum 02.02.2020  08:00 Uhr

Im September 1998 fanden sich in Kopenhagen 400 Delegierte zusammen, um im Auftrag der Europäischen Union zu überlegen, wie man gemeinsam gegen die immer größer werdende Gefahr der Antibiotika-Resistenzen vorgehen könne. Leider haben die Regierungen diese Empfehlungen nicht wirklich ernst genommen und wenig unternommen. Heute ist die Lage ernst.

Die forschenden Pharmaunternehmen haben sich aus der Entwicklung neuer Antibiotika nahezu komplett zurückgezogen, während immer neue resistente Bakterien für beunruhigende Schlagzeilen sorgen. Viele nachgewiesenermaßen sinnvolle Maßnahmen werden zu selten umgesetzt, da sie (noch) nicht zwingend in allen Institutionen vorgeschrieben sind. Dazu gehört auch Antibiotic Stewardship (ABS), also das nachhaltige Bemühen medizinischer Institutionen um die Verbesserung einer rationalen Verordnungspraxis von Antiinfektiva (1).

Eine deutsche Übersetzung des Begriffs gibt es bislang nicht. »Stewardship« kann hier am ehesten mit »Verantwortung« übersetzt werden, die sich auf den Umgang mit Antibiotika bezieht. Weitergebildete, interdisziplinäre Teams sollen unter Berücksichtigung lokaler Resistenzdaten und mithilfe von Benchmark-Instrumenten optimale Therapien festlegen, damit möglichst erregergerecht therapiert werden kann.

Von der Kopenhagen-­Konferenz bis DART 2020

Viele Fachleute sehen die Kopenhagener Konferenz als Startpunkt von ABS an, weil hier das Thema erstmalig strukturiert auf eine europaweite Agenda gesetzt wurde. Die Experten empfahlen damals den Aufbau europäischer Überwachungssysteme (Surveillance-Systeme), das Sammeln von ­Daten über den Verbrauch von Antibiotika, die Förderung von Maßnahmen zum umsichtigen Gebrauch sowie die Ermunterung der Industrie, neue Antiinfektiva zu entwickeln.

In Deutschland hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) 2015 die Deutsche Antibiotika-Strategie »DART 2020« veröffentlicht. Bei kritischer Lektüre der formulierten Ziele zeigt sich, dass darin keine wirklich neuen Ideen gegenüber den 17 Jahre vorher veröffentlichten »Kopenhagener Vorschlägen« zu finden sind.

Im 4. Zwischenbericht des BMG aus dem Jahr 2019 zu DART 2020 bleibt von dem markigen Akronym, das wohl Entschlossenheit und Zielstrebigkeit suggerieren wollte, nicht viel übrig. Vielmehr findet man dort die ernüchternde Erkenntnis, »obwohl im ambulanten Bereich etwa 85 % aller Antibiotika verschrieben werden, gibt es hier bisher kein dem stationären Bereich vergleichbares Surveillance-System für den Antibiotikaverbrauch, das einen strukturierten Feedback-Mechanismus enthält«.

Um dies zu erreichen, müsste das Infektionsschutzgesetz geändert werden. Dieses sieht nämlich im § 23 (»Nosokomiale Infektionen; Resistenzen; Rechtsverordnungen durch die Länder«) in Absatz 3 vor, dass Einrichtungen wie Krankenhäuser, Rehakliniken, Tageskliniken und (Zahn-)Arztpraxen dafür zu sorgen haben, dass dort nosokomiale Infektionen verhindert werden und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern zu vermeiden ist. Leider gelten aber die nachfolgend aufgeführten Verpflichtungen zur Erfassung des Antibiotikaverbrauchs und dessen Bewertung »unter Berücksichtigung der lokalen Resistenzsitu­ation« sowie zur »sachgerechten Schlussfolgerung hinsichtlich des Einsatzes von Antibiotika« dann nur noch für Krankenhäuser, Einrichtungen für ambulantes Operieren sowie Vorsorge- oder Reha-Einrichtungen, nicht aber für Arztpraxen (§ 23 Satz 4).

Anstrengungen in den Krankenhäusern

Die deutschen Krankenhäuser betreiben inzwischen großen Aufwand, um ihre Verbrauchsdaten zu Antibiotika zu erfassen, Resistenzstatistiken miteinzubeziehen sowie Schulungen und hausinterne Leitlinien zu erstellen. Mit einer gehörigen Portion Idealismus ­arbeiten ABS-Teams daran, in ihren Einrichtungen einen verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika zu ­implementieren. Genau das sieht die S3-Leitlinie »Strategien zur Sicherung rationaler Antibiotika-Anwendung im Krankenhaus« vor (2).

Die Leitlinie empfiehlt für diese vielfältigen Aufgaben ein Stellenkontingent von 0,5 Vollzeitstellen pro 250 Betten. Da dies nur eine Empfehlung ist und es zurzeit keine von Bund oder Ländern bereitgestellte Finanzierung dafür gibt, fehlen diese Stellen in den allermeisten Häusern. Nach der Leitlinie sollte ein ABS-Team aus mindestens zwei Mitgliedern bestehen, die entweder Infektiologen, infektiologisch weitergebildete Fachärzte, weitergebildete Apotheker, Mikrobiologen oder Krankenhaushygieniker sind.

In Zeiten scheinbar knapper wirtschaftlicher Ressourcen fällt es schwer, den wirtschaftlichen Nutzen solcher Maßnahmen zu belegen. Jedoch haben viele Untersuchungen gezeigt, dass ABS-Maßnahmen zweifellos nützlich sind zur Verringerung der Therapie­dauer und einer leitliniengerechteren Behandlung der Patienten. So zeigte ein systematischer Review der Cochrane-Library nach Datenauswertung von mehr als 29.000 Patienten, dass in Krankenhäusern mit ABS-Team die Leitlinienadhärenz höher ist als in solchen ohne ABS-Team und die Antibiotika-Therapien im Schnitt um zwei Tage kürzer sind (9,1 versus 11,0 Tage) (3).

Es ist aber nicht das alleinige Ziel, die absolute Zahl der Antibiotika-­Gaben zu verringern. Gleichzeitig muss das Geeignetste ausgewählt werden, was auch ein Mehr an täglichen Gaben bedeuten kann. Ein Beispiel ist die dreimal tägliche intravenöse Gabe von Meropenem, einem sehr breit wirksamen Carbapenem, das zu den Reserve-Antibiotika gezählt wird, gegenüber einer kombinierten Gabe von Cefuroxim plus Metronidazol, jeweils dreimal täglich intravenös. Während das ­Carbapenem nur dreimal pro Tag infundiert wird, schlägt die Cefuroxim/Metronidazol-Gabe, die ein viel engeres Bakterienspektrum abdeckt, mit insgesamt sechs Dosen/Tag zu Buche. Jedoch ist Letztere wegen des erheblich geringeren Resistenzdrucks sicher in vielen Fällen die besser geeignete Therapie. Bizarr allerdings sind die ­Tagestherapiekosten: für die Meropenem-Gabe etwa 7 Euro pro Tag, für die kombinierte Cefuroxim/Metronidazol-Gabe etwa das Doppelte!

Das Bestreben, möglichst eng zu therapieren, wird leider dadurch stark eingeschränkt, dass eine Substanz wie Penicillin G mit ihrem schmalen und manchmal völlig ausreichenden Spek­trum gegen Streptokokken bei dreimaliger Gabe pro Tag mehr als 20 Euro kostet. Zudem gibt es für diese Sub­stanz in Deutschland nur einen Anbieter.

Bei PAP ansetzen

Ein wichtiger Ansatzpunkt zur Verringerung der Antibiotika-Gaben ist die Perioperative Antibiotika-Prophylaxe (PAP). Würde man sie in den Krankenhäusern konsequenter handhaben, könnte allein damit jede zehnte Antibiotika-Gabe eingespart werden.

Perioperative Prophylaxe bedeutet eine einmalige Antibiotika-Gabe eine Stunde »vor Schnitt«, also vor einem operativen Eingriff (Wiederholung nur bei längerer Operationsdauer und hohem Blutverlust während der OP) ­Dabei wird das Antibiotikum danach ausgewählt, welche Keime bei der anstehenden Intervention zu erwarten sind. Meist sind dies Hautkeime wie Staphylokokken und Streptokokken sowie typische Keime im Operationsgebiet, beispielsweise Darmbakterien bei einer Bauch-OP wie einer Blinddarmentfernung. Häufig werden Erst- oder Zweitgenerations-Cephalosporine mit oder ohne Metronidazol gegeben, in einigen Fällen auch Vancomycin (MRSA-Besiedelung im Eingriffsgebiet), Aminoglykoside oder andere.

Die Prophylaxe soll postoperative Infektionen verhindern, die aus dem Eintrag der entsprechenden Bakterien in den Körper/die Blutbahn resultieren können. Häufig wird die Antibiotika-Gabe aber auch nach der OP für einen oder mehrere Tage fortgesetzt. Dann ist es keine Prophylaxe mehr, sondern entspricht der »Therapie einer nicht vorhandenen Erkrankung«.

Eine Punktprävalenzstudie aus dem Jahr 2011 an 947 europäischen Krankenhäusern belegte, dass alleine 16 Prozent der Antibiotika in Krankenhäusern auf die PAP entfallen (in Deutschland 19 Prozent) (4). 59 Prozent der zur PAP gegebenen Antibiotika wurden für mehr als einen Tag verordnet (in Deutschland 70 Prozent). 2016 wurde diese Studie mit 1209 europäischen Krankenhäusern wiederholt (4a). Auf europäischer Ebene zeigte sich eine leichte Abnahme auf 14 Prozent aller Antibiosen zur PAP, wobei noch immer 54 Prozent für mehr als einen Tag gegeben werden. In Deutschland scheinen die Bemühungen Früchte zu tragen. Zwar werden mit 15,7 Prozent immer noch mehr Antibiosen als im europäischen Durchschnitt für die chirurgische Prophylaxe verwendet, jedoch »nur« noch 45 Prozent über einen Zeitraum von mehr als einen Tag.

Dass den Patienten kein Schaden entsteht, wenn man die einmalige Gabe einhält, belegte unter anderem eine Studie von 2019 (5). Sie zeigte im Gegenteil, dass die Gefahr für Clostri­dioides-Infektionen (früher Clostridium difficile) mit jeder zusätzlichen Gabe weiter zunimmt, bei gleichbleibend niedrigem Risiko für postoperative ­Infektionen.

Probleme im ambulanten Bereich

In Krankenhäusern arbeiten viele Fachleute, darunter viele Apotheker, bereits intensiv an ABS-Maßnahmen. Doch wie ist die Situation in den ambulanten Praxen und welche Schwierigkeiten stellen sich dem Apotheker bei der Beratung?

Drei große Themen des Antibiotic Stewardship beherrschen die Verordnung von Antibiotika in den Arzt­praxen. Somit haben diese auch eine ­große Bedeutung für die Apotheker, die diese Verschreibungen beliefern.

Es sind:

  • Verordnung mit oder ohne Angabe der Therapiedauer,
  • zu häufige Verschreibung von Oral­cephalosporinen und Makroliden,
  • Leitlinienadhärenz oder: Ist eine Antibiotika-Gabe überhaupt nötig?

Therapiedauer möglichst verkürzen

Bei der Verordnung eines Antibiotikums erhält der Patient häufig die Anweisung, alle Tabletten in der Packung einzunehmen; das entspricht einer Therapie über meist sieben bis zehn Tage.

Eine Vielzahl von Studien belegt, dass dies keinesfalls immer nötig ist, zum Beispiel bei der ambulant erworbenen Pneumonie (7). Hier reichten fünf Therapietage gegenüber einer vom Arzt bis zu dessen Ermessen weitergeführten Therapie aus. Allerdings sollte der Patient bei Therapieende zwei Tage fieberfrei sein.

Das »Dogma«, dass eine zu kurze Antibiotika-Gabe Resistenzen befördert, verkehrt sich unter der dramatisch zunehmenden Resistenzsitua­tion in ihr Gegenteil (8). Eine zu lange Gabe erhöht den Resistenzdruck, ­indem die »guten« Bakterien auf der Haut und im Magen-Darm-Trakt durch eine unangemessen lange Antibiose Resistenzen gegen diese Wirkstoffe entwickeln. Sie verändern ihr genetisches Profil und können so zu gefährlichen Keimen mutieren.

In der Praxis erweist es sich als problematisch, dass viele Leitlinien nicht aktuell überarbeitet sind und die An­gaben zur Dauer der Antibiose noch immer den »Sicherheitszuschlag« be­inhalten.

Allerdings muss man auch sagen, dass noch mehr Untersuchungen nötig sind, um mehr Verordnungssicherheit zu erhalten. Gerade bei den Weichteilinfektionen, Erysipelen oder diffusen Hautinfektionen mit Rötung, Erwärmung und Schmerzen – also der typischen Entzündungstrias – fällt es schwer, sich für eine kürzere Therapie zu entscheiden.

Die Entscheidung erleichtern können Laborparameter wie das C-reaktive Protein (CRP). Ein CRP-Anstieg charakterisiert bakterielle Infektionen, und ein Absinken zeigt verlässlich an, dass die akute Infektion überwunden ist. Eine regelmäßige CRP-Kontrolle hilft, eine antibiotische Therapie unter Umständen abzukürzen.

Antibiose ja, nein oder ­vielleicht doch?

Betrachtet man diese Erkenntnisse im Kontext mit den Ergebnissen einer europaweiten Umfrage unter verschreibenden Ärzten aus dem November 2019, verdichtet sich der Eindruck, dass die Einnahmehinweise eher einem ­Sicherheitsbedürfnis der Ärzte sowie der Erwartungshaltung der Patienten geschuldet sind (9). So antworteten von 116 in Deutschland teilnehmenden Ärzte auf die Frage, wie oft sie in der letzten Woche ein Antibiotikum verordnet hätten, was weniger Zeit in Anspruch genommen hätte als den Patienten darüber aufzuklären, dass das eigentlich gar nicht nötig sei, knapp 10 Prozent mit »mindestens einmal«. Die überwiegende Mehrzahl antwortete allerdings mit »nie«. Ebenso haben 10 Prozent ein Antibiotikum verordnet, um die Beziehung zum ­Patienten aufrechtzuerhalten.

Es ist hinreichend bekannt, dass ­gerade in der Winterzeit die meisten Infektionen viral bedingt sind und eigentlich keiner Antibiose bedürfen. Nun ist der Apotheker in der schwierigen Situation, dass er nicht gegen die Empfehlung des Arztes beraten darf. Den Vorteil, den die Krankenhäuser mit der täglichen Messung der Laborparameter haben, haben niedergelassene Ärzte nicht oder machen keinen Gebrauch davon. Es wäre in der Tat mit viel Beratung verbunden, einem Patienten zu erklären, dass er zunächst ­keine Antibiose bekommt und bei Verschlechterung der Symptome wieder in die Praxis zur Re-Evaluation kommen soll, um das weitere Vorgehen zu bestimmen.

So kann der Apotheker die Chance nutzen, den Patienten vor dem Arzt­besuch dahingehend zu beraten, dass eine Antibiose bei einer Sinusitis oder Bronchitis nicht sofort notwendig ist, sondern erst, wenn Fieber und/oder grünlich verfärbter Auswurf hinzukommen. Selbst bei Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) ist bei einer Exazerbation eine Antibiose meist nicht indiziert, ist sie doch mit der Gefahr einer vermehrten Kolonisation mit Pseudomonas aeruginosa assoziiert (10).

Wer braucht ein Antibiotikum – und wenn ja, welches und wie lange? COPD-Patient mit Exazerbation / Foto: Fotolia/M.Drr & M.Frommherz
Wer braucht ein Antibiotikum – und wenn ja, welches und wie lange? Patientin mit Harnwegsinfekt / Foto: Adobe Stock/Oleksandr
Wer braucht ein Antibiotikum – und wenn ja, welches und wie lange? Erysipel im Gesicht / Foto: Your Photo Today

Welches Antibiotikum ist richtig?

Auch die Auswahl der verordneten ­Antibiotika kann der Offizinapotheker kaum beeinflussen. Laut Versorgungsatlas der GKV (11) waren die Oralcephalosporine (Cefuroxim und andere) 2018 mit etwa 90 Verordnungen pro 1000 Versicherten immer noch Spitzenreiter und lagen fast gleichauf mit den Basispenicillinen (Amoxicillin), gefolgt von den Makroliden mit etwa 80 Verordnungen pro 1000 Versicherten.

Sowohl Oralcephalosporine wie auch Makrolide sucht man allerdings in den Leitlinien der klassischen Indikationen wie Harnwegsinfekte, Bronchitis, Sinusitis, Haut- und Weichteilinfektionen vergeblich als Antibiotika der ersten Wahl. Allenfalls bei nachgewiesenen Penicillin-Allergien werden Makrolide beispielsweise bei der ambulant erworbenen Pneumonie als alternative Therapieoption genannt.

So werden die meisten Infektionen im Kopf-Hals-Bereich von Streptokokken verursacht. Dagegen ist Amoxicillin sehr gut wirksam und damit meist ausreichend. Sind Staphylokokken die verursachenden Bakterien, liegt häufig auch eine Verletzung der Haut vor. Staphylokokken finden sich in großer Zahl auf der Haut. Gelangen sie durch eine Wunde in den Organismus, können sie eine Entzündung auslösen. Häufig liegt dann aber auch ein Eintrag mehrerer Bakterien vor, zum Beispiel bei einem Insektenstich, einer Schürfwunde oder Bissverletzung. Da hier zusätzlich von gramnegativen Keimen auszugehen ist, wählt man gleich ein breiter wirksames Antibiotikum, zum Beispiel die Kombination aus Amoxicillin und Clavulansäure.

Der Ester Sultamicillin, der laut Fachinformation oral in einer Dosierung von zweimal täglich 750 mg empfohlen wird, ist aber viel zu niedrig dosiert und wird in keiner Leitlinie empfohlen. In der Leitlinie der ambulant erworbenen Pneumonie wird sogar ausdrücklich von seiner Anwendung abgeraten (12).

Die Liebe zu oralem Cefuroxim ist schwer zu verstehen. Es ist im Gramnegativen nicht so gut wirksam und aufgrund seiner schlechten Bioverfügbarkeit von 40 bis 50 Prozent keine optimale Substanz.

Makrolide sind selten Mittel der Wahl

Laut Versorgungsatlas (11) gehen die ambulanten Verordnungen von Makroliden zurück, behaupten aber noch immer einen guten dritten Platz. Nur bei wenigen Erkrankungen sind sie Mittel der Wahl, zum Beispiel Azithromycin bei der Gonorrhoe, wobei steigende Resistenzen zu beachten sind. Makrolide haben verglichen mit Betalactamen eine schlechtere Wirksamkeit im grampositiven Bereich und sind im Gramnegativen gegen Gonokokken, Moraxella und Meningokokken wirksam. Ihre Stärke liegt eindeutig bei atypischen Keimen; sie sind sehr gut wirksam ­gegen Chlamydien, Legionellen und Mykoplasmen.

Bezüglich der Compliance ist eine Substanz, die man nur drei Tage einnimmt (Azithromycin mit 500 mg) und die dank der langen Halbwertszeit mindestens sieben Tage in therapeutischer Dosis im Körper verbleibt, natürlich optimal. Allerdings darf man das Nebenwirkungspotenzial der Makrolide nicht außer Acht lassen. Sie verlängern die QT-Zeit am Herzen, was unter anderem bei gleichzeitiger Gabe von trizyklischen Antidepressiva problematisch werden kann. Ebenso besteht die Gefahr einer Rhabdomyolyse bei gleichzeitiger Einnahme von Makroliden (CYP3A4-Inhibitor) und Simvastatin oder Lovastatin, die beide über CYP3A4 verstoffwechselt werden.

Der Apotheker müsste eigentlich über diese schwerwiegenden Wechselwirkungen informieren. Allerdings ist das kaum möglich, ohne die Compliance des Patienten zu verschlechtern; sehr wahrscheinlich setzt er eigenmächtig eines der Arzneimittel ab – was auch keine gute Lösung ist. Eine Option: ihn darauf hinzuweisen, dass er beim Auftreten von Muskelschmerzen zum Arzt gehen soll. Schwieriger ist dann jedoch die Beratung zur QT-Zeit-­Verlängerung.

Gegenseitige Akzeptanz fördern

Keinesfalls kann und darf der Apotheker die Verschreibung des Arztes vor dem Patienten in Zweifel ziehen. Das gefährdet die Compliance. Außerdem überschreitet der Apotheker damit ­seine Kompetenzen, da er ja keine ­Diagnostik getätigt hat.

So bleibt nur der Versuch, mit dem Arzt zusammen zu überlegen, wie man die Therapie im Sinne des Patienten suffizienter gestalten kann. Hier würden gemeinsame Fortbildungen sicher helfen, fördern sie doch die gegenseitige Akzeptanz. Ein Beispiel sind die von der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI) oder anderen Institutionen angebotenen ABS-Kurse.

Auch muss sich der Apotheker immer bewusst sein, dass er mit einer Empfehlung, die der des Arztes zuwiderläuft, gefährliches Terrain betritt. Hier hat es der Apotheker im Krankenhaus häufig deutlich leichter, denn er kann den Patienten sehen, seine Laborwerte über das Krankenhaus-Informationssystem abrufen und mit dem Arzt gemeinsam überlegen, welche Therapie die beste ist. Auch das Steuerungselement der »Sonderanforderung« ist im Krankenhaus hilfreich. Hier kann bei der Stationsbestellung festgelegt werden, dass bestimmte Antibiotika nur von Oberärzten freigegeben werden können. Bei einer solchen Anforderung kann der Apotheker nachforschen, ob es einen mikrobiologischen Erregernachweis gibt, und in den direkten ­Dialog mit dem Arzt treten. Unter ­Umständen kann er die Therapie mit ­beeinflussen.

Auch die Zahl der Clostridioides-­difficile-Infektionen lässt sich im Krankenhaus herausfinden. Zu diesen im schlimmsten Fall lebensbedrohlichen schwersten Durchfallerkrankungen kann es schon nach einmaliger Gabe eines Antibiotikums kommen. Außerhalb des Krankenhauses ist es schwierig bis unmöglich, diese Kausalität ­herzustellen.

Fazit

Bis heute gibt es zu wenig ernsthafte Bemühungen, die Antibiotika-Verordnungen zu rationalisieren. Das ist aber vor dem Hintergrund einer relativ leeren Antibiotika-Pipeline und einer sehr angespannten Resistenzsituation, vor allem in osteuropäischen und asiatischen Ländern, zwingend notwendig. Resistente Bakterien kennen keine Landesgrenzen und gelangen auf vielfältigen Wegen auch in unsere Regionen und Krankenhäuser.

Verbessert werden müssen die Anstrengungen vor allem im ambulanten Sektor, in dem Antibiotic-Stewardship-Maßnahmen nicht zwingend vorgeschrieben sind. Gleichwohl ist die kompetente Begleitung jeder Antibiose auch eine pharmazeutische Aufgabe.

Krankenhausapotheker haben hier oft bessere Möglichkeiten, mit den verordnenden Ärzten zu diskutieren und diese zum Beispiel auf die korrekte ­perioperative Prophylaxe oder Schmalspektrum-Antibiotika hinzuweisen. Offizinapothekern bleibt oft nur der Weg, Patienten zu informieren, bei welchen Indikationen Antibiotika überhaupt angezeigt sind. Ebenso können sie sie über Nutzen und Risiken dieser Wirkstoffe aufklären, Wechselwirkungen überprüfen und sie vor einer eigenmächtigen Einnahme warnen. Gerade Reisende sollten wissen, dass sie im Ausland keine (verschreibungsfreien) Antibiotika kaufen und zu Hause für den »Bedarfsfall« einlagern sollten.

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