Gefahr von Forschungs-Chemikalien wird unterschätzt |
Die wirksame Dosis ist bei den neuen synthetischen Opioiden nicht weit entfernt von der tödlichen Dosis. Gefährlich wird auch Misch- und Beikonsum. / © Getty Images/SPmemory
Ein 19-Jähriger in Hessen, ein 17-Jähriger in Bayern und weitere Fälle im Bundesgebiet: Seit einigen Monaten werden vermehrt Todesfälle mit sogenannten Forschungschemikalien in Verbindung gebracht. Allein in Bayern berichtete das Landeskriminalamt Anfang Februar von mindestens sieben Fällen binnen eines halben Jahres. Zuletzt seien weitere Tote hinzugekommen, sagte eine Sprecherin, ohne eine Zahl zu nennen. Die Behörden sind alarmiert, in einigen Bundesländern werden drastische Warnungen veröffentlicht.
Es handelt sich um ganz verschiedene synthetische Stoffe mit psychoaktiver Wirkung, die als Rauschmittel missbraucht werden. Sie werden auch als »Research Chemicals« bezeichnet und können oft einfach in Onlineshops gekauft werden. Laut Bundeskriminalamt (BKA) ist die Bezeichnung irreführend. Hauptsächlich gehe es den Herstellern darum, über die hochpotenten Wirkstoffe hinwegzutäuschen und eine Haftung auszuschließen. Ähnliches gilt für Kräutermischungen, die als Ersatz für Cannabis-Produkte gelten wie sogenanntes Badesalz, das ähnlich wie Kokain oder Amphetamine wirkt. Sie alle gelten als neue psychoaktive Stoffe.
Was genau aktuell zu Vergiftungen führt, ist bisher nicht abschließend klar. Die EU-Drogenagentur EUDA beobachtet inzwischen mehr als 1000 neue psychoaktive Stoffe. »Das ist ein klassisches Problem des Schwarzmarkts: Es sind viel mehr Stoffe im Umlauf als analysiert werden können«, sagt Esther Neumeier von der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht. Bei vielen aktuellen Vergiftungsfällen fehlten zudem toxikologische Gutachten.
Klar sei aber, dass die Gruppe der Nitazene beteiligt sei, so Neumeier. Das sind neue synthetische Opioide, von denen viele hochpotent sind und stärker wirken als Heroin. Unter den 2024 EU-weit knapp 50 neu gemeldeten Substanzen waren laut EUDA etwa die Hälfte Nitazene. Die andere Hälfte waren synthetische Cannabinoide. Aus BKA-Sicht hat sich das Problem im vergangenen Jahr verstärkt, da insbesondere gefährliche synthetische Opioide in Umlauf gekommen seien.