Full House bei den CAR-T-Zelltherapien |
Kerstin A. Gräfe |
13.10.2022 07:00 Uhr |
Wie bei anderen CAR-T-Zelltherapeutika besteht das Risiko eines potenziell lebensbedrohlichen Zytokin-Freisetzungssyndroms (CRS). Dieses kann mit dem Interleukin-6-Rezeptorantagonisten Tocilizumab behandelt werden. Tocilizumab oder eine geeignete Alternative müssen beim Einsatz von Breyanzi vorrätig sein.
Auch ansonsten gelten für Breyanzi die Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen, die es bei der Anwendung anderer CAR-T-Zelltherapien zu beachten gilt. Dies betrifft zum Beispiel neurologische Toxizitäten, die gleichzeitig mit einem CRS, nach dem Abklingen eines CRS oder auch ohne CRS auftreten können. Sie äußern sich in Enzephalopathie, Tremor, Aphasie, Delir, Schwindel und Kopfschmerzen. Bei Bedarf sollen unterstützende Maßnahmen und/oder Corticosteroide angewendet werden.
Auch unter Breyanzi wurde im Zusammenhang mit einem CRS eine febrile Neutropenie beobachtet. In diesem Fall ist auf eine Infektion zu untersuchen und je nach medizinischer Indikation mit Breitbandantibiotika, Flüssigkeitszufuhr und anderen supportiven Maßnahmen zu behandeln.
Bei Patienten, die CAR-T-Zelltherapien erhalten, kann ein Tumorlysesyndrom (TLS) auftreten. Um das TLS-Risiko zu minimieren, sollten Patienten mit erhöhten Harnsäurespiegeln oder einer hohen Tumorlast vor der Infusion von Breyanzi Allopurinol oder eine alternative Prophylaxe erhalten.
Nach der Infusion werden die Patienten engmaschig auf Anzeichen und Symptome eines möglichen CRS, neurologischer Ereignisse und anderer Toxizitäten überwacht. Dies sollte in der ersten Woche zwei- bis dreimal erfolgen, danach liegt die Häufigkeit im Ermessen des Arztes. Die Überwachung sollte jedoch für mindestens vier Wochen nach der Infusion fortgesetzt werden. Während des gesamten Zeitraums sollten die Patienten in der Nähe eines qualifizierten Behandlungszentrums bleiben.
Breyanzi soll Patienten mit klinisch signifikanten aktiven Infektionen oder entzündlichen Erkrankungen nicht verabreicht werden. Gegebenenfalls sind prophylaktisch Antimikrobiotika gemäß den Standardleitlinien der Einrichtung zu verabreichen. Eine Impfung mit Lebendimpfstoffen sollte für mindestens sechs Wochen vor Beginn der Chemotherapie zur Lymphozytendepletion, während der Behandlung und bis zur Erholung des Immunsystems nach der Behandlung nicht erfolgen.
Die Anwendung von Breyanzi bei Schwangeren oder bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, wird nicht empfohlen. Bei Neugeborenen von behandelten Müttern sollte die Untersuchung der Immunglobulinspiegel und der B-Zellen in Erwägung gezogen werden. Stillende Frauen sollten über das potenzielle Risiko für das gestillte Kind informiert werden.
Die Zulassung stützt sich auf die Ergebnisse der Studie TRANSCEND. Sie untersuchte Lisocabtagen maraleucel bei erwachsenen Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem DLBCL, PMBCL und FL3B. Von 216 behandelten Patienten, bei denen die Wirksamkeitsdaten ausgewertet werden konnten, erreichten 73 Prozent ein Ansprechen, darunter 53 Prozent der Patienten mit einem kompletten Ansprechen und 19 Prozent mit einem teilweisen Ansprechen. Die durchschnittliche Ansprechdauer betrug 20 Monate bei allen Patienten, die angesprochen hatten, und 26 Monate bei Patienten mit komplettem Ansprechen.
Die häufigsten Nebenwirkungen aller Schweregrade waren Neutropenie, Anämie, CRS, Ermüdung und Thrombozytopenie.
Das Prinzip der CAR-T-Zelltherapie ist nicht mehr neu. Breyanzi® ist mittlerweile das fünfte CAR-T-Zelltherapeutikum auf dem Markt. Der chimäre Antigenrezeptor richtet sich gegen das Oberflächenantigen CD19 auf B-Zellen. Unter anderem die beiden seit einigen Jahren verfügbaren CAR-T-Zelltherapeutika Kymriah® und Yescarta® haben ebenfalls dieses Ziel. Auch das Einsatzgebiet dieser drei Präparate ist ähnlich.
Dennoch kann Breyanzi vor allem wegen eines Aspektes vorläufig als Schrittinnovation gesehen werden: Anders als es in der Fachinformation von Kymriah® und Yescarta® beschrieben ist, ist die Überwachung nach der Infusion von Breyanzi nämlich nicht ganz so streng geregelt. Während der Arzt bei den älteren Therapeutika eine zehntägige Hospitalisierung in Betracht ziehen soll und gehalten ist, die Patienten täglich auf ein mögliches Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS), neurologische Ereignisse und anderer Toxizitäten zu überwachen, sollten die Patienten nach Breyanzi in der ersten Woche nur zwei- bis dreimal in einem Behandlungszentrum dahingehend überwacht werden. Ein ambulanter Einsatz von Breyanzi ist also wahrscheinlicher und die Nebenwirkungen sind tendenziell auch etwas milder, allerdings immer noch vorhanden und keineswegs zu unterschätzen.
Die bisherigen Wirksamkeitsdaten von Breyanzi sind vielversprechend. Wie lange die Wirkung tatsächlich anhält, muss sich noch zeigen. Ebenso darf man gespannt sein, ob die CAR-T-Zelltherapie möglicherweise auch schon in früheren Therapielinien zum Einsatz kommen sollte.
Sven Siebenand, Chefredakteur