Früherkennung für die Leber gefordert |
Daniela Hüttemann |
28.07.2020 09:00 Uhr |
Ein ungesunder Lebenstil und Viren können der Leber zusetzen. Sie leidet jedoch lange Zeit still. Ärzte fordern daher ein Früherkennungsprogramm für Leberschäden. / Foto: Getty Images/RyanKing999
Die Leber ist ein stiller Arbeiter– so beschreibt es die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) anlässlich des Welt-Hepatitis-Tages am 28. Juli. Ihre vielfältigen und lebenswichtigen Aufgaben – allen voran die Entsorgung von Schad- und Giftstoffen, aber auch die Speicherung von Kohlenhydraten und Vitaminen – erledigt die Leber, ohne dass wir etwas davon bemerken.
Sie leidet aber auch still, betont die Fachgesellschaft: »Lebererkrankungen verlaufen meist über lange Zeit hinweg schmerz- und symptomlos«, erklärt Professor Dr. Frank Lammert, Präsident der DGVS und Direktor der Klinik für Innere Medizin II am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg. Zu Beginn weisen höchstens unspezifische Symptome wie Müdigkeit auf ein Problem mit der Leber hin. »Das Problem der Lebererkrankungen ist deshalb eines, das viel zu wenig wahrgenommen und deutlich unterschätzt wird – viele Betroffene wissen überhaupt nicht, wie schlecht es um ihr größtes inneres Organ steht«, fügt Professor Dr. Heiner Wedemeyer, Mediensprecher der DGVS und Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie an der Medizinischen Hochschule Hannover, hinzu.
Häufigste Ursache für Lebererkrankungen hierzulande sei eine ungesunde Ernährung. Jeder vierte Deutsche sei mittlerweile von einer nicht-alkoholischen Fettleber betroffen. Andere Gründe sind übermäßiger Alkoholkonsum, die Einnahme bestimmter Medikamente, Infektionen mit Hepatitis-Viren oder genetische Faktoren. Vor allem Hepatitis-B und -C-Infektionen seien immer noch häufig – und bleiben oft lange unerkannt.
Egal, warum sich die Leber entzündet: Unbehandelt können Vernarbungen (Fibrosen) entstehen, die sich zur Leberzirrhose ausweiten können. In Deutschland werden laut DGVS derzeit rund 300.000 Menschen mit Leberzirrhose behandelt – Schätzungen gehen jedoch davon aus, dass es mindestens weitere 500.000 Betroffene gibt, die noch nichts von ihrer Zirrhose wissen. »Die durchschnittliche Lebenserwartung dieser Patienten ist zehn bis 20 Jahre niedriger als die der Gesamtbevölkerung«, betont Lammert. Denn mit der Zirrhose steige auch das Risiko für ein Leberversagen oder die Entwicklung von Leberkrebs.
Solch fulminanten Verläufe seien umso tragischer, da Leberschäden oft vollständig umkehrbar seien – sofern sie rechtzeitig entdeckt werden. »Eine reine Leberverfettung, erste fibrotische Veränderungen und selbst frühe Stadien der Leberzirrhose sind gut therapierbar«, betont die Fachgesellschaft. Gegen Virushepatitiden gibt es mittlerweile eine Reihe gut wirksamer Medikamente. »Deshalb hätte die Früherkennung von Lebererkrankungen ein großes Potenzial«, so Lammert. »Spätfolgen wie Leberversagen und Leberkrebs könnten in vielen Fällen vermieden werden. Jedoch nur, wenn rechtzeitig einer Therapie begonnen wird.«
Als Lösung schlägt die DGVS ein strukturiertes Früherkennungsprogramm vor. Wie dieses aussehen könnte, werde zurzeit in der SEAL-Studie (Strukturierte Früh-Erkennung einer Asymptomatischen Leberzirrhose) in Rheinland-Pfalz und im Saarland untersucht. Ziel sei es, eine valide Datengrundlage zu schaffen, um die Bestimmung der Leberwerte als festen Bestandteil in den »Check-up 35« aufzunehmen. Auf diese Vorsorgeuntersuchung haben alle gesetzlich Versicherten ab dem 35. Geburtstag alle drei Jahre Anspruch.
»Patienten, die zur Vorsorge gehen, vertrauen darauf, dass sie mit dem Check-up 35 ein umfassendes Präventionsangebot erhalten. Ein Check der Leberwerte sollte eigentlich dazugehören – ist jedoch derzeit nicht Bestandteil der Untersuchung«, kritisiert Lammert.
Die Leberexperten empfehlen dabei folgendes Vorgehen: »Stellt der Hausarzt auffällige Leberwerte fest, überweist er an einen Facharzt, der eine weitergehende Diagnostik einleitet. Wenn sich bei dieser Gewebeveränderungen zeigen, muss therapeutisch gegengesteuert werden – im Fall der nicht-alkoholischen Fettleber durch eine Lebensstiländerung, bei Virusinfektionen der Leber medikamentös.« Die SEAL-Studie soll noch bis Dezember 2020 laufen. Dann werten Wissenschaftler aus, bei wie vielen Teilnehmern durch die Untersuchung Leberschäden frühzeitig erkannt werden konnten. Anschließend hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) zu entscheiden, ob der Leber-Frühcheck zur Kassenleistung wird.
»Wirksame Prävention erspart Betroffenen leidvolle Krankheiten und kann hohe wirtschaftliche Folgekosten, die durch die Behandlung fortgeschrittener Erkrankungen entstehen, vermeiden«, betont Wedemeyer. »Die Erfolgsgeschichte der Darmkrebsfrüherkennung in Deutschland ist hierfür ein Beispiel und es ist Ziel der DGVS, diese Erfolgsgeschichte auch für Lebererkrankungen fortzuschreiben.«