Frühe Vorbereitung lohnt sich |
Bei einem gut laufenden Betrieb besteht die Chance, dass erfahrene angestellte Approbierte die Apotheke übernehmen. / Foto: imago images / Westend61
Die Bevölkerung in Deutschland wird immer älter, die Generation der »Babyboomer« geht demnächst in den Ruhestand – das wirkt sich auch auf die Apotheken aus. Nach Angaben der ABDA erreichen bis zum Jahr 2030 etwa 44 Prozent der heutigen Apothekenleiter das Rentenalter. Das deckt sich mit Zahlen der Treuhand Hannover: Suchen derzeit jährlich 500 bis 600 Offizinen Nachfolger, wird in den nächsten Jahren fast jede zweite Inhaberin oder jeder zweite Inhaber aus Altersgründen den Betrieb abgeben. »Ungefähr die Hälfte von ihnen wird Schwierigkeiten haben, einen Nachfolger zu finden«, prognostiziert Klaus Kieselhorst, Leiter »Marktentwicklung« bei der Treuhand Hannover.
Die Folge ist bekannt: Immer mehr Apotheken müssen für immer schließen. Im vergangenen Jahr sank die Zahl der Betriebsstätten nach Angaben der ABDA bundesweit um 393 auf 18.068. Allein im ersten Halbjahr dieses Jahres verringerte sie sich um weitere 238 und erreichte mit 17.830 einen neuen Tiefstand. Und den existierenden Betrieben machen gestiegene Kosten, Personalmangel und Bürokratie zu schaffen.
Grund, den Kopf in den Sand zu stecken, gibt es laut Treuhand Hannover dennoch nicht. »Wenn der Betrieb gut läuft und der nachhaltige Ertrag stimmt, stehen die Chancen für einen Verkauf der Apotheke gut«, weiß Kieselhorst. »Wichtig ist, sich rechtzeitig vor dem geplanten Wechsel in den Ruhestand mit dem Thema zu befassen«, rät er. Also mindestens zwei bis drei Jahre vor der gewünschten Betriebsabgabe. Der Leiter Marktentwicklung empfiehlt außerdem, die »Kennzahlen der Apotheke« zu prüfen. Also alles zu tun, um den Betrieb so rentabel wie möglich zu machen.
Wie das geht, weiß Jutta Degenhardt, Leiterin »Betriebswirtschaftliche Abteilung« bei der Treuhand Hannover. »Es gibt viele Stellschrauben, an denen man drehen kann. Sinnvoll ist beispielsweise, jede Kostenposition auf den Prüfstand zu stellen«, empfiehlt sie. Angefangen von Raum- und Nebenkosten über Ausgaben für Personal und Marketing bis hin zu Kfz-Kosten – Inhaber sollten sich die Zahlen genau ansehen und beispielsweise berechnen, wie viel Personal sie wirklich brauchen.
Es lohne sich, selbst kleine Positionen wie Ausgaben für Abos unter die Lupe zu nehmen und zu überlegen, ob es Einsparmöglichkeiten gibt. Häufig gebe es »viel Kleinvieh«, das in der Summe aber kräftig zu Buche schlagen könne. Sinnvoll könne es auch sein, in Absprache mit den Aufsichtsbehörden die Öffnungszeiten anzupassen, also in Randzeiten früher zu schließen oder an Samstagen nicht zu öffnen. Pauschale Empfehlungen gebe es nicht, da müssten Inhaber selbst kreativ werden. »Wichtig ist, dass der Betrieb attraktiv ist«, betont Degenhardt. In keinem Fall sollte man sich darauf verlassen, dass die potenzielle Nachfolgerin oder der potenzielle Nachfolger es schon richten werde.
Außerdem sei es ratsam, aktiv zu werden und zu prüfen, ob es Interessenten für eine Übernahme gibt. »Gute Beziehungen sind Voraussetzung, wenn es darum geht, erfolgreich einen Nachfolger zu finden«, weiß Degenhardt. Könne eine Apotheke nicht an die Tochter oder den Sohn weitergegeben werden, sei der häufigste Fall, dass angestellte Apotheker den Betrieb übernehmen. Das biete viele Vorteile, da Angestellte die übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und den Betrieb bereits kennen, also quasi ihren eigenen Arbeitsplatz kaufen. »Machen Sie den Approbierten Lust darauf, Ihre Apotheke zu übernehmen. Und fragen Sie rechtzeitig vor dem geplanten Verkauf einfach mal nach, ob Interesse besteht«, rät Degenhardt.
Je nach Ertragskraft und Lage der Apotheke sei es auch wichtig, einen angemessenen Preis festzulegen und Interessenten nicht durch zu hohe Forderungen abzuschrecken. So ergab die jüngste Apobank-Analyse zu Existenzgründungen, dass die Kaufpreise im vergangenen Jahr enorm auseinanderklafften: Zahlte demnach etwa ein Drittel der Existenzgründenden für die eigene Apotheke 600.000 Euro oder mehr, brachte jeder Zehnte für den Kauf weniger als 50.000 Euro auf. Denn abgesehen von der Rentabilität eines Betriebs spielten beim Kauf viele weitere Faktoren eine Rolle, erläutert Treuhand-Experte Kieselhorst. So seien viele Apotheken auf dem Land sehr rentabel, aber hätten dennoch große Schwierigkeiten, einen Nachfolger zu finden. »Viele Existenzgründer wollen schlicht nicht in ländliche Regionen«, weiß Kieselhorst. »Schon aus dem Grund, weil sie dort nur mit Mühe eine Vertretung finden.« Gebe es dennoch eine Interessentin oder einen Interessenten für eine Übernahme, ist es aus Sicht der Treuhand-Experten ratsam, diese nicht durch überzogene Preisforderungen zu vergraulen.
Immer häufiger kommt es vor, dass Filialverbünde Einzelapotheken kaufen, berichtet Kieselhorst. Nach Angaben der Apobank wurde im vergangenen Jahr bei Übernahmen ein Drittel der Apotheken (29 Prozent) an einen Verbund abgegeben. Laut ABDA gab es 2022 insgesamt 4713 Filialapotheken, während die Zahl der Einzelapotheken auf 13.355 sank. Im Jahr 2005 verzeichnete die Statistik noch 20.248 Einzelapotheken, 2010 waren es noch knapp 18.000.
Entsteht in einem Ort oder Viertel ein neuer attraktiver Standort wie beispielsweise neben einem Ärztehaus, kann sich auch die Gründung einer Apotheke lohnen. Das bleibt jedoch die Ausnahme. Denn hierzulande werden immer seltener Apotheken neu eröffnet – das zeigen Zahlen der ABDA. Gab es 1995 noch 372 Neueröffnungen, waren es im vergangenen Jahr nur noch 68. Im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden 34 Offizinen neu gegründet. Dass Neugründungen mittlerweile die Ausnahme sind, belegt auch die jüngste Analyse der Apobank. Demnach übernahmen im vergangenen Jahr die meisten Existenzgründenden eine bereits bestehende Apotheke. Lediglich drei Prozent wählten für den Einstieg in die Selbstständigkeit eine komplette Neugründung.