Frühe Hinweise auf Diabetes, Hypertonie und Demenz |
Brigitte M. Gensthaler |
15.05.2025 15:30 Uhr |
Die optische Kohärenztomografie (OCT) erlaubt die Darstellung der einzelnen Netzhautschichten in höchster Auflösung. / © BVA/Berufsverband der Augenärzte
»Veränderungen der Netzhautstrukturen können Hinweise auf Diabetes mellitus, Bluthochdruck oder neurodegenerative Prozesse wie die Alzheimer-Erkrankung liefern«, berichtete Professor Dr. Frank G. Holz, Vorsitzender der Stiftung Auge, gestern bei einer Online-Pressekonferenz der Stiftung. Diese Veränderungen seien häufig schon zu erkennen, lange bevor die Betroffenen klinische Symptome bemerken. »Die Netzhaut ist wie ein diagnostisches Fenster in den Körper.«
Die Untersuchung der Netzhaut erfolge mit hochauflösenden bildgebenden Verfahren wie der optischen Kohärenztomografie (OCT, siehe Kasten) oder der digitalen Fundusfotografie (Aufnahmen des Augenhintergrunds), berichtete der Direktor der Universitäts-Augenklinik Bonn.
Hiermit könnten kleinste Veränderungen der Gefäßstruktur sichtbar gemacht werden, die bei Hypertonie etwa in Form von Gefäßverengungen und kleinen Einblutungen in die Netzhaut oder bei Diabetes als Mikroaneurysmen, intraretinale Blutungen und Schwellung der Makula auffallen. »Oft sind Augenärzte die ersten, die einen Hochdruck feststellen«, sagte Holz. Schwellungen der Makula könnten auf ein diabetisches Makulaödem hinweisen.
Auch bei neurodegenerativen Erkrankungen gebe es strukturelle Auffälligkeiten in der Netzhaut. »Bei Morbus Alzheimer wurden unter anderem eine Reduktion der Kapillardichte in der Netzhaut und eine Verdünnung von Netzhautschichten gefunden. Es sind Veränderungen sowohl vaskulärer als auch neuronaler Bestandteile der Netzhaut mit der Erkrankung assoziiert«, erklärte Holz.
Die Augenuntersuchung könne den Weg bahnen für spezielle invasive Untersuchungen. »Denkbar ist eventuell sogar ein Screening auf frühe Alzheimer-Demenz.« Die Netzhaut mit ihren Millionen von Nervenzellen könne als peripheres Abbild zentralnervöser Prozesse verstanden werden und messbare Hinweise auf sehr frühe Alzheimer-Veränderungen liefern. »Kognitive Einschränkungen korrelieren mit Netzhautveränderungen.«
Allerdings ist die Netzhaut-Untersuchung als Screening in Deutschland keine Krankenkassenleistung; sie wird nur bei gezielten Fragestellungen gemacht. Für Holz ist klar: »Ein breitflächiges Screening muss finanziert werden.«
Die OCT ist ein nicht invasives Verfahren, mit dem sich transparente und semitransparente Materialien berührungslos tomografisch untersuchen lassen. Sie liefert tiefenaufgelöste Schnittbilder und volumetrische Darstellungen mit einer Eindringtiefe von mehreren Millimetern und einem Auflösungsvermögen im einstelligen Mikrometerbereich. Das Verfahren ermöglicht die sekundenschnelle Diagnose des Augenhintergrunds, wird aber auch außerhalb der biomedizinischen Diagnostik eingesetzt.