Fremdbesitz durch die Hintertür |
| Alexander Müller |
| 22.07.2024 16:00 Uhr |
PTA als Apothekenleitung? Diese im ApoRG geplante Möglichkeit ist nach Einschätzung von Rechtsexperten der erste Schritt zur Aufweichung des Fremdbesitzverbots. / Foto: Imago/imagebroker
Im Entwurf zum Apothekenreformgesetz (ApoRG) ist vorgesehen, dass PTA vorrübergehend in einer Apotheke vertreten dürfen, sofern ein Approbierter aus dem Filialverbund digital zugeschaltet werden kann. Diese Option der Videokonferenz ändert aus Sicht des Kammerjuristen Ulrich Laut aber nichts an der Tatsache, dass die Leitung de facto jemand anderes hat.
Die Entscheidung, einen Apotheker oder eine Apothekerin hinzuzuziehen, liege dann nämlich in der Verantwortung des pharmazeutischen Personals. »Dies bedeutet, dass zunächst ein Problem erkannt und nicht gelöst werden kann, bevor ein Apotheker hinzugezogen wird. Wird aber das Problem nicht erkannt, wird auch kein Apotheker hinzugezogen«, fasst Laut zusammen. Er ist nicht überzeugt, dass sich die Notwendigkeit einer Konsultation für jeden Einzelfall im Qualitätsmanagementsystem abbilden lässt.
Derzeit ist Voraussetzung für die Betriebsbereitschaft einer Apotheke die körperliche Anwesenheit eines Apothekers. Der Verstoß hiergegen ist gemäß § 36 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) bußgeldbewährt. »Wenn der Verordnungsgeber ein Verhalten, das er zunächst unter Strafe stellt, nicht nur straffrei stellen will, sondern sogar erlauben will, bedarf es hierfür einer belastbaren Begründung«, so Laut. Juristisch ausgedrückt: Den Verordnungsgeber trifft eine Darlegungspflicht.
Rechtsanwalt Ulrich Laut, Hauptgeschäftsführer der Landesapothekerkammer Hessen / Foto: LAK Hessen
Werde der Betrieb ohne Approbierte nun erlaubt, führe das zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast, so Laut. Der Gesetzgeber müsse dann erklären, warum die Apotheke ohne Apotheker nicht für einen längeren Zeitraum möglich sein soll. Es geht letztlich um die Verhältnismäßigkeit des verfassungsrechtlichen Eingriffs in Artikel 12 GG der Berufsausübungsfreiheit des pharmazeutischen Personals. Wenn das Vertretungsrecht grundsätzlich besteht, habe das pharmazeutische Personal einen Anspruch darauf, dies auch dauerhaft zu tun, so Laut.
Der Kammerjurist geht in seiner verfassungsrechtlichen Analyse auch auf § 2 Abs. 6 ApBetro ein, wonach sich ein Apothekenleiter schon heute bis zu vier Wochen im Jahr von einem Apotheker-Assistenten oder Pharmazieingenieur vertreten lassen darf. Diese Vorschrift habe erkennbar einen Ausnahmecharakter, schon mit Blick auf die zeitliche Begrenzung und die Anzeigepflicht gegenüber der Behörde. Und: Beide Berufsbilder werden nicht mehr ausgebildet, sodass sich das Thema irgendwann von alleine erledigt. Der Gesetzgeber hat hier Laut zufolge insofern einen Kompromiss gefunden.
Wenn aber pharmazeutisches Personal dauerhaft eine Apotheke betreiben darf, gibt es Laut zufolge keinen Rechtsgrund mehr, die Betriebserlaubnis der Berufsgruppe der Apotheker vorzubehalten. Damit entfiele der Berufsträgervorbehalt und nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) könne jeder eine Betriebserlaubnis erhalten, der entsprechendes Personal beschäftigt. »Kurzum, der Fremdbesitz wäre eingeführt«, so Laut.
Weil das zusätzlich »Strahlungswirkung« auf Krankenhausapotheken hätte, die dann ebenfalls ohne Approbation betrieben werden dürften, sieht Laut eine generelle »Entwertung der Berufsausübung der Apotheker«. In nächster Konsequenz würden vermutlich die staatlichen Kosten für die Ausbildung reduziert, sei es über die Anzahl der Studienplätze oder das Verlagern an eine Fachhochschule.
Lauts Fazit: »Das temporäre Betreiben einer Apotheke ohne körperliche Anwesenheit eines Apothekers führt letztlich dazu, dass Apotheken durch pharmazeutisches Personal oder Dritte, die das notwendige Personal beschäftigen, betrieben werden dürfen.« Die ABDA müsse, auch unter Berücksichtigung des Gutachtens von Ex-Verfassungsrichter Udo Di Fabio, alles unternehmen, dies zu verhindern.