Frauenärzte begrüßen Beibehaltung der Rezeptpflicht |
Daniela Hüttemann |
24.01.2024 16:30 Uhr |
Der Berufsverband der Frauenärzte verweist auf die umfassende ärztliche Aufklärung in Verhütungsfragen. / Foto: Adobe Stock/Pixel-Shot
»Die Entlassung von Desogestrel aus der ärztlichen Verschreibungspflicht und damit auch aus der ärztlichen Beratung, Aufklärung und weiteren Begleitung wäre für Anwenderinnen mit vermeidbaren Risiken behaftet«, meint Dr. Klaus Doubek, Präsident des Berufsverbands der Frauenärzte (BVF). In Deutschland habe jede gesetzlich Krankenversicherte aus gutem Grund Anspruch auf eine ärztliche Verhütungsberatung, begleitende notwendige medizinische Untersuchungen und gegebenenfalls die Arzneimittel-Verschreibung.
Dabei heißt es auf der BVF-eigenen Website www.frauenaerzte-im-netz.de zur Minipille, diese rein Gestagen-haltigen Präparate würden im Allgemeinen gut vertragen. Normalerweise treten keine schweren Nebenwirkungen auf. Bisher sei keine Risikoerhöhung für Thrombosen oder Krebs durch die Minipille festgestellt worden. Trotzdem sei eine individuelle fachärztliche Beratung wichtig.
In einer aktuellen Pressemitteilung begründet der BVF dies so: »Aufgrund der pharmakologischen Eigenschaften von Desogestrel bestehen dennoch spezielle Erfordernisse an die Anamnese samt Erfassung von Kontraindikationen sowie Aufklärung über spezifische Nebenwirkungsprofile und Risiken.« Als Beispiele führt er Frauen mit Diabetes oder Bluthochdruck an, die zu Risikopersonen zählen würden. Zu den Gegenanzeigen gehören unter anderem geschlechtshormonabhängige Tumoren, Leberfunktionsstörungen und ungeklärte vaginale Blutungen.
»Ein geringfügig erhöhtes Brustkrebs-Risiko trifft möglicherweise auch für die Desogestrel-Pille zu«, schreibt der BVF. »Auch wenn das Gesamtrisiko insgesamt gering ist, erfordert dies zumindest die fachärztliche Erhebung einer Risikoanamnese der Patientin sowie der Patientenaufklärung.«
In Großbritannien, wo Desogestrel 75µg seit 2021 nicht mehr verschreibungspflichtig ist, werden genau diese Risikofaktoren durch die Apotheken abgefragt – liegt ein solcher Risikofaktor vor, wird die Frau an den Gynäkologen verwiesen. Alle anderen Frauen bekommen die Minipille rezeptfrei. Die britischen Apotheker fragen dabei auch nach der Einnahme weiterer Medikamente, um mögliche Wechselwirkungen wie mit Johanniskraut abzuwägen.
Apothekern dürfte unverständlich sein, warum sie nicht zu Wechselwirkungen, dem Umgang mit möglichen Nebenwirkungen, dem möglichen Auftreten von vermehrten oder auch ausbleibenden Monatsblutungen und vor allem zu den Einnahmehinweisen beraten können sollen. Denn auch damit argumentiert der Frauenärzte-Verband, dass es einer sorgfältigen Beratung und Begleitung durch eine Frauenärztin oder einen Frauenarzt bedürfe, »um über Schwachstellen der kontrazeptiven Sicherheit aufzuklären, die in manchen Situationen bestehen und einer zusätzlichen Methode der Schwangerschaftsverhütung bedürfen (zum Beispiel Beginn der Tabletteneinnahme ohne Präparatewechsel, Einnahmeverzögerung von mehr als zwölf Stunden, bei gastrointestinalen Beschwerden mit verminderter Wirkstoffaufnahme)«.
BVF-Präsident Doubek betont: »In Deutschland haben Mädchen und Frauen einen sehr guten Zugang zu Verhütungsmitteln und zu einer fundierten ärztlichen Verhütungsberatung«. Die Maßnahme der Rezeptfreiheit würde keine bestehenden Probleme hinsichtlich Sexualaufklärung oder Zurückhaltung beim Zugang zu medizinischer Versorgung lösen beziehungsweise könnte diese Probleme noch verschärfen.
Sollte die rezeptfreie Verfügbarkeit eines Arzneimittels den regelmäßigen Gang zum Facharzt (weiter) reduzieren, berge das zudem Risiken für unentdeckte geschlechtsspezifische Krankheiten oder sexuell übertragbare Infektionen, die undiagnostiziert und unbehandelt bleiben.