»Frauen leiden überproportional an seltenen Erkrankungen« |
Alexandra Amanatidou |
29.09.2025 16:00 Uhr |
Für mehr Digitalisierung warb Anne-Kathrin Klemm, Vorständin beim BKK-Dachverband. Denn auch dank der elektronischen Patientenakte (ePA) könnten mehr Daten gesammelt und analysiert werden. So können Warnsignale erkannt und Patientinnen und Patienten rechtzeitig an Zentren für Seltene Erkrankungen (ZSEs) oder Expertinnen und Experten verwiesen werden. ZSEs sind Anlaufstellen für Betroffene und betreuende Ärztinnen und Ärzte sowohl bei unklaren Diagnosen mit Verdacht auf eine seltene Erkrankung als auch bei gesicherter Diagnose einer seltenen Erkrankung.
»Die Zentren müssen noch ein bisschen lauter werden und mit uns in den Dialog kommen«, sagt Heinemann aus dem BMG. Laut dem Versorgungsatlas für Menschen mit Seltenen Erkrankungen gibt es momentan 36 Zentren in Deutschland. Diese hätten in den vergangenen Jahren große Schritte gemacht und an den meisten Standorten eine Grundfinanzierung bekommen, sagt Corinna Grassamen, Direktorin der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsmedizin Mainz. Jedoch sei der personelle Aufwand enorm.
Laut Karin Maag, unparteiisches Mitglied im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), wäre es nicht leistbar, wenn alle Patientinnen und Patienten nur in diesen Zentren behandelt wären. »Wir brauchen auch Ideen, wie die Behandlung aussehen könnte«, sagt sie. Anderer Meinung ist Hempel vom Universitätsklinikum Heidelberg: »Jeden Betroffenen muss der Zugang zu diesen Zentren ermöglicht werden. Somit könnten sie sich das Ärztehopping sparen.«
Frauen mit seltenen Erkrankungen sehen sich nicht nur mit den gesundheitlichen Folgen der Krankheit, sondern auch mit gesellschaftlichen und sozialen Problemen konfrontiert. Zudem können sie von seltenen Erkrankungen nicht nur als Patientinnen, sondern auch als Mütter, Schwestern oder Partnerinnen betroffen sein.
In solchen Fällen müssen sie Pflegearbeit leisten. »Als Pflegeperson werden Frauen oft als hysterische Partnerin wahrgenommen«, so Gertraud Stadler, Leiterin der Geschlechterforschung in der Medizin (GiM) der Charité. »Familien und Frauen mit seltenen Erkrankungen haben weniger Gesundheitskompetenz. Am wenigsten Ressourcen haben diejenigen, die am meisten betroffen sind«, so Stadler.
Hempel glaubt, dass mehr Frauen in Führungspositionen für mehr Empathie im Gesundheitswesen sorgen könnten. Auch der Kontakt zu anderen Betroffenen könne ermutigend wirken, so Großmann. »Als Frau mit einer seltenen Erkrankung habe ich Resilienz entwickeln müssen.« Immer wieder musste sie für sich und andere Betroffene aufstehen.