Fit für die OP? |
Christina Hohmann-Jeddi |
04.01.2024 18:00 Uhr |
Durch ein wenig mehr Bewegung im Alltag im Vorfeld einer Gelenkersatz-Operation kann man die Komplikationsrate senken. / Foto: Adobe Stock/Seventyfour
Etwa 400.000 künstliche Hüft- und Kniegelenke setzen Ärztinnen und Ärzte in Deutschland jedes Jahr ein. Darauf wiesen Experten der Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik (AE) im Rahmen ihres Kongresses im Dezember in Leipzig hin. »Die Eingriffe stellen relevante Belastungen für den Körper dar«, sagte Privatdozent Dr. Stephan Kirschner, Präsident der AE und Direktor der Klinik für Orthopädie in den ViDia Kliniken in Karlsruhe.
Je fitter der Patient sei, desto leichter könne er mit diesen umgehen. Da der größte Teil der endoprothetischen Operationen geplant sei, könne der Patient den Zeitraum davor nutzen, um sich nach dem Motto »better in, better out« auf den Eingriff vorzubereiten, sagte Kirschner. Ähnlich wie bei Vorbereitungen auf den Skiurlaub seien schon in vier bis sechs Wochen relevante Verbesserungen zu erreichen.
Dabei ginge es darum, vor der OP zunächst möglicherweise vorliegende Grunderkrankungen wie Diabetes in den Griff zu bekommen, einen vollständigen Medikationsplan vorweisen zu können und einen gesunden Lebensstil einzuhalten. So könne durch den Verzicht auf kritische Mengen Alkohol und Nikotin vier bis sechs Wochen vor dem Eingriff das Risiko für Komplikationen jeweils um etwa 50 Prozent reduziert werden. Kritische Mengen seien bereits ab einer täglichen Trinkmenge von 0,5 bis 0,6 l Bier oder 0,3 l Wein für Männer und 0,25 bis 0,3 l Bier oder 0,15 l Wein bei Frauen erreicht und bei fünf gerauchten Zigaretten am Tag.
Auch vermehrte körperliche Bewegung vor der Gelenkersatz-OP wirke sich positiv aus, sagte Kirschner. Dafür reiche es aus, mehrfach am Tag in Bewegung zu sein, eventuell spazieren zu gehen oder ein paar Stockwerke zu laufen. Gut sei hier die Kombination aus Bewegung und anschließendem tiefen Atmen, um die Lungenfunktion zu verbessern.
Zudem seien eine Anämie, Mangelernährung und ein Vitamin-D Mangel kurzfristig gut in den Griff zu bekommen. Etwas schwieriger gestalte es sich aber bei Patienten mit Sarkopenie, einem altersbedingten, verstärkten Muskelabbau und entsprechender Schwäche, diese fit für die Operation zu bekommen. Bei ihnen lohne es sich aufgrund des erhöhten Komplikationsrisikos, die Vorbereitungsphase zu verlängern.
Vor Gelenkersatz-Operationen würden Patienten in der Regel in der behandelnden Klinik auf diese Prärehabilitationsmaßnahmen aufmerksam gemacht. Die Verantwortung liege aber letztlich bei der Patientin oder dem Patienten selbst. Mit ein paar kleinen Änderungen des Lebensstils könnten schon erhebliche Verbesserungen der eigenen Ausgangssituation erreicht werden. »Da möchte ich jeden bitten, dass er diese Chance wahrnimmt«, sagte der Mediziner.
Vor Gelenkersatz-Operationen stelle sich zudem häufig die Frage, ob man ein Gelenk nach dem anderen oder besser beide Gelenke gleichzeitig operieren lassen soll. Denn gerade bei Arthrose seien bei den Patienten häufig Knie- oder Hüftgelenke auf beiden Seiten von der Erkrankung betroffen, sagte Professor Dr. Robert Hube von der Orthopädischen Chirurgie München (OCM) und angehender Präsident der AE.
»In einer Operation beide Gelenke zu behandeln, hat viele Vorteile: Man hat nur eine Operation, eine Narkose, einen Krankenhausaufenthalt und eine Rehabilitation.« Man spare quasi drei Monate Lebenszeit, zudem seien die Kosten für das Gesundheitssystem und die Arbeitsausfallzeiten geringer als bei zwei Eingriffen.
Lange wurde dies in Deutschland nicht wahrgenommen, weil die Rückerstattung für die Krankenhäuser deutlich geringer war als bei zwei Operationen zu unterschiedlichen Zeitpunkten, sagte der Mediziner. Inzwischen sei aber eine Anpassung erfolgt.
Zu vertreten sei eine bilaterale Versorgung nur, wenn sich die Komplikationsrate dadurch nicht erhöhe, machte Hube deutlich. Dies könne durch ein erfahrenes, hoch spezialisiertes interdisziplinäres Operationsteam, ein geeignetes perioperatives Management und eine gute Patientenselektion realisiert werden.
Die bilaterale Versorgung sei für Patienten unter 75 Jahren und ohne gravierende Komorbiditäten geeignet. Neben schwerer Adipositas nannte Hube hier schwere Herz-, Nieren- und Lebererkrankungen, die die Komplikationsrate erhöhen könnten. In mehreren Studien konnte das Team um Hube zeigen, dass unter den genannten Bedingungen die Komplikationsrate bei ein- und bei beidseitiger Versorgung vergleichbar ausfiel.
Motorische Schwierigkeiten nach der beidseitigen Versorgung fielen dabei nicht größer aus als nach der einseitigen, sagte Hube. »Nach zwei Tagen nivelliert sich das erstaunlicherweise vollständig.« In eigenen Studien habe man kaum Unterschiede in der Funktionalität gesehen zwischen Patienten die ein beziehungsweise zwei Gelenke ersetzt bekommen hatten.