Fieber als Nebenwirkung |
Arzneimittel können dazu führen, dass die Körpertemperatur ansteigt. Nicht immer sind an dieser Reaktion Pyrogene beteiligt. / Foto: Getty Images/Westend61
Fieber ist eine oft übersehene Arzneimittelnebenwirkung. Wie häufig ein sogenanntes Drug Fever auftritt, ist nicht ganz klar; die Häufigkeit variiert je nach Studienlage und den untersuchten Patientengruppen. Als Auslöser infrage kommen etwa Antibiotika – insbesondere β-Lactame und Sulfonamide –, Antikonvulsiva, Zytostatika und Antiarrhythmika.
Ärzte können Fieber als Nebenwirkung einer Pharmakotherapie in Betracht ziehen, wenn das Fieber trotz Behandlung nicht abklingt. Oft handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose. Hinweise können ein ausbleibender Anstieg der Herzfrequenz (relative Bradykardie) und ein spezifisches Fiebermuster (remittierend oder intermittierend) geben. Auch kann Drug Fever von Symptomen wie Hautausschlag begleitet sein.
Bei einer erhöhten Körpertemperatur ist eine Infektion in der Regel die naheliegendste Ursache. Dabei schütten Monozyten und Makrophagen nach Kontakt mit den Erregern endogene Pyrogene aus, darunter Interleukin-1 und -6, Interferone und Tumornekrosefaktor(TNF)-α. Die Entzündungsmediatoren veranlassen im Hypothalamus, dass Prostaglandin E2 durch Cyclooxygenasen produziert wird. An dieser Stelle greifen Antipyretika wie nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) und Paracetamol an.
Prostaglandin E2 erhöht als fieberauslösendes Agens im Hypothalamus den Sollwert für die Körpertemperatur. Ein unphysiologischer Anstieg der Körpertemperatur dagegen ist die Hyperthermie. Im Gegensatz zum Fieber bleibt hier der Sollwert der Körpertemperatur unverändert. Die Temperatur steigt, weil die körpereigenen Regulationssysteme überlastet sind, etwa bei langanhaltender, extremer Hitze oder infolge gestörter Kontrollmechanismen, beispielsweise nach einem Schädel-Hirn-Trauma. Während Fieber eine gezielte Reaktion des Körpers ist, kann bei einer Hyperthermie die Temperatur immer weiter ansteigen, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Da endogene Pyrogene bei der Hyperthermie nicht beteiligt sind, wirken Antipyretika nicht.
Der Begriff »Arzneimittelfieber« ist nicht eindeutig, da er sowohl für eine Temperaturerhöhung verwendet wird, die auf die klassische Fieberkaskade zurückgeht, als auch für eine Hyperthermie. Die Mechanismen, die zu Arzneimittelfieber führen, reichen von anaphylaktischen Reaktionen und Überempfindlichkeiten über substanzbedingte und pharmakologische Reaktionen bis hin zu direkten Eingriffen in die Thermoregulation.
Bei einer Überempfindlichkeitsreaktion stimuliert ein Arzneimittel das Immunsystem. Über Wirkstoff-Antikörper-Komplexe (Typ-II-Allergie) oder T-Zellen (Typ-IV-Allergie) werden endogene Pyrogene freigesetzt. Bei allergischen Reaktionen treten oft zusätzlich Symptome wie Exantheme oder Urtikaria auf. Typische Auslöser sind Antibiotika, Antikonvulsiva wie Phenytoin und Carbamazepin sowie Methyldopa und Allopurinol.
Eine idiosynkratische Reaktion liegt vor, wenn Patienten eine angeborene Medikamentenüberempfindlichkeit haben. Mit Ausnahme von Lachgas können Inhalationsanästhetika eine maligne Hyperthermie verursachen, während das maligne neuroleptische Syndrom entstehen kann, wenn Patienten Antipsychotika anwenden. Die charakteristischen Begleitsymptome helfen Ärzten, die Nebenwirkung zu erkennen.
Eine besondere Herausforderung, die vor allem antimikrobiell wirkende Arzneimittel und Zytostatika betrifft, sind Fieberepisoden, die durch Strukturmerkmale der Wirkstoffe ausgelöst werden. Das Antimykotikum Amphotericin B und das Zytostatikum Bleomycin haben beispielsweise eine intrinsische pyrogene Aktivität. Nach Applikation setzen Granulozyten endogene Pyrogene wie Interleukin-1 frei.
Einige Arzneistoffe können die Thermoregulation stören. Sie greifen in Mechanismen der Wärmeproduktion und -abgabe oder den hypothalamischen Regelkreis ein. Levothyroxin kurbelt den Stoffwechsel an und erhöht so die Wärmeproduktion. Ein Temperaturanstieg kann auf eine zu hohe Dosis hinweisen.
Psychopharmaka, aber auch Partydrogen wie Ecstasy, Kokain und Amphetamin können gefährliche Hyperthermien auslösen. Es können so hohe Temperaturen erreicht werden, dass das körpereigene Eiweiß gerinnt und die Muskulatur irreversibel geschädigt wird. Die Substanzen wirken sympathomimetisch und hemmen die Wiederaufnahme von Noradrenalin, Dopamin und Serotonin. Die Thermoregulation im Hypothalamus entgleist, der Körper produziert durch gesteigerte Aktivität mehr Wärme und es wird weniger Wärme abgegeben, da periphere Blutgefäße verengt sind.
Arzneistoffe mit anticholinerger Wirkung wie Atropin, Antihistaminika der ersten Generation, trizyklische Antidepressiva und bestimmte Antipsychotika können durch reduzierte Schweißproduktion, verminderte Wärmeabgabe und gesteigerte Wärmeproduktion (Agitation des Patienten) Hyperthermie verursachen. Diese Wirkung tritt vor allem bei Überdosierung oder chronischer Therapie ein.
Die Zeit bis zum Auftreten des Fiebers variiert je nach Mechanismus und Substanz. Bei allergischen Reaktionen entwickelt sich das Fieber bereits nach wenigen Stunden. Antibiotika und Zytostatika verursachen Fieber typischerweise nach fünf bis sechs Tagen, während kardiovaskulär wirksame Pharmaka erst nach etwa 45 Tagen fieberauslösend wirken.
Die Therapie besteht vorrangig darin, das auslösende Medikament abzusetzen. In den meisten Fällen klingt das Fieber dann innerhalb von 72 Stunden ab. Wenn Patienten das Medikament dringend weiternehmen müssen, können fiebersenkende Mittel wie Paracetamol oder Acetylsalicylsäure eine Option sein. Die Antipyretika helfen allerdings nicht bei einer Hyperthermie. Physikalische Maßnahmen wie kalte Kompressen, Kühlmatten oder Kältedecken senken dann die erhöhte Temperatur. Wenn eine Überempfindlichkeit zugrunde liegt, können systemische Glucocorticoide das Arzneimittelfieber mildern.