| Sven Siebenand |
| 04.12.2025 16:20 Uhr |
In vielen Fällen sind bei Myasthenia gravis gegen den Acetylcholin-Rezeptor (AChR) gerichtete Antikörper nachzuweisen. / © Adobe Stock/Saiful52
Myasthenia gravis ist eine Autoimmunerkrankung. Typische Symptome sind Schwierigkeiten beim Kauen, Schlucken und Sprechen, schnelle Ermüdbarkeit der Skelettmuskulatur sowie Sehstörungen. Bei Myasthenia gravis ist die Übertragung der Signale von den Nerven an die Muskeln gestört. In den meisten Fällen sind gegen den Acetylcholin-Rezeptor (AChR) gerichtete Antikörper nachzuweisen. Bei einigen Betroffenen werden wiederum Autoantikörper gegen die muskelspezifische Kinase (MuSK) oder das Lipoprotein-related protein (LRP4) gefunden. Zudem gibt es eine Gruppe von Betroffenen, bei denen keine Autoantikörper nachgewiesen werden können.
Nipocalimab gehört wie die bereits auf dem deutschen Markt verfügbaren Wirkstoffe Efgartigimod alfa und Rozanolixizumab zur Klasse der Substanzen, die gegen den neonatalen Fc-Rezeptor (FcRn) gerichtet sind. Dieser Rezeptor spielt eine Schlüsselrolle bei der Verlängerung der Halbwertszeit von IgG. Wird er blockiert, wird der Abbau von IgG gefördert, was zu einer Verringerung von IgG, einschließlich pathogener Autoantikörper, führt.
Zugelassen ist Nipocalimab als Zusatz zur Standardtherapie für die Behandlung der generalisierten Myasthenia gravis (gMG). Der Antikörper darf bei Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren zum Einsatz kommen, wenn Autoantikörper gegen AChR oder MuSK vorliegen. Damit ist das Anwendungsgebiet etwas breiter als jenes von Rozanolixizumab, das in dieser Indikation derzeit nur bei Erwachsenen infrage kommt. Efgartigimod alfa ist nur bei Erwachsenen zugelassen, die Autoantikörper gegen AChR aufweisen.
Die Zulassung des neuen Antikörpers beruht auf Daten der Phase-III-Studie VIVACITY-MG3. Sie zeigte, dass Patienten, die Nipocalimab plus Standardtherapie (SOC) erhielten, über einen Zeitraum von 24 Wochen eine bessere Krankheitskontrolle aufwiesen als diejenigen, die Placebo plus SOC erhielten. Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war definiert als die Differenz zwischen Nipocalimab und Placebo hinsichtlich der mittleren Änderung des MG-ADL-Gesamtscores, der den Schweregrad von Symptomen bei Myasthenia gravis misst, gegenüber dem Ausgangswert, jeweils gemittelt über die Wochen 22, 23 und 24. Hier zeigte sich unter Nipocalimab plus SOC eine mittlere Verbesserung von -4,70 Punkten (Placebo: -3,25 Punkte). Dieser Unterschied war signifikant.
Nipocalimab wird intravenös infundiert. Die empfohlene Initialdosis bei Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren sind 30 mg/kg Körpergewicht. Danach wird zu einer Erhaltungsdosis von 15 mg/kg Körpergewicht alle zwei Wochen geraten.
Die am häufigsten gemeldeten Nebenwirkungen waren Muskelspasmen (12 Prozent) und periphere Ödeme (12 Prozent). Für Patienten unter Behandlung mit Nipocalimab wird eine Impfung mit Lebendimpfstoffen oder abgeschwächten Lebendimpfstoffen nicht empfohlen. Wenn diese Impfstoffe erforderlich sind, sollen sie mindestens vier Wochen vor der Behandlung und frühestens zwei Wochen nach der letzten Dosis Nipocalimab verabreicht werden. Nicht-Lebendimpfstoffe können bei Bedarf jederzeit während der Behandlung verabreicht werden.