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China

Fast 2 Millionen Tote nach Ende der Null-Covid-Politik

In China gab es nach dem abrupten Ende der Null-Covid-Politik innerhalb von zwei Monaten 1,87 Millionen zusätzliche Todesfälle. Es starben also mehr als dreißigmal so viele Menschen wie offiziell bislang eingeräumt wurde. Das haben Forschende in den USA ermittelt.
Annette Rößler
24.08.2023  17:00 Uhr

In China, wo das Coronavirus SARS-CoV-2 im Jahr 2019 erstmals entdeckt wurde, verfolgte die Regierung während der ersten drei Pandemiejahre eine äußerst strenge Strategie, mit der Covid-19-Ausbrüche nach Möglichkeit komplett verhindert werden sollten. Dieser als dynamische Null-Covid-Politik bezeichnete Ansatz beinhaltete Massentestungen und rigide Quarantäneregeln, die das gesellschaftliche Leben stark einschränkten. Als sich die hochansteckende Omikron-Variante zunehmend auch in China verbreitete, war diese Strategie jedoch immer schwieriger durchzuhalten und wurde im Dezember 2022 schließlich ganz aufgegeben.

Kritiker warnten, dass der plötzliche Wegfall aller Eindämmungsmaßnahmen viele Covid-19-bedingte Todesopfer fordern würde, insbesondere bei älteren Menschen. In dieser vulnerablen Bevölkerungsgruppe waren die Impfquoten zu diesem Zeitpunkt in China vergleichsweise niedrig: Von den Über-80-Jährigen waren nur 71,9 Prozent vollständig geimpft und nur 46,7 Prozent hatten eine Auffrischimpfung erhalten; von den Menschen ab 60 Jahren waren 88,6 Prozent grundimmunisiert und 72,4 Prozent geboostert (»Nature Medicine« 2023, DOI: 10.1038/s41591-023-02241-7). Nichtsdestotrotz bezifferte die chinesische Regierung die Covid-19-assoziierten Todesfälle zwischen Dezember 2022 und Januar 2023 im ganzen Land später auf lediglich 60.000.

Übersterblichkeit wurde massiv untertrieben

Laut einer aktuellen Publikation im Fachjournal »JAMA Network Open« stellt das jedoch eine massive Untertreibung dar. In dieser Arbeit kommt ein Team um Dr. Hong Xiao vom Fred Hutchinson Cancer Center in Seattle, USA, zu dem Schluss, dass die Übersterblichkeit in China während der ersten beiden Monate nach dem Ende der Null-Covid-Politik in Wahrheit 1,87 Millionen Todesfälle betrug. Das 95-Prozent-Konfidenzintervall reicht dabei von 710.000 bis 4,43 Millionen. Selbst bei konservativer Schätzung wären demnach mehr als zehnmal so viele Menschen gestorben als von der Regierung angegeben.

Da die wahren Todesstatistiken in China nicht zugänglich sind, nutzten die Forschenden alternative Datenquellen. Das waren zum einen die Todesanzeigen aller aktuellen und ehemaligen Mitarbeiter dreier großer Universitäten in China, die diese ständig auf ihren Webseiten veröffentlichen. Zum anderen zogen sie den sogenannten Baidu-Index heran. Baidu ist im Prinzip das chinesische Google: eine Internet-Suchmaschine, die in China einen Marktanteil von mehr als 90 Prozent hat. Der Baidu-Index gibt an, welchen Anteil ein bestimmter Suchbegriff an allen Suchanfragen hat, die in einem bestimmten Zeitraum an Baidu gestellt werden.

Für die Studie werteten die Forschenden im Zeitraum Dezember 2022 bis Januar 2023 die tagesaktuellen Baidu-Indices für chinesische Begriffe wie Bin Yi Guan (Bestattungsinstitut), Huo Zang (Einäscherung), Huo Zang Chang (Krematorium) und Tu Zang (Beerdigung) aus, die einen direkten Sterbebezug haben. Es zeigte sich, dass die Baidu-Indices sehr gut mit dem Anstieg der Mortalität korrelierten, der sich aus den veröffentlichten Todesanzeigen auf den Universitäts-Webseiten ergab. Somit konnten die Forschenden die Baidu-Indices aus ganz China für ihre Berechnung der Übersterblichkeit in diesem Zeitraum heranziehen.

Die Analyse ergab die genannten 1,87 Millionen zusätzlichen Todesfälle bei Menschen über 30 Jahren. Von der Übersterblichkeit betroffen gewesen seien vor allem ältere Menschen in allen Regionen Chinas mit Ausnahme von Tibet, heißt es in der Veröffentlichung.

Ihre Ergebnisse seien wichtig für Politiker und andere Entscheidungsträger, da sie die Auswirkungen der plötzlichen Konfrontation einer Bevölkerung mit Covid-19 zeigten, schreiben die Autoren. Ob dies in China von offizieller Seite wahrgenommen wird, geschweige denn zu einer kritischen Aufarbeitung führt, ist allerdings fraglich. Bezeichnenderweise ist Erstautor Xiao, dessen Name chinesische Wurzeln vermuten lässt, an einer Forschungsinstitution außerhalb Chinas tätig. Zwei weitere Autoren mit chinesisch klingenden Namen, Dr. Zhicheng Wang und Dr. Fang Liu, werden als »unabhängige Forscher« ohne Nennung eines Instituts eingeführt.

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