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Medikationsanalyse
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Fall Überraschungsei

Selbst drastische Fehler bei der Einnahme von Medikamenten merkt man Patienten im Apothekenalltag nicht unbedingt an. Bei einer Medikationsanalyse fallen sie jedoch auf. Der jüngste Fall der Webinarreihe »100 Medikationsanalysen später« von Pharma4u zeigt, wie wertvoll das für Patienten und ihre Angehörigen sein kann.
AutorKontaktCarolin Lang
Datum 19.10.2023  18:00 Uhr

Im Fokus stand ein 78 Jahre alter Patient und Stammkunde in der Vital-Apotheke, Bad Saulgau, von Tatjana Buck, die den Fall vorstellte. Die ATHINA-Apothekerin beschrieb den Patienten als »immer freundlich lächelnd«, ruhig und stets unauffällig. Eines Tages beklagte jedoch die Ehefrau gegenüber Buck, ihr multimorbider Ehemann habe den Überblick über seine Medikation verloren. Der Patient litt neben Hypertonie und Typ-2-Diabetes mitunter auch an Demenz, Schmerzen, Angststörungen, Prostatahyperplasie und Refluxösophagitis. Buck vereinbarte daraufhin einen Termin für eine Medikationsanalyse.

Im Anamnesegespräch habe sich der Patient für sie als »Überraschungsei« entpuppt, sagte die Apothekerin. Er habe über einen trockenen, lästigen und langwierigen Husten, übermäßige Tagesmüdigkeit sowie Kopfschmerzen und Schwindel in unterschiedlichem Ausmaß geklagt. Seine Frau befürchtete, er könne stürzen und beschrieb ihren Mann als müde, erschöpft und wesensverändert. Trotz Demenz habe er früher jeden Mittag für seine Familie gekocht, was nun nicht mehr möglich sei. »Hier geht es um Einbuße an Lebensqualität und Familienzeit«, betonte Buck.

Überdosiert, verwechselt, abgesetzt

Laborwerte lagen der Apothekerin nicht vor, wohl aber ein aktueller bundeseinheitlicher Medikationsplan (BMP) vom Hausarzt sowie ein Blutdruck-Tagebuch, das extreme Schwankungen offenlegte und ein Blutzucker-Tagebuch, wonach der Patient gut eingestellt war. Buck führte einen Brown-Bag-Review durch und stellte zahlreiche Diskrepanzen zwischen der Anwendung der Medikamente und den Vorgaben des BMP fest:

  • Der Patient nahm neben einem vorgesehenen Kombinationspräparat mit Amlodipin, Valsartan und Hydrochlorothiazid (10/320/25 mg) abweichend vom BMP zusätzlich 5 mg Amlodipin am Morgen ein.
  • Der Patient nahm bis zu viermal täglich 0,2 mg Moxonidin ein, das er für ein Schmerzmittel zur Einnahme bei Bedarf hielt. Laut BMP vorgesehen war eine Dosis am Morgen. Das tatsächlich für die Schmerzen verordnete Metamizol nahm der Patient hingegen nicht ein.
  • Der Patient nahm einmal morgens 30 mg Duloxetin ein, das laut BMP abgesetzt war.
  • Der Patient nahm doppelt so viel Rivastigmin ein, wie laut BMP vorgesehen war, nämlich 3 mg statt 1,5 mg jeweils morgens und abends.
  • Der Patient hatte im Brown Bag Pantoprazol 20 mg und 40 mg. Im BMP fand sich lediglich Pantoprazol 20 mg bei Bedarf zur Behandlung der Refluxösophagitis.

Zudem nahm der Patient in Übereinstimmung mit dem BMP ein Kombi-Präparat mit Sitagliptin und Metformin zur Diabtetes-Therapie. Er besaß außerdem Nifedipin-Tropfen für den Hypertonie-Notfall. Des Weiteren hatten, offenbar ohne Wissen des Hausarztes, der Hautarzt Terbinafin gegen Fußpilz und der Urologe Tamsulosin gegen nächtlichen Harndrang verordnet.

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