Fälschungsskandal erschüttert die Alzheimerforschung |
Theo Dingermann |
17.10.2024 15:30 Uhr |
Die US-Gesundheitsbehörde National Institutes of Health (NIH), die dem NIA übergeordnet ist, veröffentlichte am 26. September 2024 eine Erklärung, in der sie ein wissenschaftliches Fehlverhalten in zwei Publikationen von Masliah bestätigte. Zudem wurde Masliah die Leitung der Abteilung für Neurowissenschaften des NIA entzogen. Weder Masliah noch die beteiligten Institutionen haben bislang die Beispiele im Dossier angefochten.
Die elf Neurowissenschaftler, die das Dossier für »Science« geprüft haben, zeigten sich schockiert über das Ausmaß des angeblichen Fehlverhaltens. Sie betonten die Notwendigkeit gründlicher Untersuchungen durch die NIH, durch Fachzeitschriften, Geldgeber und die UCSD.
»Man müsste jetzt eigentlich in allen Arbeiten von Masliah nachkontrollieren, ob die Ergebnisse stimmen. Aber das ist eine riesige Aufgabe, die eine offizielle Untersuchungskommission übernehmen muss«, erklärt Haass. Allerdings breche mit den Zweifeln an Masliahs Arbeit nicht gleich das gesamte Forschungsfeld zusammen, so der Experte. Denn die entscheidenden Experimente würden immer von anderen Forschungsgruppen wiederholt. Nur wenn diese zum gleichen Ergebnis kämen, baue man weiter darauf auf.
Dass Spitzenforschung in Verdacht gerät, ist kein neues Phänomen. Gerade im Bereich der neurodegenerativen Erkrankungen gab es schon Forschungsskandale. So nahm im Jahr 2022 die Karriere des Neurowissenschaftlers Professor Dr. Sylvain Lesné ein jähes Ende. Ihm wurde ebenfalls im Fachmagazin »Science« vorgeworfen, in seinen Studien Grafiken und Bilder gefälscht zu haben, darunter auch in einer bahnbrechenden Studie zur Alzheimer-Forschung 2006.
Lesné wies damals als Leitautor der im Fachjournal »Nature« publizierten Studie ein bestimmtes β-Amyloid-Molekül nach, das einer der »Hauptverdächtigen« für die Ursachen von Alzheimer sein sollte. Die Studie wurde in den folgenden Jahren tausendfach zitiert und machte die Amyloid-Hypothese populär, bis ein US-Neurowissenschaftler der Vanderbilt University Verdacht schöpfte. Die Ergebnisse seiner Recherche zeigten, dass Hunderte von Bildern in mehr als 70 Veröffentlichungen des Wissenschaftlers manipuliert waren.
Auch damals trugen die Forschungsergebnisse dazu bei, dass Millioneninvestitionen in die Entwicklung von Medikamenten flossen, die sich letztlich als unwirksam erwiesen. Eine dieser Entwicklungen war der Antikörper Aducanumab (Aduhelm™), der mit einer unrühmlichen Zulassungsgeschichte verbunden ist.
Die positive Quintessenz der verschiedenen Skandale ist jedoch, dass sich Fehlverhalten in der Forschung letztlich nicht lohnt. Die wissenschaftliche Gemeinschaft bildet dabei das entscheidende Regulativ, das Fälschungen aufdeckt, wenn sich Daten nicht reproduzieren lassen – auch wenn es zum Teil lange dauert.