Experten wollen Stiko für künftige Krisen wappnen |
Cornelia Dölger |
09.02.2023 16:30 Uhr |
Weil die Stiko für die Impfempfehlungen während Pandemie-Hochzeiten teils lange brauchte, stand die Kommission zwischenzeitlich in der Kritik. / Foto: Adobe Stock/Alexander Raths
Mehr Personal, mehr Transparenz und eine effizientere Kommunikation, um die Arbeit der Ständigen Impfkommission (Stiko) zu stärken – diese Expertenforderungen lassen sich aus einem Fachgespräch herausfiltern, das am gestrigen Mittwoch im Gesundheitsausschuss des Bundestags stattfand. Die Coronavirus-Pandemie habe gezeigt, dass das Gremium sich für künftige Krisenlagen rüsten müsse. Dazu gehöre, die Menschen umfassend und schnell informieren zu können. Zudem seien etliche neue Impfstoffe in der Pipeline, hieß es.
An der Diskussion beteiligt waren neben Stiko-Chef Thomas Mertens der Mediziner Leif Erik Sander von der Berliner Charité, Benedikt Fabian vom Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) sowie Cornelia Betsch, Expertin für Gesundheitskommunikation der Universität Erfurt.
Mertens wertete die Pandemie im Rückblick als enorme Herausforderung für die Mitglieder der Kommission sowie die Geschäftsstelle, wie es in den Parlamentsnachrichten heißt. In der Pandemie habe es 64 zusätzliche mehrstündige Videokonferenzen zusätzlich zu den regulären Stiko-Sitzungen gegeben, so Mertens. Dies sei aufreibend gewesen. Dennoch habe die Kommission ihre Impfempfehlungen »auf Grundlage bestmöglich verfügbarer Evidenz zeitnah abgegeben«.
Das hatten Kritiker in Pandemie-Hochzeiten anders gesehen. Das Tempo, das die Stiko bei ihren Corona-Impfempfehlungen an den Tag legte, hatte zwischenzeitlich für viel Gegenwind gegen die beim Robert-Koch-Institut (RKI) angesiedelte Kommission gesorgt. Selbst das Gesundheitsministerium beklagte, die Stiko brauche zu lange für ihre Entscheidungen.
Um solche Krisen künftig besser in den Griff zu bekommen, brauche es ausreichend auch personelle Ressourcen, forderte Mertens jetzt. Wegen der Konzentration auf Corona seien andere wichtige Impfempfehlungen liegengeblieben. Impfstoffe würden immer komplexer und erforderten komplexere Empfehlungen.
Der Mediziner Sander sprang der Stiko bei und betonte, wie wichtig und zentral deren evidenzbasierte Empfehlungen für die Bevölkerung und die impfenden Ärzte seien. Die Stiko genieße großes Vertrauen bei den Menschen. In der Pandemie habe sie sich in einer extrem dynamischen Situation befunden, in der es seit 2020 neue Studien, Erkenntnisse und Zulassungen »teils im Wochentakt« gegeben habe, so Sander. Weil in der Zukunft häufiger mit epidemischen und pandemischen Ausbrüchen zu rechnen sei, sollte die Stiko personell und strukturell besser ausgestattet werden, damit sie auch dynamische Lagen bewältigen könne.
Benedikt Fabian vom vfa schlug vor, dass die Kommission künftig transparenter arbeiten solle. Für Außenstehende sei es teils nicht nachvollziehbar, wie bei den Impfempfehlungen der aktuelle Stand des Verfahrens sei. Dies erschwere den Herstellern die Planungen. Hier wünschte sich Fabian mehr Öffnung über die Entscheidungsfindung der Stiko.
Um Unsicherheit und auch Ablehnung der Menschen gegenüber Impfempfehlungen zu verringern, müsse eine bessere Kommunikation her, meinte die Expertin für Gesundheitskommunikation, Cornelia Betsch. Die Ablehnung sei während der Pandemie größer geworden. Nun müsse das Vertrauen in die Stiko wieder aufgebaut werden. Eine Lösung könne sein, das Gremium mit Experten aus den Sozial- und Verhaltenswissenschaften aufzustocken, so Betsch. Dies verbessere nicht nur die Kommunikation, sondern ermögliche auch, über Akeptanzfragen zu beraten. Stiko-Chef Mertens hatte zuvor eingeräumt, dass die Kommunikation teils ein größeres Problem gewesen sei als die Bearbeitung der Themen selbst.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.