| Jennifer Evans |
| 01.10.2020 13:30 Uhr |
Im Rechtsstreit ging es unter anderem darum zu klären, ob für die Shop Apotheke nun die niederländischen oder die französischen Vorschriften gelten. / Foto: iStock/ericsphotography
Die Werbemethoden der Shop Apotheke sind den französischen Apothekern ein Dorn im Auge. Zuletzt hat sich nun der EuGH damit befasst und heute entschieden, dass Frankreich dem niederländischen Versender zumindest teilweise die Werbung für den OTC-Versand verbieten darf. Und zwar in den Fällen, in denen Missbrauch beim Arzneimittelkonsum droht oder es gilt, die Würde des Apothekerberufs zu bewahren. Das heutige Urteil bewertet die ABDA in einer ersten Einschätzung grundsätzlich als positiv, weil der EuGH in den Urteilsgründen erneut klar herausstellt, dass Arzneimittel Waren besonderer Art sind und dass nationale Vorschriften zum Versandhandel aus Gesundheitsschutzgründen gerechtfertigt werden können.
Zum Hintergrund: Die niederländische Shop Apotheke bietet auf einer französischen Website nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel an. An den Inhalten dieser OTC-Werbung hatten die französischen Apotheker und ihre Berufsverbände Anstoß genommen und geklagt. Die Werbung war Teil einer groß angelegten Werbekampagne des niederländischen Versenders. Dazu gehörte unter anderem auch, Werbebriefe zu verschicken und Werbebroschüren in Pakete anderer Versandhändler zu legen sowie den Kunden ab einem bestimmten Bestellwert Rabatte zu bieten. Auch bezahlte Suchmaschinen sollten die Sichtbarkeit im Netz erhöhen.
Nach Auffassung der französischen Apotheker verstoßen diese Methoden gegen das französische Recht. Dort müssen Werbemaßnahmen mit der Würde des Heilberuflers vereinbar sein, dessen Arbeit als nicht rein gewinnorientiert gilt. Nicht erlaubt ist es gemäß des französischen Rechts außerdem, Kunden zum übermäßigen Arzneimittelkonsum zu verleiten oder in diesem Bereich zusätzlich eine kostenpflichtige Suchmaschine einzubinden. Darüber hinaus hatte die Shop Apotheke nach Ansicht der Kläger nicht beachtet, dass Patienten in Frankreich zunächst einen Gesundheitsfragebogen ausfüllen müssen, wenn sie ein Medikament im Internet bestellen. Der Versand von Rx-Medikamenten ist in Frankreich generell nicht erlaubt.
In dem Rechtsstreit musste also zunächst geklärt werden, ob für die Shop Apotheke nun die niederländischen oder die französischen Vorschriften gelten. Für den Versender war die Sache eindeutig: Das niederländische Recht greift. Die Richter der ersten französischen Instanz sahen das aber anders. Der Fall landete schließlich beim Berufungsgerichtshof Paris, der zunächst den EuGH um eine Einschätzung bat, ob es zulässig ist, dass ein Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Apotheken in seinem Hoheitsgebiet speziellen Regelungen unterwirft.
Aus dem heutigen Urteil geht hervor, dass die Luxemburger Richter es den nationalen Gerichten mit Blick auf den Versandhandel überlassen wollen, Einzelheiten auf ihre Verhältnismäßigkeit zu prüfen und damit auch festzulegen, wie sie den Gesundheitsschutz der Bevölkerung sicherstellen wollen. Damit gewähren sie den Mitgliedstaaten etwas Gestaltungsspielraum. Ein absolutes Werbeverbot hält der Gerichtshof dagegen für zu streng. Für zulässig erachtet er hingegen, Rabattwerbung für Arzneimittel einzuschränken und dass Patienten bei der Bestellung zunächst einen Anamnesefragebogen ausfüllen müssen. Letzterer dient demnach dem Gesundheitsschutz, da auch mit OTC-Präparten Risiken verbunden sind. Nicht hinreichend gerechtfertigt sehen die Richter das Verbot der kostenpflichtigen Suchmaschinen.
Aus Sicht der ABDA ist es insbesondere begrüßenswert, dass der EuGH den Schutz der öffentlichen Gesundheit sowie die Würde des Berufs im Blick hatte. In seinem heutigen Statement zum Urteil hob ABDA-Vize Mathias Arnold auch noch einmal die positiven Punkte hervor: »Erstens hat der EuGH bestätigt, dass Mitgliedstaaten grundsätzlich Werbebeschränkungen auch mit Geltung für den grenzüberschreitenden Arzneimittelversand erlassen können, ohne dass dies europäischem Binnenmarktrecht widersprechen muss. Zweitens darf in diesem Zusammenhang auch gegen Rabatte eingeschritten werden, die einen Mehr- beziehungsweise Fehlgebrauch von Arzneimitteln fördern können.« Hinter dieser Einschätzung des Gerichts steht Arnold zufolge die Anerkenntnis, dass Arzneimittel Waren besonderer Art mit einem erheblichen Risikoprofil sind, bei denen dem Verbraucherschutz große Bedeutung zukomme.
Nach Auffassung der Bundesvereinigung stützt das Urteil den Weg, den der Gesetzgeber mit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz eingeschlagen hat. Dieses solle schließlich einheitliche Abgabepreise für Rx-Arzneimittel auch für den grenzüberschreitenden Versandhandel möglichst umfassend wiederherstellen, betonte Arnold. Und weist außerdem darauf hin, dass es sich zunächst um eine erste Einschätzung handelt und die ABDA das Urteil »natürlich noch eingehend prüfen« wird.