EU packt Werkzeugkasten gegen Engpässe |
Cornelia Dölger |
04.10.2023 10:30 Uhr |
Mit flexibel einsetzbaren Mitteln will die EU-Kommission gegen Lieferengpässe bei Arzneimitteln vorgehen. Darüber debattierten gestern die Abgeordneten im EU-Parlament. / Foto: Adobe Stock/Grecaud Paul
Während einer Debatte zur Arzneimittelknappheit skizzierte Kyriakides gestern im EU-Parlament die wichtigsten Punkte, mit denen die EU-Kommission der Lage wieder Herr werden will. Auf kritische Knappheiten und Notlagen soll demnach mit kurzfristigen Maßnahmen reagiert werden können, etwa mithilfe der EU-weiten Liste kritischer Arzneimittel, die bis Ende 2023 veröffentlicht werden soll. Mittelfristig wirken sollen Maßnahmen zur Beschaffung und Lagerhaltung von Arzneimitteln. Langfristig sollen strukturelle Reformen helfen, zum Beispiel sollen Investitionen begünstigt und Produktionskapazitäten in der EU ausgebaut werden.
Alle relevanten Akteure sollten hierbei mit ins Boot, so Kyriakides: die Industrie, die Beteiligten der Versorgungskette, die Mitgliedstaaten und deren nationale Gesundheitssysteme sowie die beteiligten EU-Institutionen. Die Maßnahmen sollten nach Art eines Werkzeugkastens flexibel eingesetzt werden können.
Kyriakides verwies in der Debatte zudem auf das EU-Pharmapaket, also die umfassende Reform des EU-Arzneimittelrechts, die Werkzeuge gegen Lieferengpässe vorhalte, etwa ein EU-weites Warnsystem, das Knappheiten oder Rücknahmen frühzeitig anzeigt. Ziel des Pakets ist zudem, die Arzneimittelversorgung krisen- und zukunftssicher zu machen, die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen zu bekämpfen und Probleme des ungedeckten medizinischen Bedarfs anzugehen. Ob obendrein ein eigenes Gesetz zu kritischen Arzneimitteln gegen Engpässe helfe, sei zu prüfen, so die Gesundheitskommissarin gestern. Es müsse sorgfältig vorbereitet werden. Ein solches Regelwerk hatten 19 EU-Mitgliedstaaten im vergangenen Mai im Rahmen eines so genannten Non-Papers vorgeschlagen.
Der EVP-Abgeordnete Peter Liese rief im Nachgang der Diskussion dazu auf, der »Billigmentalität« vor allem bei Generika endlich Einhalt zu gebieten. In einer Mitteilung erklärte der gesundheitspolitische Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament, das Gesundheitssystem gebe viel Geld aus, vor allem für innovative medizinische Präparate. Bei den Generika hätten viele Länder Europas, allen voran Deutschland, allerdings immer nur auf den Preis geachtet. »Dies hat dazu geführt, dass die Produktion zunehmend nach Indien und China verlagert wurde, was entscheidend zu den jetzigen Problemen beigetragen hat.« Die Billigmentalität in Deutschland sei der Grund, warum die Lage hier besonders schlimm sei.
Liese verwies vor diesem Hintergrund auf eine Initiative seiner Fraktion, die bereits 2019 beantragt habe, dass sich das Parlament systematisch mit dem Thema Arzneimittelknappheit beschäftigen solle. Die EU-Kommission wie auch die Mitgliedstaaten hätten den Vorstoß bislang allerdings nur in Teilen aufgenommen. »Das muss sich jetzt endlich ändern«, sagte Liese, der unter anderem Sprecher der EVP-Fraktion im Ausschuss für Umwelt, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) ist.