EU-Kommission lässt neues Alzheimer-Mittel zu |
Lecanemab wird als intravenöse Infusion alle zwei Wochen verabreicht. Nebenwirkungen, vor allem Anomalien in der Bildgebung, müssen streng überwacht werden. / © Getty Images/Science Photo Library/TEK Image
Der Antikörper Lecanemab sei für eine Behandlung im frühen Stadium der Alzheimer-Demenz bestimmt und das erste Medikament dieser Art, das in der EU zugelassen werde, teilte die Kommission mit. Das Medikament, das in einigen Monaten verfügbar sein könnte, soll das Fortschreiten der Krankheit ein wenig verlangsamen. Es wird sich jedoch nur für einen kleinen Teil der Alzheimer-Patienten eignen.
Zugelassen ist Lecanemab nur zur Behandlung von Patienten mit leichter kognitiver Beeinträchtigung (Gedächtnis- und Denkstörungen) oder leichter Demenz in einem frühen Stadium der Alzheimer-Krankheit. Das Mittel soll außerdem nur für Patienten verwendet werden, die eine oder keine Kopie von ApoE4, einer bestimmten Form des Gens für das Protein Apolipoprotein E, haben. Bei ihnen ist die Wahrscheinlichkeit für bestimmte schwerwiegende Nebenwirkungen wie Schwellungen und Blutungen im Gehirn geringer als bei Menschen mit zwei ApoE4-Kopien. Mit der Zulassung nur für diese bestimmten Patientengruppen folgte die Brüsseler Behörde der Empfehlung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA).
Experten zufolge wird es noch einige Monate dauern, bis das Mittel wirklich eingesetzt werden kann – unter anderem, weil der Hersteller verpflichtet wurde, ausführliche Handreichungen und Schulungen für Ärzte auszuarbeiten und ein Beobachtungsregister anzulegen.
Hauptmaßstab für die Wirksamkeit der Therapie war die Veränderung der kognitiven und funktionellen Symptome nach 18 Monaten, die anhand einer von 0 bis 18 reichenden Demenzbewertungsskala gemessen wurde, wie es von der EMA hieß. Mit Lecanemab behandelte Patienten wiesen im Mittel einen etwas geringeren Anstieg des Wertes auf (1,22 gegenüber 1,75).
Fraglich ist Experten zufolge, wie alltagsrelevant diese leichte Verzögerung ist. »Sobald das Vollbild einer Alzheimer-Erkrankung vorliegt, sind die statistisch beschriebenen Effekte für den Patienten und sein Umfeld zumeist nicht mehr wahrnehmbar«, sagte Professor Dr. Walter Schulz-Schaeffer vom Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg.
Von den geschätzt etwa 1,2 Millionen Alzheimer-Erkrankten in Deutschland kommt Experten des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) zufolge nur ein sehr kleiner Teil für die neue Therapie infrage. Als frühe Phase der Erkrankung sind demnach die ersten drei Jahre zu werten. Das sind in Deutschland aktuell schätzungsweise etwa 250.000 Menschen. 80 Prozent davon kommen mit Blick auf ApoE4 infrage. Nicht jeder dieser Patienten erfüllt aber alle Voraussetzungen für die Therapie und ist zudem daran interessiert. Konservativ geschätzt sind es Experten zufolge etwa 10 Prozent. In der Summe dieser Faktoren könnten das etwa 20.000 Patienten sein.
Bei Frauen war der beobachtete klinische Effekt in Studien deutlich geringer als bei Männern – ihr Risiko für Nebenwirkungen hingegen höher. Ob sie überhaupt von einer Behandlung profitieren, ist der Alzheimer Forschung Initiative zufolge noch unklar. Rund zwei Drittel aller Menschen mit Alzheimer sind Frauen.