EU einigt sich auf neue Verpackungsverordnung |
Melanie Höhn |
05.03.2024 12:08 Uhr |
Setzte sich für eine pragmatische EU-Verpackungsverordnung ein: Peter Liese, gesundheitspolitischer Sprecher der Christdemokraten im Europäischen Parlament (EVP). / Foto: IMAGO/Future Image
Verpackungsabfälle machen einen großen Teil des Abfalls in der EU aus: Pro Einwohner und Jahr entstehen fast 190 Kilogramm Verpackungsmüll. Insbesondere Plastikverpackungen sind ein großes Problem. Sie bestehen aus vielen fossilen Brennstoffen und bei ihrer Entsorgung wird daher CO2 freigesetzt. In der EU ist die Gesamtmasse der anfallenden Verpackungsabfälle zwischen 2009 und 2020 um 20 Prozent gestiegen – ein Plus von 13 Millionen Tonnen.
Die Recyclingquote für Verpackungsabfälle erhöhte sich zwar leicht von 63 Prozent im Jahr 2009 auf 64 Prozent im Jahr 2020 – doch seit 2016 steige diese Quote nicht mehr an und ist seitdem auf das Niveau von 2011 zurückgegangen, informierte Peter Liese, gesundheitspolitischer Sprecher der Christdemokraten im Europäischen Parlament (EVP), in einem Mediengespräch. Die Regeln in den Mitgliedstaaten seien extrem unterschiedlich, was zur Verwirrung der Verbraucherinnen und Verbraucher und zur Verzerrung des Binnenmarkts führe. Viele Verpackungen seien nicht recyclefähig.
Um dieses Problem zu beheben, haben sich die Institutionen der EU gestern in einem finalen Trilog zur neuen EU-Verpackungsverordnung geeinigt. Das Europäische Parlament, die Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission verständigten sich auf neue Regeln für Verpackungen und Verpackungsmüll. »Mit den neuen Regeln für Verpackungen bekämpfen wir nicht nur die wachsende Flut an Plastikmüll, sondern schonen auch Ressourcen und geben der Kreislaufwirtschaft einen Kick«, kommentierte Liese die Einigung.
Die neue Verpackungsverordnung der EU will den gesamten Lebenszyklus von Verpackungen berücksichtigen und verlangt, dass ab 2030 alle Verpackungen recyclebar sind. Zudem wird die Harmonisierung der Verpackungskennzeichnung eingeführt, um die Getrenntsammlung der Verbraucher zu verbessern. Außerdem sollen bedenkliche Stoffe auf ein Minimum reduziert werden. Das Parlament verbietet die Verwendung sogenannter »ewiger Chemikalien« (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen oder PFAS) in Verpackungen mit Lebensmittelkontakt. Zudem hat die EU verbindliche Ziele für das Recycling eingeführt und bestimmte Arten von Einwegverpackungen eingeschränkt. Die Ziele für weniger Verpackungen: 5 Prozent bis 2030, 10 Prozent bis 2035 und 15 Prozent bis 2040.
Die EU schreibt nun auch einen maximalen Leerraumanteil von 50 Prozent bei Sammel-, Transport- und E-Commerce-Verpackungen vor. Hersteller und Importeure werden verpflichtet, dass das Gewicht und das Volumen von Verpackungen minimiert wird. Ausgenommen hiervon sind geschützte Verpackungsdesigns, wenn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits ein Schutz bestand.
Hinsichtlich der Vorgabe zur Recyclingfähigkeit von Verpackungen enthält der Verordnungsentwurf mit Verweis auf die notwendige Gewährleistung der Versorgungssicherheit eine befristete Ausnahmeregelung für die Primärverpackungen von Arzneimitteln und Medizinprodukten bis zum 31. Dezember 2034. »Wir begrüßen diese Regelung – sie muss jedoch auch für weitere Produktbestandteile wie zum Beispiel Applikatoren, Pipetten oder wiederverwendbare Spender gelten«, erklärte eine Sprecherin des Bundesverbands der pharmazeutischen Industrie (BPI) auf Nachfrage der PZ. Auch der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) begrüßt, dass Arzneimittel und Medizinprodukte »aufgrund der Besonderheit der Produkte« von der Verordnung zunächst ausgenommen werden, wie eine Sprecherin erläuterte. Anderweitig könne die Versorgungssicherheit gefährdet sein.
Trotzdem warnte der BPI, dass die geplante EU-Verordnung für Verpackungen und Verpackungsabfälle pharmazeutische Unternehmen mit neuen und umfassenden Nachhaltigkeitsanforderungen konfrontieren werde. »Neben Vorgaben zur begrenzten Verwendung bestimmter Stoffe in Verpackungen kommen auch verpflichtende Designanforderungen hinzu, die unter anderem zur Minimierung des Gewichts und Volumens von Verpackungen beitragen sollen«, hieß es seitens des Verbands.
Darüber hinaus enthalte der Verordnungsentwurf weitgehende Etikettierungs-, Kennzeichnungs- und Informationsanforderungen. »So sollen zum Beispiel Angaben über die Materialzusammensetzung, eine korrekte Entsorgung von Verpackungen für Verbraucherinnen und Verbraucher erleichtern. Als BPI setzen wir uns dafür ein, dass sich diese Informationen platzsparend – mit einem QR-Code auf der Verpackung – abrufen lassen«, erklärte die Sprecherin.
Eine Umsetzung aller Vorgaben erfordere zu Lasten pharmazeutischer Unternehmen weitgehende Änderungen in Fertigungsprozessen und werde daher mit einem erheblichen Investitionsaufwand verbunden sein. Es sei davon auszugehen, dass die damit einhergehenden Kosten insbesondere Hersteller verschreibungspflichtiger Arzneimittel im rabattvertraglich geregelten Markt überverhältnismäßig stark belasten werden.
Für Peter Liese sind die gefundenen Kompromisse ein Zeichen für die »Zeitenwende in der EU-Politik«. Einige wichtige Elemente des Kommissionsvorschlags, wie detaillierte und übertriebene Verbote, seien allerdings bei vielen Unternehmen und der Mehrheit der Europaabgeordneten auf massive Kritik gestoßen, etwa was das Verbot von Kleinstverpackungen aus Papier wie etwa Zuckertütchen angeht. Diese seien nun vom Tisch. »Einige Details der Einigung liegen noch nicht schriftlich vor. Deshalb kann eine abschließende Bewertung natürlich erst geschehen und wenn die Fraktion darüber beraten hat, aber ich sehe das Ergebnis insgesamt positiv«, erklärte Liese weiter.
Der ausgearbeitete Text muss nun sowohl von den beteiligten Ausschüssen im Parlament, die im April 2024 zusammenkommen werden, als auch vom Plenum bestätigt werden. Zuletzt müssen noch der Ausschuss der Ständigen Vertreter sowie der EU-Rat dem Kompromiss zustimmen. Die neue EU-Verpackungsverordnung soll voraussichtlich noch vor der Europawahl im Juni 2024 offiziell verabschiedet werden.