Ethische Konflikte im Apothekeralltag |
Lukas Brockfeld |
25.10.2024 13:00 Uhr |
Doch es fehlen nicht nur Ausbildungsinhalte, sondern auch Richtlinien und Vorgaben. Der Hagener Apotheker Christian Fehske wandte sich deswegen im vergangenen Jahr an den Deutschen Ethikrat. Der Approbierte hatte gerade infolge der Corona-Pandemie immer wieder mit fehlenden Medikamenten zu kämpfen und musste oft priorisieren, welcher Patient beispielsweise ein bestimmtes Antibiotikum bekommen konnte. »Wir hatten teilweise Wartelisten und ich habe mich gefühlt wie bei der Organvergabe. Es gab immer wieder Patienten, die mir geschildert haben, warum sie unbedingt oben auf der Liste stehen müssten«, erzählt Fehske im Gespräch mit der PZ.
In seinem Schreiben an den Ethikrat schildert der Apotheker die Lage wie folgt: »In der Krise der Arzneimittelknappheiten nehme ich bedauerlicherweise widersprüchliche Empfehlungen wahr und erlebe als Apotheker Verhaltensweisen, die ich als unsolidarisch empfinde. Wenn Patienten ihre Ärzte um Rezepte im Voraus bitten, erweckt das den Anschein egoistischen Hamster-Verhaltens. Gleichzeitig sind widersprüchliche öffentliche Empfehlungen zu eben solchem Arzneimittelhamstern in meinen Augen geeignet, die Bevölkerung in einer ohnehin angespannten Lage zu verunsichern.«
Vom Ethikrat wünscht Fehske sich daher Richtlinien, die ihm und anderen Apothekerinnen und Apothekern in schwierigen Situationen weiterhelfen: »Ohne eine abgestimmte, allgemeine Orientierung zum Umgang mit knappen Arzneimitteln, wie es sie in anderen Situationen mit Priorisierungen und Kontingentierungen beispielsweise bei Covid-19-Impfstoffen gegeben hat, gibt es für Apothekenmitarbeitende ein reales Risiko, eine Arzneimittel-Triage in der Apotheke durchführen zu müssen, wem nämlich ein knappes Arzneimittel abgegeben wird, und wem nicht«, heißt es in dem Schreiben.
Leider habe er selbst entsprechende Situationen schon mehrfach erlebt. »Ohne allgemein akzeptierte Priorisierungen finden diese inoffiziell statt – etwa wenn mich Lungenfachärzte bitten, für ihre Patienten als kritisch eingeschätzte Antibiotika nicht mehr an die Patienten anderer Ärzte für ›harmlose Blaseninfektionen‹ abzugeben«, erläutert der Apotheker. Er habe auch schon erleben müssen, dass verzweifelte Patienten ihm Geld für die letzte Packung eines Medikamentes geboten hätten.
Leider habe er bis heute keine Reaktion auf sein im September 2023 versandtes Schreiben erhalten. »Wir brauchen einfach eine grobe Orientierung. Ich wünsche mir, dass sich der Ethikrat mit der Situation der Apotheken beschäftigt«, so Fehske.