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Fixiert auf Muskelaufbau
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Essstörungen bei Männern oft unerkannt

Essstörungen bei Männern sind schon längst keine Rarität mehr. Dennoch werden sie in der Öffentlichkeit nach wie vor zumeist als Frauenerkrankung angesehen. Eine erfolgreiche Therapie ist möglich, doch muss das Krankheitsbild dazu zunächst erst einmal als solches wahrgenommen und auch seitens der Betroffenen anerkannt werden.
AutorKontaktChristiane Berg
Datum 28.02.2022  08:00 Uhr
Sexuelle Orientierung spielt auch eine Rolle

Sexuelle Orientierung spielt auch eine Rolle

Mangweth-Matzek betont, dass im Kontext mit Anorexia nervosa (Magersucht) extreme Disziplinanforderungen kombiniert mit überdimensionalen Leistungsansprüchen in allen Lebensbereichen (Schule, Ausbildung, Beruf et cetera) zu beobachten sind, wobei sich bei anorektischen Männern im Unterschied zu Frauen häufig Übergewicht in der Vorgeschichte zeige. Bei der von Essattacken geprägten Bulimia nervosa ständen neben exzessivem Sport und selbstinduziertem Erbrechen Kompensationshandlungen wie Laxantien- und Diuretikaabusus im Fokus der gewichtsmindernden Maßnahmen.

Sie macht des Weiteren deutlich, dass bei der Entstehung von Essstörungen bei Männern oft auch die sexuelle Orientierung eine Rolle spielt. Studiengemäß zeigen essgestörte Männer sehr viel höhere Raten an Homo- beziehungsweise Bisexualität (10 bis 42 Prozent) als die Allgemeinbevölkerung (5 bis10 Prozent). Gleichzeitig seien homosexuelle Männer mit 2 bis 8 Prozent deutlich häufiger betroffen als heterosexuelle Männer mit 0,3 bis 2 Prozent.

»Gerade nicht-heterosexuelle Männer erleben ihren Körper oft als Objekt, welches einem schlanken, muskulösen Schönheitsideal unterworfen und damit auch häufig mit Körperunzufriedenheit assoziiert ist«, führt die Wissenschaftlerin aus. Zudem könne die Essstörung als Folge von Stress auftreten, dem sich Betroffene als Angehörige einer gesellschaftlichen Minderheit oft ausgesetzt fühlen.

»Angesichts gesellschaftlicher Normen und Erwartungen, die sie glauben erfüllen zu müssen, sowie der Annahme, gemäß öffentlicher Wahrnehmung unter einer typischen Frauenerkrankung zu leiden, fühlen sich Betroffene doppelt stigmatisiert.«

Dass sie ihr Essstörungsleid von sich aus ansprechen, sei deshalb kaum zu erwarten. Daher müsse das gestörte Essverhalten im Beratungsgespräch entweder routinemäßig hinterfragt oder bei Verdacht empathisch, jedoch deutlich zugeordnet werden. Bei korrekter Diagnose und entsprechender Compliance lassen sich bei Männern dieselben Therapieerfolge wie bei Frauen erzielen, hebt Mangweth-Matzek hervor.

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