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Freitodbegleiterin von Helmolt

»Es gibt einen großen Aufklärungsbedarf«

Bei einer sogenannten assistierten Freitodbegleitung ist hierzulande neben einer juristischen stets eine ärztliche Betreuung involviert. Eine dieser ärztlichen Freitodbegleiter ist Dr. Marion von Helmolt.
Ev Tebroke
02.09.2025  09:00 Uhr

Die Fachärztin für Anästhesie und Intensivmedizin hat im Frühjahr 2023 erstmals einen Menschen in den selbstgewählten Suizid begleitet, die Tätigkeit wird als assistierte Freitodbegleitung beschrieben. Die an Brustkrebs erkrankte Patientin habe trotz verschiedener Therapien einen langen Leidensweg durchlaufen und sich am Ende sehr gequält, erzählt von Helmolt der PZ. Die gesamte Familie sei anwesend gewesen und habe den Suizid der Patientin für diese als eine große Erlösung von ihrem Leiden empfunden. Die Familie habe sie dann auch bestärkt, »diese wertvolle und sinnstiftende Tätigkeit« der Freitodbegleitung (FTB) unbedingt fortzusetzen, erklärt die Ärztin.

Von Helmolt hatte sich schon über Jahre intensiv mit dem Thema Sterbehilfe auseinandergesetzt. In ihrem Beruf als Intensivmedizinerin hatte sie zudem im Rahmen von möglichen Therapiebegrenzungen oder Behandlungsabbrüchen bei Schwerstkranken viel mit dem Thema zu tun. Die dort selbst in aussichtslosen Fällen oft praktizierte »Endlos-Therapie« habe bei ihr viele Fragen aufgeworfen: »Ist dies für den Betroffenen wirklich noch würdevoll? Geht es nur um ein bloßes Überleben – egal mit welchem Outcome?«

Letztlich habe dann die TV-Dokumentation »Mein Tod. Meine Entscheidung«, die sie im November 2022 gesehen hat, den Ausschlag gegeben. Von Helmolt nahm Kontakt zur Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) auf und bot ihre Unterstützung an.

Besondere Form der palliativmedizinischen Begleitung

»Das Leben von Menschen durch seine ärztliche Profession zu schützen, schließt meines Erachtens nicht aus, Patienten bei einem schmerz- und gewaltfreien, sicheren sowie würdevollen Lebensende assistierend beizustehen«, sagt sie gegenüber der PZ. So wie es einen Geburtshelfer am Anfang des Lebens gebe, könne ein Sterbehelfer am Lebensende notwendig werden und eine menschlich wertvolle Hilfe leisten.

»Auch die Sterbehilfe in Form einer assistierten Freitodbegleitung befindet sich im Einklang mit den ärztlichen Aufgaben und deren Berufung zur Wahrung der Würde und insbesondere der Autonomie seiner Patienten.« Diese sollte aus ihrer Sicht als zwar extreme, aber besondere Form der palliativmedizinischen Begleitung von Patienten Eingang in unsere Gesellschaft finden. »Nicht der Arzt, sondern ausschließlich der Patient entscheidet, welchen Weg er gehen möchte«, betont von Helmolt.

Die Aufgabe der Ärztin ist es, gewissenhaft zu prüfen, ob der jeweilige Sterbewunsch gefestigt und wohlbedacht ist, von Dritten unbeeinflusst und freiverantwortlich getroffen wird. »Dabei ist es wichtig, dass ich mich auch in die Situation des Freitodwilligen hineinversetzen und seinen ureigenen Sterbewunsch anhand seiner individuellen Situation und empfundenen Not nachvollziehen kann. Nur sofern alle Voraussetzungen erfüllt sind und es sich auch für mich persönlich stimmig anfühlt, kann ich eine Hilfe anbieten.«

Patient entscheidet über Intensität der Betreuung

Die DGHS vermittelt auf Wunsch Suizidassistenz an ihre Mitglieder, indem sie entsprechende Anträge an externe Helferteams weiterleitet. Von Helmolt hat seither viele Fälle begleitet. Zuletzt hat sie auch im Kontakt mit Linus Sterbehilfe, einer privatärztlichen Gemeinschaft, eine FTB durchgeführt. Letztlich agieren sowohl die Juristen als auch die Ärzte freiberuflich. Ihre Vergütung erfolgt abhängig von den bei den jeweiligen Gesellschaften oder Vereinen vorgesehenen Modellen. Eine einheitliche Regelung gibt es in Deutschland nicht. Die Einnahmen eines Arztes bewegen sich laut von Helmolt je nach Anbieter zwischen 1400 und 3000 Euro.

Manche Sterbewillige begleite sie nur über zwei Monate, andere länger als ein Jahr. »Die Dauer einer Begleitung liegt immer am Patienten und hängt von dessen Krankheitsverlauf respektive seinem Lebens- beziehungsweise Sterbewillen ab. Er entscheidet über Tempo und Intensität der Betreuung.« Der Sterbetag selbst hat demnach den geringsten zeitlichen Anteil an einem FTB-Prozess.

Die ärztliche Begleitung besorgt auch das Medikament. Von Helmolt bezieht es über Privatrezept bei einer Apotheke, berichtet sie.

Der Zeitpunkt des Sterbens ist auch für die ärztliche Freitodbegleiterin stets ein sehr aufwühlender, ergreifender Moment: »Im Zeitpunkt des Sterbens selbst bin ich demjenigen physisch und emotional sehr nahe. Wenn der Mensch dann (nach einer Minute) einschläft, die Atmung (nach einer weiteren Minute) sistiert und der Herzschlag (nach etwa 5 Minuten) verstummt, bin ich sehr berührt, aber auch froh und erleichtert. Dann weiß ich, dass ich dem Sterbewilligen seinen dringenden letzten Wunsch erfüllt und ihn auf bestmögliche Weise geholfen habe, sanft und friedlich, sicher und würdevoll sterben zu können.«

Wenn der Tod eingetreten ist, wird zu gegebener Zeit die Kripo verständigt und den Beamten werden die Dokumente, Protokolle und Freitod-Erklärungen ausgehändigt. Auch die meisten Kripo-Beamten schätzten die Arbeit der FTB als »würdevoll und menschlich begrüßenswert ein«, erzählt von Helmolt. Sie zeigten ihren Respekt, wenn ein Mensch auf diese friedliche und gewaltfreie Weise gehen kann.

Bundesweit circa 30 bis 40 Ärzte 

Grundsätzlich sieht von Helmolt beim Thema Sterbebegleitung noch einen großen Aufklärungsbedarf. Die meisten Menschen gehen aktuell davon aus, dass man für Sterbehilfe in die Schweiz fahren müsse. Demnach denken 83 Prozent der Bevölkerung laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag der DGHS, dass assistierte Sterbehilfe in Deutschland nach wie vor verboten ist.

Auch bei den Ärzten, die oft erster Ansprechpartner für Sterbewillige sind, sieht von Helmolt Informationsbedarf. Bislang gibt es deutschlandweit noch recht wenige Mediziner, die in diesem Bereich Unterstützung anbieten. Auf circa 30 bis 40 Ärzte schätzt von Helmolt die Zahl, die hierzulande für die bekannten Sterbehilfe-Organisationen respektive Vermittler von Sterbehilfe tätig sind. Unter Einhaltung der rechtlichen Voraussetzungen könnte prinzipiell jeder Arzt einen assistierten Suizid begleiten, so die Intensivmedizinerin.

Sie weiß aus eigenen Erfahrungen, dass viele Ärzte die Möglichkeit einer assistierten FTB gut und richtig finden, wenn sie davon hören. Das Thema an sich sei aber auch unter den Ärzten noch wenig bekannt. Hier brauche es mehr Aufklärung, so von Helmolt.

Autonome Wunsch des Patienten 

»Darüber hinaus fehlen meiner Erfahrung nach oft noch die Zeit und das Verständnis in der Ärzteschaft, den autonomen Wunsch eines Patienten zu ergründen und in letzter Konsequenz auch zu respektieren.« So dürfe etwa jemand mit einer Krebserkrankung im finalen Stadium selbst entscheiden, ob er seinem Lebensende im Krankenhaus unter laufenden Therapieversuchen, in einem Hospiz pflegerisch und seelsorgerisch begleitet, durch Palliativmediziner mittels medikamentöser Therapien unterstützt oder zu Hause im Kreis seiner Familie selbstbestimmt entgegengehen möchte. In so einem Fall könnten alle potenziellen Beteiligten Sterbehelfer sein – nur jeder auf seine unterschiedliche Weise, betont von Helmolt. Es gehe stets darum, dem Patienten ein würdevolles und möglichst leichtes Sterben zu ermöglichen.

Nur der Betroffene selbst hat als Regisseur seines Lebens und Sterbens die Entscheidung in der Hand. Welchen Weg er gehen möchte, entscheidet schlussendlich nur er. Alle Begleiter sollten das auch so respektieren, findet von Helmolt. Jeder sei in seinem Gebiet ausgebildet und geübt, jeder könnte auf seine Art gute Hilfe bieten. »Das Ergebnis ist dasselbe – der Tod des Patienten.« Daher gebe es kein Richtig und kein Falsch, kein Besser und kein Schlechter, es gebe nur ein »Anders«.

Die Freitodbegleiterin erhält nach eigenen Angaben grundsätzlich viel positives Feedback für ihre Tätigkeit. »Die Dankbarkeit und Wertschätzung von vielen Seiten macht mich zufrieden und spendet Kraft. Ich fühle einen gewissen Stolz, dass mir die Patienten ihr Vertrauen schenken und ich diese Form von Hilfe leisten kann.«

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