Erstes Mittel bei MASH im Handel |
Kerstin A. Gräfe |
01.10.2025 08:30 Uhr |
Bei der Lebererkrankung MASH befindet sich zu viel Fett in den Leberzellen. Das kann auf Dauer zu Fibrose, Zirrhose und Leberkrebs führen. / © Adobe Stock/Rasi
Die metabolisch-assoziierte Steatohepatitis (MASH), früher bekannt als nicht alkoholische Steatohepatitis (NASH), ist eine chronische und fortschreitende Lebererkrankung, die durch eine Ansammlung von Fett verursacht wird. In der Folge kommt es zu Entzündungsprozessen und fibrotischem Umbau. Eine solche Leberfibrose kann in eine Zirrhose mit dauerhaften Vernarbungen oder Leberkrebs übergehen, was eine Organtransplantation nach sich ziehen kann. Die Betroffenen haben zudem häufig kardiovaskuläre und metabolische Begleiterkrankungen. Bislang gab es in der EU keine zugelassene Behandlung für MASH.
Resmetirom ist ein selektiver Agonist am Schilddrüsenhormonrezeptor β (THR-β). THR-β kommt hauptsächlich in der Leber vor und häufig ist seine Funktion bei MASH-Patienten beeinträchtigt. Die Stimulation des THR-β in der Leber verbessert die Mitochondrienfunktion sowie den Fettstoffwechsel und erhöht die Fettsäure-β-Oxidation, wodurch lipotoxisches Leberfett, Entzündungen und Leberfibrose reduziert werden. Laut Fachinformation hat Resmtirom nur minimale Off-Target-Effekte auf THR-α in Geweben wie Herz und Knochen.
Resmetirom (Rezdiffra™ 60/80/100 mg Filmtabletten, Madrigal Pharmaceuticals) ist in Verbindung mit Diät und Bewegung zur Behandlung Erwachsener mit nicht zirrhotischer MASH und moderater bis fortgeschrittener Leberfibrose (Stadium F2 bis F3) indiziert. Die Dosierung erfolgt nach Körpergewicht: Patienten mit einem Körpergewicht unter 100 kg nehmen einmal täglich 80 mg oral ein, schwerere Patienten einmal täglich 100 mg.
Nicht angewendet werden sollte der neue Arzneistoff bei Patienten mit mittelschwerer oder schwerer Leberfunktionsstörung. Vorsicht ist geboten bei MASH-Patienten mit anderen Grunderkrankungen der Leber wie Autoimmunlebererkrankungen oder aktiver Virushepatitis sowie bei Patienten mit alkoholbedingter Lebererkrankung. Während der Behandlung sind die Leberenzymwerte regelmäßig zu kontrollierten. Bei Verdacht auf eine Lebertoxizität ist die Behandlung abzubrechen.
In klinischen Studien traten unter Resmetirom verglichen mit Placebo häufiger Gallenblasenereignisse auf. Bei Verdacht auf Steine in der Gallenblase oder den Gallengängen (Cholelithiasis) sind diagnostische Untersuchungen der Gallenblase und eine angemessene klinische Nachsorge angezeigt.
In puncto Wechselwirkungen ist zu beachten, dass Resmetirom teilweise über CYP2C8 metabolisiert wird. Die gleichzeitige Anwendung mit starken CYP2C8-Inhibitoren wird nicht empfohlen. Bei gleichzeitiger Gabe mit einem moderaten CYP2C8-Inhibitor sollte die Dosis bei Patienten mit einem Gewicht von ab 100 kg von 100 mg auf 80 mg und bei Patienten mit einem Gewicht von unter 100 kg von 80 mg auf 60 mg reduziert werden.
Der neue Arzneistoff kann die Pharmakokinetik von Statinen beeinflussen. Bei gleichzeitiger Anwendung mit Rosuvastatin und Simvastatin sollte deren Tagesdosis auf 20 mg, bei Pravastatin und Atorvastatin auf 40 mg begrenzt werden.
Aus Vorsichtsgründen sollte der neue Wirkstoff in der Schwangerschaft nicht angewendet werden. Bei Stillenden ist zu entscheiden, ob auf das Stillen oder auf die Therapie mit Rezdiffra verzichtet wird.
Die Zulassung basiert auf der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie MAESTRO-NASH an 917 Patienten mit MASH und bestehender Leberfibrose. Die Teilnehmenden erhielten zusätzlich zu einer Lebensstilberatung einmal täglich 80 mg Resmetirom (n = 306), 100 mg Resmetirom (n = 308) oder Placebo (n = 303). Die beiden primären Endpunkte der 52-wöchigen Analyse waren zum einen eine MASH-Auflösung ohne Verschlechterung der Fibrose, zum anderen eine Verbesserung der Fibrose um mindestens ein Stadium ohne Verschlechterung im NAFLD-Score.
Die MASH-Rückbildung gelang bei 30 Prozent der Pateinten mit der hohen und bei 26 Prozent mit der niedrigeren Dosierung, aber nur bei 10 Prozent mit Placebo. Eine Verbesserung der Fibrose erreichten 29 Prozent mit der hohen und 27 Prozent mit der niedrigeren Dosis; unter Placebor waren es 17 Prozent. In beiden Fällen waren die Unterschiede zu Placebo für beide Dosierungen statistisch signifikant.
Die häufigsten beobachteten Nebenwirkungen sind Durchfall, Übelkeit und Juckreiz.
Resmetirom ist vorläufig eindeutig als Sprunginnovation zu betrachten. Dafür gibt es mehrere Gründe. Allen voran: Es ist der erste und einzige Wirkstoff, der bei MASH, einer Erkrankung mit hoher epidemiologischer Relevanz, zugelassen ist und nun zur Verfügung steht.
Auch der Wirkmechanismus ist innovativ. Resmetirom wirkt als Agonist am Schilddrüsenhormonrezeptor β (THR-β), der vor allem in der Leber vorkommt. Die Aktivierung des Rezeptors steigert die β-Oxidation, reduziert hepatische Lipotoxizität, Entzündung und letztlich Fibrose – ein pathophysiologisch plausibler, krankheitsmodifizierender Ansatz. Auf den THR-α wirkt Resmetirom dagegen kaum ein, sodass Off-Target-Effekte etwa am Herzen oder Knochen, wo THR-α exprimiert wird, minimal sind.
Die histologischen Verbesserungen in der MAESTRO-NASH-Studie können sich sehen lassen. Viele Patienten erreichten eine MASH-Resolution beziehungsweise Fibroseverbesserung. Die Einstufung als Sprunginnovation muss aber noch als vorläufig betrachtet werden, da statt dieser Surrogatparameter letztlich harte Endpunkte entscheidend sind. Das Erreichen solcher Endpunkte in einer Outcome-Studie, etwa weniger Dekompensationen, Transplantationen und niedrigere Mortalität, bleibt am Ende der entscheidende Prüfstein. Die entprechende Studie, MAESTRO-NASH OUTCOMES, läuft bereits.
Zu klären ist noch, wie lange die Therapiedauer mit Resmetirom sein sollte. Experten thematisieren hierzu auch mögliche endokrine Veränderungen bei einer Langzeitanwendung. So kann Resmetirom laut Fachinformation die Konzentration des Sexualhormon-bindenden Globulins (SHBG) erhöhen. Ob das eine Auswirkung hat, ist aber nicht genannt.
Bei der Anwendung von Rezdiffra werden zudem ein striktes Nebenwirkungs- und Interaktions-Monitoring (Leberwerte, Gallenblase, Statine/CYP2C8) sowie die gezielte Patientenselektion eine wichtige Rolle einnehmen. Auch Apotheken kommen bei der Betreuung der Patienten somit Aufgaben zu.
Sven Siebenand, Chefredakteur