Erste topische Gentherapie im Handel |
| Brigitte M. Gensthaler |
| 08.09.2025 18:00 Uhr |
Die Haut von Patienten mit Epidermolysis bullosa reagiert schon auf minimale mechanische Traumata mit Blasenbildung. Die Verbandswechsel sind schmerzhaft und aufwendig. / © Getty Images/miriam-doerr
Epidermolysis bullosa ist eine genetisch bedingte, sehr seltene Hautkrankheit, die vier Haupt- und viele Subtypen umfasst. Laut einer Studie leben in Deutschland mindestens 2000 Patienten. Die Erkrankung wird häufig auch als Schmetterlingskrankheit bezeichnet, da die Haut der Patienten aufgrund einer genetischen Mutation ähnlich fragil ist wie Schmetterlingsflügel.
Einer der Haupttypen ist die dystrophe Epidermolysis bullosa. Aufgrund verschiedener genetischer Mutationen im Kollagen-VII-Gen sind Haut und hautnahe Schleimhäute der Patienten extrem empfindlich. Schon kleinste Verletzungen, Reibung oder Druck führen zu Hautblasen oder Wunden. Bei dieser Form erfolgt die Blasenbildung unterhalb der Basalmembran. Epithelbrüchigkeit und Blasenbildung manifestieren sich meist schon bei der Geburt oder im Säuglingsalter. Viele Patienten leiden zudem an extrakutanen Komplikationen. Das Risiko für Plattenepithelkarzinome ist ab früher Adoleszenz erhöht.
Beremagen geperpavec (Vyjuvek® 5 × 109 Plaque-bildende Einheiten/ml Suspension und Gel zur Herstellung eines Gels, Krystal Biotech) ist ein lokal angewandtes Gentherapeutikum zur Wundbehandlung von Patienten mit dystropher Epidermolysis bullosa mit Mutation(en) im Gen für die α1-Kette von Kollagen Typ VII (COL7A1). Es darf bei Patienten ab Geburt eingesetzt werden.
Das Medikament ist ein replikationsdefekter Herpes-simplex-Typ-1-basierter Gentherapie-Vektor; dieser wurde genetisch modifiziert, um das humane COL7-Protein unter der Kontrolle des humanen Cytomegalovirus-Promotors zu exprimieren.
Bei Patienten mit dystropher Epidermolysis bullosa ist das COL7A1-Gen, das für das Kollagen Typ VII (COL7) codiert, durch Mutationen inaktiviert. Fehlt das Kollagen, ist der Zusammenbau von Fibrillen beeinträchtigt, die die Basalmembran in der darunter liegenden Dermis verankern.
Nach dem Auftragen der topischen Gentherapie schleust der HSV-1-Vektor das modifizierte genetische Material in den Kern von Keratinozyten und Fibroblasten ein, wobei die Fremd-DNA nicht in die native DNA der Zielzelle integriert wird und nicht damit interagiert. Beremagen geperpavec repliziert nicht in den Zellen.
Sobald sich das genetische Material im Zellkern befindet, wird die Transkription des humanen COL7A1-Gens initiiert. Dies ermöglicht den Zellen, reifes Typ-VII-Kollagen zu produzieren und zu sezernieren. Dieses ordnet sich zu langen dünnen Bündeln an, die Verankerungsfibrillen bilden. Diese Fibrillen halten die Epidermis und Dermis zusammen und sind für den Erhalt der Hautintegrität essenziell.
Vyjuvek wird einmal wöchentlich in kleinen Tröpfchen in einem gitterartigen Muster im Abstand von etwa 1 cm voneinander auf die Wunde(n) appliziert. Die empfohlene maximale Gesamtdosis für Kinder bis drei Jahre beträgt 1 ml pro Woche (2 × 109 Plaque-bildende Einheiten, PFU), für alle älteren Patienten sind es 2 ml (4 × 109 PFU).
Die Gentherapie wird so lange aufgetragen, bis sich die Wunden geschlossen haben. Öffnen sich Wunden wieder, sollten diese vorrangig behandelt werden. Liegen keine Wunden vor, stoppt die Behandlung.
Nach der Applikation wird ein hydrophober Verband aufgelegt, unter dem sich in der Wunde eine dünne gleichmäßige Vyjuvek-Schicht bildet. Darüber wird ein Standardverband gelegt. Der Verband verbleibt für circa 24 Stunden. Nach der Behandlung sind die Patienten auf Anzeichen von Infektionen zu überwachen und gegebenenfalls zu behandeln.
Vyjuvek sollte nicht auf Wunden mit einem Plattenepithelkarzinom (SCC) aufgetropft werden. Es kann aber bei SCC-Patienten auf andere Wunden aufgetragen werden.
Das Präparat ist gefroren bei –15 bis –25 °C zu lagern. Vor der Anwendung müssen die Suspension und das Gel aufgetaut und in einer Apotheke vermischt werden. Die Fachinformation enthält ausführliche Anweisungen zum Prozedere, zur Haltbarkeitsdauer nach dem Mischen, zur Logistik und Entsorgung. Beim Umgang mit Vyjuvek ist persönliche Schutzausrüstung, zum Beispiel Handschuhe, Maske und Augenschutz, zu tragen. Schwangere Frauen sollten nicht damit in Kontakt kommen.
Die Zulassung stützt sich auf die Phase-III-Studie GEM-3 mit 31 Patienten im Alter zwischen 1 und 44 Jahren. Alle hatten genetisch bestätigte Mutationen im COL7A1-Gen. Bei jedem Patienten wurden zwei Läsionen, also 62 primäre Wunden, ausgewählt: Eine Wunde wurde mit dem Gentherapeutikum in Gelform und die andere mit Placebo (nur die Gelgrundlage) 26 Wochen lang behandelt. Die Wunden waren von 2 bis über 52 Quadratzentimeter groß.
Der primäre Endpunkt – eine komplette Heilung nach sechs Monaten – wurde bei 67 Prozent (21 von 31) der mit Vyjuvek behandelten Wunden erreicht, verglichen mit 22 Prozent (7 von 31) der mit Placebo behandelten. Nach drei Monaten (sekundärer Endpunkt) lag die Abheilungsrate bei 71 Prozent der Wunden, die gentherapeutisch behandelt wurden, versus 20 Prozent unter Placebo. Zudem hatten die Patienten unter Verum weniger Schmerzen bei der Wundversorgung.
18 Patienten (58 Prozent) in der klinischen Studie berichteten über mindestens eine unerwünschte Wirkung (UAW). Am häufigsten waren Schüttelfrost, Juckreiz und Plattenepithelkarzinome (jeweils 10 Prozent). Alle drei Karzinome traten an Stellen auf, die nicht gentherapeutisch behandelt worden waren. Keine UAW führte zum Abbruch der Behandlung. Es wurden keine signifikanten immunologischen Reaktionen beobachtet.
Beremagen geperpavec kann mit Fug und Recht als Meilenstein in der Behandlung der dystrophen Epidermolysis bullosa (DEB) bezeichnet werden und ist damit eindeutig eine Sprunginnovation. Es handelt sich um die erste lokale Gentherapie bei DEB und die erste Behandlung, die korrigierend am Gendefekt ansetzt. Die Daten, die zur Zulassung geführt haben, zeigen, dass unter Behandlung mit Beremagen geperpavec signifikant mehr Wunden vollständig abheilten. Damit ist sicherlich auch ein deutlicher Gewinn an Lebensqualität bei den Betroffenen erreicht.
Ferner ist positiv zu erwähnen, dass Vyjuvek bereits ab Geburt zum Einsatz kommen darf und dass die Therapie nicht invasiv und leicht anwendbar ist. Vyjuvek kann auch von entsprechend geschulten Patienten oder Pflegepersonen appliziert werden. Damit können auch Familien, die weit von spezialisierten Zentren entfernt wohnen, von der Gentherapie profitieren.
Das Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil kann als günstig bezeichnet werden. Klinisch relevante Reaktionen auf den HSV-1-Vektor wurden bisher nicht beobachtet. Nichtsdestotrotz gilt es, das Thema Sicherheit weiterhin im Auge zu behalten und insbesondere Daten zur Langzeitsicherheit zu generieren.
Sven Siebenand, Chefredakteur